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7. Kapitel

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Es war noch früh am Abend, Madame W., wie wir zu Gast im Kastell, hatte die anderen Gäste in den Salon zu einer kleinen Geburtstagsfeier eingeladen. Edmund und Michelle hatten keine Lust mitzukommen. Edmund war erschöpft von einer langen Diskussion mit Michelle, seiner Frau, die mit dem Komfort im Kastell unzufrieden war und auf eine baldige Abreise oder Quartier-wechsel drängte. Weil er sich geweigert hatte, hatte sie ihre Migräne bekommen und war seitdem nicht wieder aus dem Zimmer hervorgekommen, - und so ging ich allein.

Innenhof des Kastells traf ich auf die blonde Dame, die etwas ältere, also die Mutter. Sie kam auf mich zu, lächelte ein bezauberndes Lächeln.

"Wissen Sie, wo hier diese Geburtstagsfeier stattfindet?" fragte sie. Sie wollte also auch in den Salon.

"Vermutlich dort!" erwiderte ich und wies auf einige Fenster im Erdgeschoß des Kastells, wo sich hinter den Scheiben Menschen bewegten, die plauderten.

Unschlüssig sah ich die blonde Dame an, die Dame blickte mich an, beide, als warteten wir auf einen höheren Befehl.

"Ich bin sehr schüchtern!", sagte sie endlich, "Gehen Sie doch bitte voraus!"

Die Tür öffnete sich, ein schlanker Herr stürzte heraus, warf einen verwirrten Blick auf die blonde Dame und durchquerte den Hof. Und so gingen wir hinein in den Salon als ein Paar, was mir einen erstaunten, vielleicht sogar strafenden Blick einer Frau mittleren oder etwas mehr als mittleren Alters eintrug, die in der Mitte des geräumigen Salons stand, umgeben von einigen Gästen.

Sie hatte die schwarzen Haare streng gescheitelt, trug eine durchsichtige Bluse über einer weißen Spitzenbluse, einen gelben Seidenschal und einen weiten blauen Rock, was alles sehr raffiniert und elegant wirkte. Es war Madame W., die Gastgeberin, die mich sofort in Beschlag belegte, als ich mich bei ihr vorgestellt hatte.

"So sind Sie hier in diesem schönen Flecken Erde, einem wahren Garten in Eden, gelandet. Der Himmel ist nirgends so wunderbar blau wie hier!"

"Ja, Madame," erwiderte ich, "Sie haben recht! Aber dieses Blau hier, so schön es ist, macht mich müde!"

Madame W. wirkte leicht verstört, aber sie versuchte, über meinen Scherz zu lachen.

Was jetzt nicht zu vermeiden war, es kam das Gespräch auf die Psychologie der Farben. Madame W. saß in der gelben Pracht ihres Schals und lobte die Sonnenfarbe.

"Gelb ist meine Lieblingsfarbe!", bekannte sie und strahlte.

"Blau!", sagte ich, "Blau ist meine liebste Farbe! - So wie Ihr Rock!" Ich wagte es und beugte mich vor: nein, ich hatte mich getäuscht, er war blau und grau gestreift. Ruhig duldete sie die Musterung und lächelte verschämt. Mir wurde es unbehaglich und heiß.

"Denken Sie," berichtete mir dann Madame W, ohne Zusammenhang mit dem bisherigen Gespräch, "Neulich habe ich drei Tagetis-Pflänzchen gekauft," Sie neigte sich dabei näher zu mir, wobei ich bemerkte, daß ihre Haare sauer nach Erde rochen, "und auf das Grab meines Mannes gepflanz. Ein paar Tage lang habe ich sie täglich begossen, um sicher zu sein, daß sie anwachsen. Sechs Wochen später kam ich wieder auf den Friedhof, und denken Sie, - da standen tatsächlich drei große Tomatenstauden." Als sie meinen erstaunten Blick bemerkt, fuhr sie fort, "Ja, ich habe die Tomaten natürlich geerntet! Drei Pfund waren es insgesamt!", sagte sie voller Stolz. Glücklicherweise mußte sie jetzt andere Gäste begrüßen; ich konnte aufstehen und mich ein wenig umsehen.

