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a) Moderne Naturwissenschaft und Physikotheologie

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Darwin veröffentlichte seinen Grundgedanken von der Entwicklung des Lebens aus einer Wurzel in einer Zeit des wissenschaftlichen Auf- und Umbruchs. Die noch junge Naturwissenschaft, deren Anfänge ins 17. Jahrhundert datieren, befand sich im 18. Jahrhundert kontinuierlich auf dem Vormarsch. Zeitgleich erlebte auch die natürliche Theologie in Gestalt der sogenannten Physikotheologie einen regelrechten Boom in Westeuropa. Die experimentelle Naturbetrachtung stand damals vielfach unter einem religiösen Vorzeichen. Theologie und Naturwissenschaft waren noch nicht strikt voneinander getrennt. Die Erforschung der Natur, die wissenschaftliche Betrachtung der Dinge diente aus Sicht der Physikotheologie einem dreifachen Zweck: Sie sollte den Menschen erstens für das Wunder des Lebens sensibilisieren. Die Komplexität und Schönheit des Geschaffenen sollte ihn zum bewundernden Staunen bewegen. Vom aufmerksamen Lesen im Buch der Natur erhoffte man sich zweitens Rückschlüsse auf die Beschaffenheit des Schöpfers. Die wissenschaftliche Welt- und Selbsterfahrung diente drittens der menschlichen Selbsterkenntnis und der Verwirklichung des rechten Gottes- und Weltverhältnisses. „An allem, was sich in dieser Welt findet und alltäglich vorgeht, soll dem Menschen die Zuwendung seines Gottes aufgehen und ihn zu Ehrfurcht, Lob und Dank bringen.“70

In der Physikotheologie des 17. und 18. Jahrhunderts kam es zu einer gegenseitigen Befruchtung von Theologie und Naturwissenschaft. Der empirische Erkenntnisfortschritt warf nicht nur die Frage nach Gott auf, sondern stärkte den Glauben an den Schöpfergott. „In dem Maß, in dem die Natur enträtselt und einsichtig wurde, wuchs auch die Überzeugung, darin unmittelbar den Gedanken des Schöpfers und Erhalters zu begegnen.“71 Die wissenschaftliche Hinwendung zur Natur war dabei von der religiösen Überzeugung getragen, dass die Geschöpfe Gottes eine verständliche und klare Sprache sprechen. Da sie aus der Hand des weisen Schöpfergottes hervorgegangen war, wurde die gesamte Wirklichkeit als grundsätzlich erkennbar, als intelligible Größe aufgefasst.72

Eine wichtige Rolle in der Physikotheologie spielten teleologische Argumente. In der Bezeichnung „teleologisch“ steckt der griechische Begriff telos (Ziel, Zweck). Er besagt die Zielgerichtetheit bzw. die Ausrichtung auf einen Zweck. „Ausgangspunkt dieser Argumente ist die Tatsache, dass manche Strukturen und Prozesse in der Welt so erscheinen, als seien sie durch einen intelligenten Planer eingerichtet worden.“73 Physikotheologen deuteten die Ordnung und Zweckmäßigkeit der Natur als Hinweis auf ihren göttlichen Urheber.74 „Verschiedenste Naturphänomene wurden als Beweis für die Existenz eines weisen göttlichen Weltenordners betrachtet, etwa die Regelmäßigkeit von Planetenbewegungen, Fisch- und Vogelzügen, der Feinaufbau und die Umwelttauglichkeit von einzelnen Organen oder ganzen Organismen, die soziale Organisation von Bienen- u. a. Insektenstaaten“75.

Der Mensch und das liebe Vieh

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