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DER BANDWURM
ОглавлениеAUTOR: Irvine Welsh
TITEL: Drecksau
(aus dem Englischen von Clara Drechsler und Harald Hellmann)
ORIGINALFASSUNG: 1998
00000000000000000000000000 nein nein nein 000000 oh nein du Drecksack 00000000000000000 0000000000000000000000000000000000000000000000 0000000000000 000000000000000000000000000
Auf die Frage, was seiner Meinung nach das Coolste an der von ihm in der Verfilmung aus dem Jahr 2013 verkörperten Figur des schottischen Polizisten DS Bruce Robertson sei, antwortete Schauspieler James McAvoy: »Dass er gleichzeitig masturbieren und weinen kann.« In der Tat ist der greifbare Widerling hier Bruce Robertson selbst, der Kollegen und »Klienten« misshandelt, verarscht, beschimpft und gelegentlich ermordet, noch dazu aus unverzeihlichen Motiven wie Rassenhass heraus. Aber Bruce ist, wie von McAvoy andeutet, neben einer Dreckauch einfach eine arme Sau. Daran schuld sind: die miserable Kindheit mit einem Vater, der ihn zwang, Kohle zu fressen, die Trennung von der Ex – und der Bandwurm, der das alles wieder aufwurmt, äh, aufwärmt.
So ein Bandwurm ist ohnedies eine der ekelhaftesten Krankheiten, die man sich vorstellen kann: ein Parasit von länglicher Ausdehnung, der sich mithilfe von Saugnäpfen oder Hakenkränzen an der Darmwand seines Wirts festklammert und Nährstoffe, kaum hat dieser sie zu sich genommen, gleich einmal selbst vertilgt.
Bruces Exemplar präsentiert sich als ganz besondere Nervensäge. Zunächst ist er unersättlich, fordert Bruce permanent von innen heraus zur Nahrungsaufnahme auf: »0000iß000iß0000iß«. Obendrein entwickelt er im Zuge des Buches aber auch noch ein Selbstbewusstsein und kommuniziert mit irgendwelchen anderen Würmern ebenso wie mit dem Wirt, nach dem Motto »Darm ohne jeglichen Charme«: »Du bist ein schrecklicher Mensch!«, wirft er Bruce an den Kopf (oder besser: an die Darminnenwand) und psychoanalysiert sich zusammen, was den Wirt so wurmt: »Du bist zurückgewiesen worden und bist stolz.«
Dieser Bandwurm ist ein typografisches und narratives Kunstwerk: Er enthüllt und verbirgt zugleich. Autor Irvine Welsh stellt ihn nämlich durch fett und kursiv gedruckte Einschübe in bandförmigen Sprechblasen dar, die die eigenen inneren Monologe des Polizisten parasitär überlagern, sodass nur noch die Absatzränder zu lesen sind. Was steht unter dem Wurmfortsatz? Wenn wir es wüssten, kämen wir dann schon früher dahinter, dass dieser fluchende Ich-Erzähler sich nicht nur manchmal schizophren als die eigene Exfrau verkleidet, sondern auch den Kriminalfall, in dem er ermittelt, selbst verursacht hat?
Mit der großen (Selbst-)Erkenntnis am Ende hat der Bandwurm – pardon! – ausgeschissen. In exkrementeller Konsequenz fallen ihm die letzten Worte dieser nihilistischen schottischen Saga zu: »00000000000000000000000000000 00000000000000000000000000000000 00000000000000000000000000000000 00000000000000000000000000000000 00000000000000000000000000.«
GATTUNG: Cestoda
LEBENSRAUM: DS Bruce Robertson
ERNÄHRUNG: DS Bruce Robertson
NATÜRLICHER FEIND: DS Bruce Robertson
BEUTESCHEMA: DS Bruce Robertson
KNUDDELFAKTOR: 000000000000000000
BESTER-FREUND-DES-MENSCHEN-FAKTOR: 0000000000000000000000000000000