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Tiefer Fall

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Oktober 2009

Das Bild brannte sich in Roberts Erinnerung. Nie würde er vergessen können, wie Gabriela mit verdrehten Gliedmaßen auf diesen kalten grauen Steinen lag. Vom Altmann drang der letzte Schrei seiner Frau als Echo in sein Mark. Dann war es still, unerträglich still. Nur das Krächzen einiger Alpendohlen war zu hören und ein »Hilfe«. Robert Winterberg kniete an der Kante des Felsens, über den seine Frau in den Tod gestürzt war. »Hilfe«, schrie er noch einmal, doch für seine Frau kam jede Hilfe zu spät. Das bestätigte der Rega-Arzt, der mit dem Helikopter eingeflogen worden war. »Genickbruch«, analysierte er und hatte das Gefühl, es würde Robert Winterberg helfen, wenn er ihm versicherte, seine Frau hätte nicht leiden müssen, sie sei sofort tot gewesen.

Die Wanderung vom Restaurant Alten Säntis, wo sie die Nacht verbracht und ein ausgiebiges Frühstück genossen hatten, über den Lisengrat zum Rotsteinpass galt als gefährlich. Der scharfkantige Weg glich mehr einem Drahtseilakt als einer gemütlichen Wanderung. Links und rechts neben dem schmalen Weg fiel der Fels mehrere Hundert Meter senkrecht ab. Teilweise überwanden Leitern oder in den Felsen geschlagene Stufen fast senkrechte Passagen. An vielen Stellen sicherten Stahlseile die Königsetappe im Alpstein auf dem Balanceakt zwischen Alpstein und Toggenburg. Den Berggängern bot sich ein atemberaubender Blick, verlangte aber einiges an Kühnheit und unbedingte Schwindelfreiheit. Über beides verfügten die Winterbergs, die regelmäßig ausgedehnte Touren in anspruchsvollem Gelände unternahmen. Sicher, der ohnehin schwierige Weg war noch etwas gefährlicher als sonst. Unter dem wolkenlosen Himmel ließ die bitterkalte Nacht den Tau gefrieren.

»Die Rega fliegt Ihre Frau jetzt hinunter zur Schwägalp«, sagte der Leiter der Rettungskolonne. »Dort wird der Amtsarzt formell den Tod feststellen.« Der Gedanke kam Winterberg absurd vor. Wenn man etwas nicht mehr feststellen musste, dann den Tod seiner Frau. Er ließ sich erklären, dies sei nötig, um zu entscheiden, ob das Unglück als Unfall oder allenfalls als »Verschulden einer Drittperson« eingestuft werden sollte. »Mord?«, fragte Winterberg entsetzt. »Ich war alleine mit meiner Frau! Sie wollen mir unterstellen, ich hätte meine Frau …«

»Ich unterstelle Ihnen gar nichts! Reine Routine.«

»Sie ist gefallen, einfach so. Ausgerutscht! Gestolpert!«

»Das klären wir später.« Väterlich legte der Mann Winterberg die Hand auf die Schulter. »Sind Sie fähig, zu Fuß zurück zum Säntis zu gehen und mit der Bahn hinunterzufahren? Ich begleite Sie. Wir bringen Sie nach Hause.« Winterberg stand unter Schock, ging aber gleich los. Vorsichtig, mit kleinen Schritten. Der Rettungsleiter wich nicht von seiner Seite.

Im Polizeibericht stand später, Gabriela Winterberg sei bei einem Bergunfall ums Leben gekommen. Offensichtliche Beweise für ein Dritteinwirken wurden nicht gefunden. Dies verhinderte nicht das Aufkommen von Gerüchten, Robert Winterberg hätte sich seiner Frau entledigt. Natürlich flammten diese noch einmal auf, als dieser, nur knapp zwei Jahre später, seine zweite Frau heiratete, das viel jüngere ehemalige Fotomodell Cristina Forte.

Tatort Bodensee: Der Fall Winterbergs

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