Die Seitenwände des Kamins waren mit Azulejos bedeckt, den handbemalten blauen portugie-sischen Kacheln. Die geheimnisvollen Briefe waren verschwunden. Auf dem Kaminsims standen Fotos: der Conde, die Condessa, alt, sich gegenseitig stützend und lächelnd. An den Wänden hingen Ölgemälde mit dem hageren Kopf des Conde, Pastelle, und holländische Landschaften.

Gelangweilt las ich im Gästebuch, das immer noch dort lag: 'Love by nature, live by chance, kill by profession.' Ein Name, Captain, US Army. Was sollte ich in dieses Buch schreiben, in dem Firmen-Präsidenten und Mörder ihre Spuren gezeichnet hatten? Einen Moment überlegte ich, nahm den Stift und schrieb: 'Eine Zeit, mit Efeu, wildem Wein und mit dicken Mauern aus dem Leben ausgeschnitten, Marée basse, Marée haute.'

Schließlich setzte ich mich auf eine Couch, neben einen Herrn, der sich mir nicht vorgestellt hatte, dem ich sein Leben aber am Gesicht ablesen konnte:, acht Stunden arbeiten, vier Stunden fernsehen, acht Stunden schlafen.

Ich nahm eines der sparsam verabreichten Zitronen-Plätzchen, sah mich kurz um, - alle diese Gesichter! - und verneinte heftig, das Gesicht heiß von Heuchelei, eine mir völlig gleichgültige Behauptung des Herrn neben mir über die asiatische Grippe. Endlich, als der erste Teedurst und der kleine Appetit nach Näschereien mit Zitronenplätzchen gestillt war, konnte ich mich auch von meinem neuen Gesprächspartner lösen.

Die blonde Dame hatte inzwischen einige Gäste um sich geschart. Sie blühte. Sie hatte eine aufschwellende Brust. - War es dieselbe, die im Innenhof hinten in der Sonne gelegen hatte, dunkel zwischen den Schenkeln? Ich trat näher. Es gab kleine Feuerwechsel Lächeln zwischen ihr und mir. Mehr Blut!, wollten die Wangen.

Ihre Tochter, die neben ihr stand, - es mußte wirklich ihre Tochter sein, denn die Ähnlichkeit war überzeugend, - hatte den Rücken schmal geschnürt über den Hüften: Castello San Angelo, Haar-Wald und Efeu. Doch die Mutter trug heute die Strahlenkrone; sie war, obwohl offenbar Engländerin, ein flämischer Frauentyp, ganz weiche, schmiegende Formen, schwere Waden, schwere Schultern, mit nur schmalen weißen Trägern auf der geröteten Haut.

Wir redeten über das, über was man in den Ferien so redet, über das Wetter, das Meer, den Strand, das Essen, dabei pendelten meine Blicke zwischen der Mutter, die glühte, zur Tochter, die glomm. Die beiden Frauen waren wie zwei elektrische Felder, die mich aufluden, - doch jedesmal, wenn die Tür ging, schreckte ich zusammen und blickte hoch. - Erwartete ich noch jemanden?

Dann gab es noch ein jüngeres, asketisch wirkendes Paar aus Frankreich; er war Naturforscher, ein Herr mit Bart und spitzem Kinn, sie Lehrerin, schlank und ätherisch. Sie sahen aus wie zwei verhinderte russische Revolutionäre. - Er beobachte Vögel, erklärte er mir.

Noch von meiner Thailandreise, wo ich ständig Englisch hatte sprechen müssen, wechselte mein Kopf ständig von Französisch zu Englisch. Ich versuchte, den Naturforscher aus seiner Reserve zu locken,

"What do you think about this invitation?"

"Sie sprechen englisch zu mir!", sagte der Naturforscher, der nichts verstanden hatte.

Die blonde Dame hatte viel grau im blonden Haar. Grüngraue Augen, strahlend im goldenen Licht der Blumenstoff ihres Kleides, gelb und rot und grell. Ihre Tochter hieß Mildred. Mildred hatte schwimmende unerfahrene Augen, und gönnte mir nur scheue, enge Blicke! Die Mutter hatte meine Blicke aber bemerkt und schmollte.

Ich versuchte sie damit zu trösten, daß ich ihr vertraulich ins Ohr flüsterte, wie sehr ich gehofft hatte, nach meiner langen Beschäftigung mit einem verrückten Amerikaner, der in Thailand Mönch geworden war, hier an der See, in diesem kleinen Ort, in den Ferien, gesündere Menschen anzutreffen, wenigstens, was die seelische Gesundheit anginge.

