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2. Kapitel

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Kurz vor Mitternacht kamen wir schließlich in Milfontes an und fanden auch gleich das Kastell. Ich hielt den Wagen an; Edmund und ich stiegen aus, um den Brief abzugeben. Michelle blieb im Wagen sitzen.

"Beeilt euch!" rief sie uns nach.

'Propriedada particulada.' stand auf einer Marmortafel. Etwas zaghaft gingen wir durch ein zierliches Eisengitter, das offen stand, dann auf den Bohlen der ehemaligen Zugbrücke über den Graben, zu einer großen eichenen Tür.

Edmund zog an der Klingelschnur. Nichts geschah.

"Du mußt vielleicht stärker ziehen!", sagte ich. Edmund tat es. Ein heller Glockenklang ertönte. Doch alles, was wir danach hörten, waren leise Schritte hinter der Tür, Schritte, die vorübergingen und verhallten.

Dann, endlich, öffnete sich die Tür. Eine Frau mittleren Alters, die schwarzen Haare streng gescheitelt, stand vor uns, offenbar die Hausdame.

Wir zeigten ihr den Brief, und wollten uns bei der Besitzerin des Kastells melden lassen, denn wir dachten, an sie sei der Brief, der nicht adressiert war, gerichtet. Doch die Hausdame nahm das Kuvert entgegen, bat uns herein und führte uns in einen großen, altmodisch eingerichteten Salon. Dort mußten wir recht lange warten.

Ich blätterte gerade neugierig im Gästebuch, das auf dem Kamin lag, neben einem Stapel Briefe, plötzlich peitschte ein scharfer Wind gegen die Fenster, schlug die Läden hin und her, und im Rauchfang kreischte es bösartig wie ein Tier. Wir schraken zusammen.

Ich spürte wie mir das Blut aus dem Gesicht wich, wechselte mit Edmund, der auch bleich wurde, einen Blick. Und auf einmal war etwas anders und wir verstanden nicht, was denn nun eigentlich anders war. Es war nicht möglich, zu sagen, was. Wir waren auf eine unerklärliche Art und Weise angestrengt. Um nur irgendetwas zu sagen, sagte ich leise:

"Was tut sich da draußen? Gott bewahre uns, kommt etwa ein noch schlimmeres Unwetter?"

Kurz danach hörten wir eine Tür gehen, ich blickte auf und sah wie Edmund sein Gesicht einer Tür im hinteren Bereich des Salons zuwandte. Und ich war kurz davor zu sagen:

"Wo bleibt sie denn?" Aber wer, fragte ich mich? Wer hätte denn kommen können?

Jetzt hörten wir es kratzen, die Tür öffnete sich einen Spalt, ein kleiner alter Hund schoß hervor und lief jemandem entgegen. - Ich habe es gesehen! Er lief jemandem entgegen, der nicht kam! Ich spürte auch merkwürdigerweise, daß es eine Frau war. Für den Hund war sie gekommen. Auch Edmund schien den Eindruck zu haben, daß der Hund jemandem entgegenlief.

Zweimal blieb der kleine Hund stehen und blickte sich nach uns um, als ob er uns etwas fragen wollte. Dann raste er auf diese Frau, - die nicht zu sehen war, - zu, so, wie er es anscheinend immer getan hatte, und erreichte sie; er begann, rund herum zu springen, - um etwas, was nicht da war, - und dann hinauf an ihr, vielleicht um sie zu lecken.

Wir hörten ihn winseln vor Freude, und wie er so in die Höhe schnellte, mehrmals rasch hinter-einander, hätte man wirklich meinen können, er verdecke sie uns mit seinen Sprüngen.

Auf einmal heulte er auf, drehte sich von seinem eigenen Schwunge in der Luft um und stürzte, merkwürdig ungeschickt, lag ganz flach da und rührte sich nicht mehr.

Eine Tür an der anderen Seite des Salons wurde jetzt geöffnet. Die Hausdame erschien, den Brief in der Hand, den wir ihr übergeben hatten. Sie zögerte; offenbar war es nicht ganz leicht, auf unsere Gesichter zuzugehen.

Sie sagte etwas zu dem Tier, etwas Kurzes, Einsilbiges. Der Hund erhob sich zögernd, und mit eingekniffenem Schwanz schlich er aus dem Raum, offenbar wußte er genau, wohin er zu gehen hatte.

Die Hausdame fragte uns, wo wir den Brief herhätten. Wir berichteten ihr von der jungen Frau, der Anhalterin, die ihn uns gegeben hatte. Die Hausdame sah uns sehr seltsam an, und schüttelte mehrmals den Kopf. Sie blickte zu meinem Freund Edmund, dann zu mir, dann wieder zu Edmund, sah mehrmals auf den Brief in ihrer Hand, und nickte endlich, wie in Gedanken.

Schließlich sagte sie:

"Der Brief ist von der Tochter der Condessa. Die Schrift läßt keinen Zweifel zu! Und sehen Sie hier," und damit deutete sie auf den Kaminsims, wo mehrere Briefe aufeinander lagen, "das alles sind Briefe von ihr, die wir ab und zu erhalten, und immer auf diese Art, wie von Ihnen!"

Wir fragten uns, was daran wohl so merkwürdig wäre und wollten gerade unsere Verwunderung darüber aussprechen, daß sie uns diese Einzelheiten berichtete, als sie uns eröffnete:

"Die Tochter der Condessa ist tot! Sie ist vor acht Jahren bei einem Autounfall in der Nähe von Sines ums Leben gekommen, genau an der Stelle, wo Sie diese junge Frau, diese Anhalterin, mitgenommen haben."

Wir erfuhren, daß im Kastell ein Hotelbetrieb war und da es spät in der Nacht war, beschlossen wir zu bleiben, gingen zurück zum Wagen und holten unser Gepäck.

"Warum seid ihr so lange fortgeblieben und warum seid ihr so blaß?", fragte Michelle mit ungnädiger Stimme. Edmund murmelte etwas Unverständliches, was wohl eine Erklärung sein sollte.

Ich habe nie Ahnungen, jedenfalls hatte ich bisher nie welche gehabt, doch als ich mein Gepäck aus dem Wagen nahm, überfiel mich ein unheimliches Gefühl, etwas legte sich auf mich, eine Beklemmung.

"Bitte, laß uns woanders ein Quartier suchen!", bat ich Edmund.

"Warum, du bist verrückt, hier ist es wunderbar, bequem, romantisch."

"Ich bin nicht verrückt, aber ich habe das Gefühl, ich könnte es hier werden."

"Es ist schon so spät," erwiderte Edmund, "wie willst du da ein besseres Hotel finden?"

Und Michelle maulte:

"Ich will ins Bett, ich fahre keinen Kilometer mehr ..." Schließlich gab ich nach.

Das Geheimnis der Anhalterin

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