Читать книгу Kurswechsel im Indischen Ozean - Martin Danders - Страница 5
2. Kapitel
ОглавлениеHeute habe ich ein ganzes Kapitel für mein neues Buch fertiggestellt. Ich speichere die Daten voller Stolz ab, klappe den Laptop zu und ziehe ein paar Grimassen, damit die kleine Maria über mich lachen kann. Lisa steht in der Bordküche und kocht gerade das Abendessen. Tisza liegt im Schatten und schläft genüsslich. Heute wird es bestimmt sehr heiß, und die Hitze im australischen Sommer in Port Hedland ist fast unerträglich.
„Was kochst du heute?“, frage ich Lisa.
„Das wirst du schon sehen!“
„Da bin ich aber gespannt!“, sage ich.
„Und bist du in deinem Buch weitergekommen?“
„Ja, es flutscht richtig und fließt aus der Hand, wenn ich mich gut darauf konzentrieren kann“, erkläre ich.
„Wollen wir noch mal ins Outback fahren, um Diamanten zu suchen?“
„Ich denke nicht, weil wir es damit nicht übertreiben sollten. Wenn wir irgendwann kein Geld mehr haben, dann können wir wieder hinfahren, um weitere Diamanten zu suchen. Wir wissen doch, wo wir suchen müssen“, sage ich.
„Da hast du recht, wir haben genug Geld. Außerdem ist es für Maria auch viel zu heiß im Outback!“
Nach dem Abendessen laufen wir durch die Kleinstadt und setzen uns in ein kleines Kaffeehaus. Maria sitzt in ihrem Kinderwagen und schaut sich mit großen Augen die Welt an. Tisza ist wegen der Hitze etwas apathisch und schleppt sich neben uns her. Wir bestellen uns zwei Milchkaffees und schauen uns die vorbeilaufenden Leute an. Mittlerweile kennen viele Einheimische uns. Wir sind die Deutschen, die auf der Segeljacht wohnen und nicht arbeiten gehen. Wir haben, als reine Vorsichtsmaßnahme, niemanden etwas von unseren Diamantenfunden erzählt. Ich erzähle den Leuten immer, dass wir von meiner Schriftstellerei leben. Die Wahrheit ist, dass wir niemals von diesen Einnahmen leben könnten.
„Hast du manchmal Heimweh nach Deutschland?“, frage ich Lisa.
„Ja, manchmal schon!“
„Ich finde es hier in Australien ganz schön, aber nach den zwei Jahren habe ich schon langsam genug. Die Leute sind ganz nett hier, aber auch sehr oberflächlich und haben einen äußerst begrenzten Horizont“, erkläre ich.
„Das finde ich auch. Im ersten Moment sind alle sehr nett, aber später merke ich, dass sie kein großes Interesse an mir haben. Die Höflichkeitsfloskeln müssen hier unbedingt eingehalten werden und puritanisch ist es außerdem. Auf keinen Fall dürfen wir an einem australischen Strand ein Körperteil zeigen, wenn wir die Kleider wechseln!“
„Das stimmt. Außerdem denken die Australier wenig über das Weltgeschehen nach, weil Sport das Wichtigste ist. Die Nachrichten im australischen Fernsehen bestehen zu neunzig Prozent aus Sport und zu fünf Prozent aus australischen Sensationsnachrichten. Der Rest sind Politikmeldungen aus Australien und den USA. Obwohl Australien am Krieg der Religionen auf NATO-Seite beteiligt ist, ist das hier bei den Leuten kein Thema. Das war in Deutschland schon anders, weil die Menschen dort eine andere Mentalität haben“, erkläre ich.
„Aber wir können nicht mehr zurück nach Deutschland. Niemand kann im Moment dorthin zurück, wegen der Strahlung!“
„Ich finde es furchtbar, dass wir nicht zurück nach Deutschland können“, sage ich mit einem traurigen Gesicht.
„Ich auch!“
Wir trinken unseren Kaffee aus und gehen langsam und betrübt zurück zu unserer Jacht. Ich lege meinen Arm um Lisas Taille. Sie schiebt den Kinderwagen, während ich in der anderen Hand die Leine von Tisza habe.
Wieder auf dem Boot, öffne ich eine Weinflasche und schenke uns zwei Gläser ein. Lisa bringt Maria ins Bett und setzt sich danach zu mir. Unser altes Auto, der „Kingswood“, steht auf der Hafenmole und rostet vor sich hin. Ich betrachte das Auto und schüttle den Kopf.
„Für die alte Karre bekommen wir höchstens noch hundert australische Dollar“, sage ich zu Lisa.
„Willst du das Auto verkaufen?“
„Wenn wir wieder in See stechen, brauchen wir es nicht mehr“, sage ich.
„Willst du wieder in See stechen?“
„Ja! Mich zieht es zurück nach Europa“, sage ich.
„Wohin willst du in Europa? Nach Deutschland können wir nicht zurück!“
„Nach Mallorca! Die Insel ist praktisch ein neues deutsches Bundesland. Dort sind wir wieder fast ausschließlich unter Deutschen und wir bekommen mehr mit als in Australien“, schlage ich vor.
„Nach Mallorca? Die Insel wurde früher mal Putzfraueninsel genannt!“
„Ja, ich weiß! Sie hat ein günstiges Klima. Im Sommer ist es nicht zu heiß und im Winter viel milder als in Deutschland. Außerdem ist die Insel relativ groß und es gibt unzählige Jachthäfen. Jetzt sitzt sogar die deutsche Exilregierung dort“, sage ich.
„Du willst nach Mallorca, weil dort die Exilregierung ist?“
„Nein, natürlich nicht, aber wir sind dann näher dran am deutschen Geschehen und bekommen einfach mehr mit. Hier in Port Hedland leben wir am Arsch der Welt, es ist gähnend langweilig“, sage ich.
„Hier ist es zwar langweilig, aber wir haben unsere Ruhe. Außerdem bekommen wir Gott sei Dank in Australien nichts vom Krieg der Religionen mit.“
„Ja, aber wir sind hier abgeschnitten von Europa. Wenn sich der Krieg ausweiten sollte, können wir nicht mehr nach Europa zurücksegeln, weil es zu gefährlich ist“, erkläre ich.
„Da hast du recht!“
„Willst du lieber hier bleiben?“, frage ich.
„Ich will, dass Maria in Sicherheit aufwächst!“
„Das will ich auch, aber Mallorca ist sicher“, sage ich.
„Wenn du sicher bist, dass es für uns alle nicht gefährlich ist, dann bin ich dafür, dass wir nach Mallorca segeln.“
„Wir werden kein Risiko eingehen! Das verspreche ich dir“, sage ich.
„Okay!“
Wir sitzen noch eine Weile auf dem Boot und betrachten die Leute, die an der Hafenmole entlangflanieren. Lisa schaut noch einmal nach Maria und anschließend kriechen wir in unsere große Koje. Lisa ist heute sehr liebesbedürftig, sodass wir uns leidenschaftlich küssen. Wir lieben uns im Boot, dabei plätschert das Wasser an die Bordwand. In den drei Jahren, die wir uns jetzt kennen, hat unsere Leidenschaft kaum nachgelassen. Beim Einschlafen denke ich über unsere geplante Seereise nach Mallorca nach.