Die blonde Dame blickte mich begeistert an, mit strahlender, unverwüstlicher seelischer Gesund-heit, und rief:

"Die werden Sie hier finden!"

Ich machte so erschrockene Augen, daß die blonde Dame verwirrt war und vielleicht an ihrer eigenen Gesundheit zu zweifeln schien,

"Meinen Sie nicht?", fragte sie unsicher.

"Doch, natürlich ..." sagte ich. Die blonde Dame schwieg einen Moment, wurde rot und lächelte verschämt, sie faßte sich an die Bluse, um sich mehr Luft zu verschaffen, - so verletzliche Haut! - und ein schweres Dekolleté, das sie behutsam öffnete, bedächtig, und nur einen Atemzug tiefer. 'Würdest du denn meinen Händen vertrauen?', dachte ich.

Die Zuhörer bei unserem kleinen Gespräch, auch die Tochter, wanderten zu anderen Unterhaltungen, und wir standen uns unvermittelt allein gegenüber.

"Ich muß Sie immerzu anschauen!", sagte die blonde Dame, und hatte plötzlich diese Röte im Gesicht!, "Hoffentlich hat Sie das nicht irritiert! Kennen wir uns nicht?"

"Nicht daß ich wüßte, ...", sagte ich, auf einmal schüchtern.

"Doch, ich bin sicher: Wir kennen uns!"

"Woher? Helfen Sie mir!"

"Vielleicht aus einem früheren Leben ..."

Ich bin kein Freund von Esoterik - nach meine Thailandreise vielleicht noch weniger - und hatte Mühe, meinen gelinden Schrecken zu verbergen. Als ich mich wieder gefaßt hatte, erwiderte ich galant:

"Wenn ich Sie da hätte treffen können, würde ich gern das Risiko eines früheren Lebens auf mich nehmen!"

"Die Engel würden applaudieren, wenn sie Sie so reden hörten!"

Endlich erfuhr ich ihren Namen, Mrs. Habarth, und daß wir hier im gleichen Flur wohnten, im oberen Stockwerk.

"Nein, so ein Zufall, und wir haben uns noch niemals gesehen? Wie ist denn das möglich?"

"Nun, wir sind erst gestern eingetroffen!" erwiderte ich.

Im großen Kamin brannte das Feuer jetzt hell und die Langeweile loderte mit kalter unsichtbarer Flamme in all diesen Gesichtern, wahrscheinlich auch in meinem. Unauffällig und von fern musterte ich, - dank der anscheinend bei mir sehr früh beginnenden Altersweitsichtigkeit war das möglich! - die Bücher in dem schmalen Regal neben dem Kamin; auch hier reihenweise englische Kriminalromane.

Mrs. Habarth mußte jetzt unbedingt ein unscheinbares älteres Paar begrüßen, und nachdem sie anschließend einem jovial lächelnden Herrn mit schwarzen buschigen Augenbrauen und einem gewaltigen Schnurrbart auf die Wange geküßt hatte, flötete sie, immer noch mit einem Hauch Röte im Gesicht:

"Verehrter Monsieur Pharmacien. Ich bin ja so erstaunt, Sie hier wiederzutreffen, und ja vielen Dank, das Körbchen mit den Erbeeren habe ich bekommen."

Da tauchte Anna auf, das junge, vielleicht gar nicht mehr so junge Mädchen. Anna trug ein weißes Kleid mit rosa Schleifen, einen breiten weißen Gürtel. Ihre schwarzen schweren Locken waren nur lose mit einem weißen Band zusammengebunden; ganz 'höhere Tochter' war sie jetzt.

Anna blieb abwartend zwei Meter entfernt von mir stehen und sah durch mich hindurch. Und da kamen auch schon ihre Großeltern.

"Ist's möglich?" rief der Herr mit dem Schnurrbart, der Apotheker, ihr entgegengehend, "Anna? Meine kleine Anna? Komm her, teures Mädchen, umarme mich. Nein! Küsse mich hier auf die Wange und gib acht auf den Schnurrbart, daß er dir nicht die Augen aussticht!"

Die Großmutter befahl aufmunternd:

"Aber Anna, so gib doch endlich dem Monsieur Pharmacien einen Kuß auf die Wange!"

