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Mit einem zufriedenen Lächeln legte Sonja auf. Dass Roman sie womöglich nicht mitnehmen würde, darauf verschwendete sie keinen Gedanken. Es war jetzt halb elf. Um 16:00 Uhr hatte sie Feierabend. Vielleicht würde der Chef ihr auch schon ein bisschen eher frei geben, wenn sie ihn ganz nett darum bat. Etwas mehr Zeit, um sich auf ein luxuriöses Dinner mit Roman vorzubereiten, konnte keinesfalls schaden. Ein Mann wie Roman hatte schließlich ein Anrecht darauf, dass man sich für ihn besonders in Schale warf – selbst, wenn man nur der Ersatz für die verhinderte Gattin war. Vielleicht auch gerade deswegen.

Und da Roman ja leider vergeben war: Vielleicht war einer der anwesenden spanischen Herren eine lohnenswerte Alternative und bereit, ihrem Singledasein ein bezauberndes Ende zu bereiten.

Sonja hatte den Eindruck, dass Julia gar nicht wusste, was für ein Prachtexemplar von Mann sie da als Ehemann hatte. Das ganze Gezeter über zu viel Arbeit und zu wenig Zeit für einander war ihrer Meinung nach Gejammer auf hohem Niveau.

Roman sah toll aus, war intelligent, hatte Style und einen überaus einträglichen Beruf. Selbst wenn Julia ihre Lehrtätigkeit an den Nagel hängen würde, konnte sie ein äußerst angenehmes Leben führen. Ganz im Gegensatz zu ihr, die für einen miesen Vorzimmerjob ebenso mies bezahlt wurde und nach Feierabend in ein leeres, kleines Appartement zurückkehrte.

Sonja seufzte. So einer wie Roman wäre genau der Richtige für sie. Er könnte ihr den Lifestyle bieten, von dem sie träumte, seit sie ein Teenager war: Shoppen in Mailand oder Paris; Urlaub an weißen Stränden; Speisen in den exklusivsten Restaurants und ein rassiger Sportwagen. Im Gegenzug würde sie liebend gerne jeden Abend mit und für ihn repräsentieren, Klienten umschmeicheln und das langweilige Damenprogramm über sich ergehen lassen. Aber leider waren Roman und andere beste Männer immer schon vergeben. Und was übrig blieb, taugte höchstens für ein oder zwei gute Nächte. Dann hatten sie entweder das Konto überzogen oder gestanden reumütig, verheiratet zu sein.

Doch von derart trüben Gedanken wollte Sonja sich die Vorfreude nicht vermiesen lassen. Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt – sie war nur allzu gerne bereit, sich endlich vom Gegenteil überzeugen zu lassen.

Aber jetzt war erst einmal die Arbeit dran. Sonja nahm den Ordner mit der Aufschrift Umbau – Planung – Kosten aus dem hinteren Schrank und pustete flüchtig über den Rand. Seit Monaten hatte sich da nichts getan. Angeblich fehlten irgendwelche Genehmigungen. Ob es jetzt endlich durchgegangen war? Dann würde sie nämlich bald aus diesem winzigen Büro herauskommen. Das Neue war den Plänen nach mindestens dreimal so groß und hatte eine großzügige Fensterfront mit Blick auf den Stadtpark. In ihrer Vorstellung war es schon perfekt eingerichtet und bot ein exquisites Ambiente.

»So, Chef, hier sind die Unterlagen.« Mit einem breiten Lächeln legte sie den Ordner auf seinen Tisch.

»Danke!« Er sah nicht einmal auf. Sonja räusperte sich verhalten. »Und bitte, kann ich heute eine Stunde früher gehen?«

Ungehalten hob er den Blick. »Wenn es sein muss …«

»Es muss, Chef!« Sie klimperte kokett mit den Wimpern und lächelte dezent. »Würde ich sonst fragen?«

»Von mir aus.« Er nickte widerwillig.

