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b) Branchentypische AGB
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Noch weitergehend ist ein Hinweis auf die AGB überhaupt entbehrlich, wenn der Verwender einer bestimmten Branche angehört, in der typischerweise nur unter Verwendung bestimmter AGB kontrahiert wird[7]. Der BGH hat dies namentlich zu einer Zeit angenommen, da man noch davon ausging, AGB komme normativer Charakter zu, und der Kunde unterwerfe sich durch den Vertragsschluss der durch sie gesetzten Ordnung[8]. Da der Gesetzgeber 1977 klargestellt hat, dass AGB „Vertragsbedingungen“ sind, die nur mit dem Einverständnis des Klauselgegners einbezogen werden, hat er der Idee eines normativen Charakters von AGB eine Absage erteilt. Die Anforderungen an die Einbeziehung branchenüblicher AGB haben sich dadurch jedoch nicht verschärft. Vielmehr ist heute – statt nach einem „Unterwerfungswillen“ – nach einem (konkludenten) Einverständnis des Klauselgegners mit branchenüblichen AGB zu fragen. In der Zeit nach 1977 wurde die Einbeziehung von AGB allein kraft ihrer Branchenüblichkeit bejaht für die Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen (ADSp.; vgl. nachstehendes Beispiel 30)[9] und für die AGB-Banken/Sparkassen[10]. In diesen Fällen ist die Willenserklärung des Verwenders grundsätzlich dahin zu begreifen, dass er zu den branchenüblichen AGB abschließen will. Wenn der Kunde die Einbeziehung nicht wünscht, muss er ihr ausdrücklich widersprechen[11]; unterlässt er dies, so ist der Vertrag unter Einschluss der AGB zustande gekommen. Dies alles gilt freilich nur, wenn der Kunde branchenkundig und das Geschäft branchentypisch ist. Verneint wurde die Einbeziehung kraft Branchenüblichkeit für die Einheitsbedingungen der Deutsche Textilveredelungsindustrie[12].
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Erst recht reicht Branchenüblichkeit nicht aus, wenn der Verwender gegenüber einer bestimmten Kundengruppe andere AGB verwendet als gegenüber einer anderen Kundengruppe. Dann mögen zwar beide Klauselwerke branchenüblich sein – es hat aber keine, und sei es auch nur konkludente, Verständigung zwischen den Parteien über die Geltung eines bestimmten Klauselwerks stattgefunden. Daher werden nach der beifallswerten Ansicht des BGH AGB von Energieversorgungsunternehmen nicht kraft Branchenüblichkeit Vertragsbestandteil, wenn jene Unternehmen in der Grundversorgung andere AGB verwenden als gegenüber Sonderkunden[13]. Freilich wird im Schrifttum auf die Besonderheiten der Energieversorgung hingewiesen: Der Kunde könne die Energiequelle ohne Zutun des Versorgers nutzen. Oftmals komme daher der Versorgungsvertrag konkludent zustande. Der Versorger wisse zu diesem Zeitpunkt nicht einmal, mit welchem Nutzer er es zu tun habe. Deshalb müssten öffentlich bekanntgemachte AGB der Versorger ohne Weiteres Bestandteil des Versorgungsvertrags werden[14] Indes: Gerade weil die Person des Nutzers für den Versorger zunächst nicht erkennbar ist und der Nutzer umgekehrt kaum einzuschätzen kann, ob er Grundversorgungs- oder Sonderkunde ist, fehlt im Zeitpunkt des Vertragsschlusses beiden Parteien jeglicher Anhaltspunkt für die Beantwortung der Frage, welche AGB einbezogen sein sollen.
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Beispiel 30
Versandhändler V beauftragt den Spediteur S, Waren an seine Kunden auszuliefern.
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Wer (wie im Beispiel 30 V) Waren im Versandhandel betreibt, ist häufig auf die Leistung von Spediteuren angewiesen und daher mit den Verhältnissen der Güterverkehrsbranche vertraut. Beauftragt der Versandhändler unter diesen Umständen einen Spediteur mit dem Transport von Waren, so muss er davon ausgehen, dass dieser generell nur zu den verkehrsüblichen Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen (ADSp) kontrahiert. Ohne besondere Vereinbarung wird daher auch der Vertrag zwischen V und S im Beispiel 30 unter Einbeziehung der ADSp geschlossen[15]. Das gilt nach vorzugswürdiger Ansicht unabhängig davon, ob das Vertragsangebot vom Verwender ausging oder vom Kunden[16]: Das Angebot des Verwenders kann nur dahin verstanden werden, dass er zu den üblichen AGB kontrahieren will; und das Angebot des mit der Branche vertrauten Kunden, in dem den AGB nicht widersprochen wird, kann ebenfalls nur dahin verstanden werden, dass die Leistung des Verwenders zu den üblichen Bedingungen in Anspruch genommen werden soll. Erst recht sind die ADSp einbezogen, wenn der Spediteur in seiner Korrespondenz darauf hinweist, dass er sich als Angehöriger dieses Gewerbezweigs versteht und nur zu den ADSp kontrahieren will, und der Auftraggeber deren Einbeziehung nicht widerspricht[17].
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Dagegen reicht allein die Branchenüblichkeit von AGB nicht für deren Einbeziehung aus, wenn der Kunde nicht branchenkundig[18] oder das Geschäft nicht branchentypisch ist.[19]
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Beispiel 31
Bauunternehmer B will einen von ihm errichteten Turmdrehkran demontieren und beauftragt zu diesem Zweck den Spediteur S, der auf Schwertransporte spezialisiert ist. S schickt einen Autokran, mit dessen Hilfe die Demontage durchgeführt werden soll. Dieser Kran kippt um, fällt auf den Turmdrehkran und beschädigt ihn. Gegenüber der Schadensersatzforderung des B beruft sich S auf eine Haftungsfreizeichnung in den ADSp. Der BGH hat die Geltung der ADSp verneint, weil der Vertrag keine typische Speditionstätigkeit zum Gegenstand gehabt habe: S sei nicht mit dem Transport von Sachen beauftragt worden, sondern habe lediglich ein bestimmtes Gerät aus seinen Beständen zur Verfügung stellen sollen[20].
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Ebenso wenig sind branchentypische AGB wie im Beispiel 31 einbezogen, wenn der Verwender ausdrücklich auf andere AGB hinweist[21] oder der Kunde in seinem Vertragsangebot ein umfassendes Vertragswerk vorliegt, das von den AGB abweicht: Nimmt der Verwender es widerspruchslos ohne Hinweis auf seine branchenüblichen AGB an, so gelten die im Kundenangebot niedergelegten Bedingungen[22]; nimmt er es unter Hinweis auf seine AGB an, so liegt hierin gemäß § 150 II BGB eine Ablehnung des Kundenangebots in Verbindung mit einem neuen Vertragsangebot.