Anna hob sich auf die Zehenspitzen und gab dem älteren Herrn einen flüchtigen, formellen Kuß auf die Wange, und ich wunderte mich, weil Anna dabei so böse oder unglücklich aussah.

"Aber was hast du?", fragte der Apotheker, "Du machst ein so feierliches Gesicht!" - Ja, was hatte sie nur?

"Was heißt: 'I am tired' - auf französisch?", fragte Anna den Apotheker; der lachte,

"Ich weiß es nicht! Aber du lernst jetzt auch Englisch! Sehr tüchtig! Du bist wirklich ein gutes kleines Mädchen. - Und wer ist das hier?", fragte er und deutete auf mich.

"This is my teacher!", antwortete Anna mit einem frechen Blick. Ich schüttelte verblüfft den Kopf.

"Sehr gut, Anna!" sagte der Apotheker. "So bin ich als Lehrer also abgemeldet! Geh, gib ihm einen Tritt! Wir brauchen hier keine anderen Lehrer! Nun, er ist jünger und hübscher als ich, das gebe ich gern zu." Anna errötete.

Die Großeltern setzten sich auf die Couch, auf meiner Seite und am Ende des Couchtisches, saß das junge Mädchen, Anna. Aus den braunen Augen des Großvaters und aus den hellen überraschend blauen Augen der Großmutter kamen sanfte Korrekturen: weisend, verweisend. Anna hatte die blauen hellen Augen offenbar von ihrer Großmutter.

Ich vergaß sie jedoch bald wieder, weil ich mich mit Mrs. Habarth, der blonden Dame, und ihrer Tochter Mildred beschäftigte. Ich mußte das allerdings sehr unauffällig tun, denn ich wollte nicht, daß es allzu offenkundig wäre, welche der beiden Frauen mich interessierte. Außerdem sah mich Madame W. immer wieder eifersüchtig an. - Aber warum sollte ich darauf Rücksicht nehmen?

Das wohlerzogene Hausmädchen servierte noch einmal 'Kaffee? Tee?' auf einem Silbertablett im englischen Stil, englische Silberkannen, chinesische Porzellantäßchen. Ich griff in den kleinen Messing-Korb auf dem Tablett und zog einen Zettel heraus, der zwischen den Keksen versteckt war. Ich merkte, daß Anna mich dabei beobachtete.

"Was ist denn das?", fragte ich in die Runde hinein, und hielt den Zettel in der Hand.

"Ist das Kaffee oder Tee?", fragte der Apotheker, als das Hausmädchen gerade die Tassen füllte.

"Tee, Tee!", beteuerte das Hausmädchen.

"Tee oder Kaffee?", wiederholte ich gedanken-los, während ich den Zettel las, auf französisch in Blockbuchstaben geschrieben: 'Nehmen Sie sich in acht! Vor einer der Frauen!'

"Nicht möglich!", sagte ich.

"Nicht möglich!", murmelte der Apotheker, "Warum ist er so schwarz? Gibt es denn in Portugal keinen guten Tee?"

Das Hausmädchen verzog keine Miene und ging zu den anderen Gästen.

"Nicht möglich!", murmelte der Apotheker noch einmal. Ich probierte den Tee.

"Nicht möglich!", murmelte ich jetzt. In der Tat, es war die gleiche Mixtur, die man von Oslo bis Johannisburg in den Hotels vorgesetzt bekommt.

"Jedenfalls sind die Portugiesen,", sagte der Apotheker, "was Tee betrifft, keine Autorität!"

Anna sah mich an, während ich den Zettel umständlich zusammenfaltete. Sie hatte Mühe, ihr Lachen zu unterdrücken. Etwas wie ein Verschwörerlächeln blitzte auf. Annas Gesicht wurde hell. Wasserblau und klar waren ihre Augen, was für ein Kontrast zu ihren schwarzen schweren Haaren! Sie hatte die neugierigen hellen Augen eines Kindes, das Opfer suchte, dachte ich. - Opfer wofür? Für ein Spiel?

Ich winkte das Hausmädchen zu mir heran und sagte ihr leise:

"Für das junge Mädchen sollten Sie Kakao servieren!"

Das Hausmädchen blickte fragend.