Sonja hatte bereits ein »Danke schön« geflötet und wollte sich wieder zu ihrem Arbeitsplatz begeben, da rief er sie noch einmal zurück. »Ach ja, Frau Stollmann, Ihnen kann ich das schon mal sagen. Sie sind ja verschwiegen: Der Umbau ist fürs Erste auf Eis gelegt.« Er deutete auf den Ordner. »Zu viele Auflagen und zu hohe Kosten. Allein die Summe, die Ihre Fensterfront verschlingen würde …« Es war sicherlich scherzhaft gemeint, dennoch fühlte Sonja sich angegriffen. »Meine Fensterfront?«, dachte sie, »jetzt ist es also meine Schuld, dass die Firma sich einen Umbau nicht leisten kann? Ich bin zwar nur eine kleine Büromaus und überblicke das große Ganze vielleicht nicht so wie der Herr Abteilungsleiter, aber das ist nun wirklich sehr weit hergeholt.«

Trotzdem war sie klug genug, ihre Ansicht für sich zu behalten. Stattdessen antwortete sie: »Das tut mir leid, Chef. Soll ich noch andere Angebote einholen? Oder vielleicht mal nach Lampen gucken? Dann könnten wir die Fensterfront ganz einsparen.«

Er lachte brüllend und klopfte sich auf die Schenkel: »Frau Stollmann, der war gut! Ich habe ja schon immer gewusst, dass Sie Humor haben.« Er wischte sich über die Augen, gluckste noch zweimal verhalten und meinte dann: »Aber jetzt ernsthaft. Vorerst machen wir gar nichts.« Er zögerte kurz, bedachte sie mit einem prüfenden Blick: »Wenn ich Ihnen einen guten Rat geben darf: Sehen Sie sich schon mal nach etwas anderem um. Der Firma geht es wirklich nicht gut. Es könnte sein, dass ich mich in absehbarer Zeit tatsächlich von Ihnen trennen muss.«

Sonja war einen Augenblick lang sprachlos. »Verstehe ich Sie richtig? Sie drohen mir mit einer Kündigung?«

»Ich drohe nicht! Ich erwähne eine betriebsbedingte Kündigung als eine sehr wahrscheinliche Möglichkeit!« Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Sie leisten wirklich gute Arbeit, Frau Stollmann. Aber ich befürchte, das wird hier bald niemanden mehr interessieren.«

Sonja schluckte. »Unter diesen Umständen würde ich gerne jetzt Feierabend machen, Chef«, sagte sie.

»Das geht aber nicht!«

»Doch, ich denke schon.« Sie wandte sich entschlossen ab. »Montag bin ich wieder da, versprochen! Aber das verlängerte Wochenende habe ich mir nach Ihrer Hiobsbotschaft mehr als verdient.«

»Denken Sie daran, das ist noch nicht offiziell!«, rief er ihr hinterher.

»Selbstverständlich!«

***

Während der PC herunterfuhr, schloss Sonja alle Schränke ab und nahm ihre Handtasche aus der Schublade. Sie schaltete den Anrufbeantworter ein, machte das Licht aus und verließ ihr Büro.

»Wie? Schon Feierabend?«, wunderte sich einer der Kollegen von der Produktion.

»Für dich ist auch bald Feierabend«, gab Sonja mit einem hintergründigen Lächeln zurück. Frühestens in ein paar Wochen, spätestens in ein paar Monaten würde ihm die Mehrdeutigkeit ihrer Antwort vielleicht auffallen. Der Kollege sah zur Wanduhr und nickte: »Haste auch wieder Recht.«

»Ich weiß!« Sie hob winkend die Hand und verschwand im Aufzug. Ihre Gedanken kreisten um die Mitteilung ihres Vorgesetzten.

Es würde nicht leicht werden. Gute Jobs waren mindestens so rar wie gute Ehemänner.

Auch Schmetterlinge können sterben

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