"Das Getränk aus der Bohne von Theobroma cacao. Landläufig auch Schokolade genannt!", mischte sich der Apotheker ein. Das Haus-mädchen nickte und gab zu verstehen, daß es sein Versäumnis nachholen würde. Kurze Zeit später kam es mit einer Tasse heißer Schokolade zurück, die es vor Anna hinstellte.

"Ich mag keine Schokolade!", sagte Anna pikiert und schob die Tasse weit von sich. Das Hausmädchen blickte indigniert.

"Dann bringen Sie die Tasse mir!", sagte ich. Das Hausmädchen tat das und ich schlürfte behaglich das glühendheiße, dickflüssige, schwere Getränk, das viel besser schmeckte als der fade Tee.

Mrs. Habarth wurde auf einmal puterrot, sprang auf, ging zum Fenster, dann zu den Büchern, nahm ein beliebiges heraus und blätterte nervös darin; sie wagte es anscheinend nicht, sich nach mir umzudrehen, während ich mich mit Anna unterhielt. Ich hörte mich selbst etwas Spöttisches, Lustiges sagen. Anna lachte. Die Kakaotasse war leer, so stand ich auf, schlenderte unauffällig zum Bücherregal, während Mrs. Habarth auf der Flucht, vor mir? - hoffentlich nicht! - jetzt in Richtung der Mitte des Salons ging und einen neu hinzukommenden Gast begrüßen mußte.

Etwas ratlos setzte ich mich auf den einzigen freien Stuhl, der in meiner Nähe war. Mildred, Mrs. Habarth' Tochter, saß mir jetzt gegenüber auf der Couch. Ich redete mit Mildred über Lissabon, über andere Großstädte. Ich fragte, sie erzählte. Sie war aus London. Unter dem hübschen Gesicht hatte sie einen etwas zu kräftigen Hals, bemerkte ich jetzt. Sie wirkte verlegen, oder sogar unfertig und linkisch, und wenn sie sprach, kam es mir vor, als probiere sie ihre Züge nur aus. Wo war die schöne junge Frau, die ich in ihr gesehen hatte?

Die Mutter kam vorbei; sah ihre Tochter im Gespräch mit mir; zögerte einen Lidschlag lang; setzte sich dann aber nicht, sondern überließ ihrer Tochter das Feld.

Anna unterbrach uns. Insistierte. Fragte. Spielte. Clownerie. Sie hatte wirklich theatralisches Talent. Die Wurzeln der Koketterie. Sie wird die Kindheit bald verlassen, dachte ich. Bald. Sehr bald. - Doch warum war ich so durcheinander? Eine merkwürdige, unerklärliche Unruhe hatte mich befallen, als ob ich etwas suchen müßte.

Schließlich stand ich auf, ich hielt es nicht mehr aus,

"Mademoiselle, bitte," sagte ich so höflich ich konnte zu Mildred, "das ist ja eine Konfusion hier, aber das ist nicht der Grund, nein, nichts Arges, aber ich muß gleich fort, überraschend. Sie verstehen schon ... "

Mildred verstand nichts, doch sie nickte,

"Sie wollen gehen?" fragte sie.

"Bringen Sie es Madame W. irgendwie bei. Sie werden es schon richtig machen!"

Auf einmal hatte ich es eilig. Mildred erhob sich kurz nach mir. Überraschend entdeckte ich wieder Feinheiten in ihrem Gesicht. Sie drehte sich um und ging zu ihrer Mutter. 'Eine Prinzessin geht!' dachte ich. Der Rücken schmal, gekreuzte Schnüre über Mädchenhaut. Ein Gang! Der Stolz in den Hüften, als sie ging. Ein leichter Gang. Wie sollte die kleine magere Anna dagegen ankommen?

Ich suchte Anna mit den Augen; ein Blick traf mich, so ernst und tief, daß es mich warm durchschauerte. Einen Moment später sah mich ein argloser Engel im weißen Kleidchen mit geweiteten Augen fragend an, so, als ob sie noch etwas an mir deuten und verstehen wollte.

Das Spiel hatte begonnen.

Diese kleine Hexe!

Schenk ein dein Gift, daß es uns Kräfte spende ...

Aus dem Salon würde ich doch wohl noch kommen, trotz dieser hektischen Röte im Gesicht - oder?

Im Hof wartete ich auf Edmund.

Das Geheimnis der Anhalterin

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