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Der Weihnachtsengel

Es war wieder Advent. Felix war nun schon zwei Jahre im Waisenhaus. Längst hatte er die Hoffnung begraben, adoptiert zu werden. Im vorigen Jahr hatte er noch an den Weihnachtsmann geglaubt und mit ungeübter Hand einen Wunschzettel geschrieben, worin er das Christkind um eine neue Mama gebeten hatte. Doch nichts war geschehen, und so hatte er den Gauben an das Christkind und an den Weihnachtsmann verloren.

In diesem Jahr fühlte er sich erwachsen und alt genug, es den großen Jungs im Waisenhaus nachzumachen, die bei jeder Gelegenheit ihre coolen Sprüche klopften. Er hatte sich auch einen ausgedacht. Wenn ihn jemand fragte: „Na, freust du dich auf Weihnachten?“, antwortete er gleichgültig: „Das geht mir alles am Po vorbei.“

Die großen Jungs sagten natürlich für Po ein anderes Wort, doch das wollte er nicht sagen, er hatte seiner Mama versprochen immer ein ordentlicher Junge zu bleiben – und dieses Versprechen wollte er halten.

Wenn Felix an seine Mama dachte, kamen ihm die Tränen. Er vermisste sie so sehr! Ohne seine Mama fühlte er sich einsam und verlassen. Bevor sie starb, hatte sie versprochen, ihm zu helfen und als Engel auf ihn aufzupassen. Bis jetzt war nichts passiert, er war noch immer in diesem blöden Waisenhaus. Wenn wenigstens Papa da wäre, aber der war zur See gefahren und nie mehr nach Haus gekommen. Im Geheimen dachte Felix oft daran, wie es wäre, wenn er eine neue Mama finden würde. Das war sein sehnlichster Wunsch.

Felix lag träumend im Bett, da fiel plötzlich, direkt vor seinem Fenster, eine Sternschnuppe vom Himmel. Noch ehe er einen Wunsch aussprechen konnte, war sie verglüht. Felix sprang auf und rannte zum Fenster, doch von der Sternschnuppe war nichts mehr zu sehen. Dafür funkelte vor seinem Fenster ein Licht. Verdutzt rieb er sich die Augen: Auf der Fensterbank saß ein kleiner, fast durchsichtiger Engel. Das Engelchen trug ein glitzerndes Kleidchen und hielt in seiner Hand einen winzigen goldenen Stab, an dessen Spitze ein heller Stern leuchtete.

Felix schaute sich um, von den Jungs war keiner im Schlafsaal, er war mit dem Engel allein. Der Engel klopfte mit seinem goldenen Stab sachte an die Scheibe. Das Fenster öffnete sich und das Engelchen kam herein. Er legte sein kleines Händchen in Felix‘ Hand und deutete zum Himmel. Felix lächelte. Das musste der Engel wohl als Zustimmung verstanden haben, denn er erhob sich mit ihm in die Höhe. Felix wollte seine Hand fortziehen, doch es ging nicht! Das Engelchen hielt sie fest und flog mit ihm zum Fenster hinaus. Felix hing an der kleinen Hand und wurde wie eine Puppe in die Lüfte gezogen.

Sie schwebten in die Nacht hinaus und überquerten Wiesen und Felder. Sie überflogen einen Wald und wie auf ein geheimnisvolles Zeichen, schneite es plötzlich. Bis vor ein paar Minuten hatte er weit und breit keine Schneeflocke gesehen, jetzt aber fielen dicke, weiße Flocken vom Himmel. Dazu erklang bei jeder Schneeflocke, die zur Erde fiel ein leiser Glöckchenton, sodass es überall leise bimmelte. Einige Vögel flogen vorbei und zwitscherten: „Felix du Glücklicher, wir grüßen dich!“

Es war sonderbar: Felix flog im Schlafanzug mit einem kleinen Engel an der Hand über einen verschneiten Wald und ihm war mollig warm. Entweder war das ein schöner Traum – oder er war im Himmel. Nach einiger Zeit verschwand der Wald, sie näherten sich dem Meer. Der Wind wehte den Geruch von Salzwasser herüber und säuselte: „Felix du Glücklicher, ich grüße dich!“

Und dann sah Felix Wasser – viel Wasser, wo er auch hinschaute, überall war Wasser. Im Wasser leuchtete ein Licht. Kurz darauf sah er ein Haus, das mitten im Wasser stand. Tatsächlich! Im Meer stand ein Haus. Das musste eine Hallig sei! Felix hatte schon davon gehört. Seine Mutter hatte einmal davon gesprochen, dass es winzige Inseln im Meer gibt, und wenn Land unter war, nur noch das Haus aus dem Wasser ragt.

Der Engel steuerte mit ihm genau auf das Haus zu. Sie flogen um das Haus herum und schauten durch sämtliche Fensterscheiben. Einmal blickten sie in eine Küche, dann in ein Schlafzimmer, anschließend in ein Wohnzimmer. Dort saß ein Mann und las Zeitung. Zuletzt schauten sie in ein Kinderzimmer. Es war gefüllt mit Spielsachen: eine Eisenbahn, eine Autorennbahn, eine Tankstelle und noch vieles mehr. Es waren alles schöne Sachen, die ein Jungenherz höher schlagen ließen. Das Zimmer war blitzblank aufgeräumt, so, als würden die vielen schönen Sachen gar nicht benutzt.

Felix stand vor dem Fenster und drückte sich an der Scheibe die Nase platt. Eine Frau stand trübsinnig im Zimmer. Das Engelchen tippte mit dem Stab gegen die Scheibe. Die Frau drehte sich um und schaute Felix einen Augenblick lang ins Gesicht. Ein seltsamer Stich drang in Felix‘ Herz. Er wäre noch gerne länger geblieben, doch der Engel flog mit ihm fort. Und nur einen Moment später befand er sich wieder im Waisenhaus.

Am nächsten Morgen glaubte Felix, er hätte alles nur geträumt. Doch es war kein Traum. Am Abend passierte das Gleiche. Am nächsten Tag auch und am darauf folgenden Tag wieder. Den ganzen Advent über ging das so. Jeden Abend kam der Engel, zog ihn mit fort und brachte ihn zu dem Haus im Meer. Inzwischen war es für Felix selbstverständlich, dass der kleine Engel ihn abholte. Wenn die Jungs im Waschraum waren, zog er sich an, stellte sich ans Fenster und wartete auf den Engel. Mittlerweile war ihm das Haus im Meer, mit seinen Bewohnern richtig vertraut geworden. Doch in all dieser Zeit hatte er nie einen Jungen gesehen, der zu diesem Kinderzimmer gehörte. Wo war er nur?

Der Heilige Abend brachte eine Veränderung. An diesem Abend war die Frau nicht allein im Zimmer, ihr Mann war bei ihr. Sie lehnte ihren Kopf an seine Schulter und weinte. Felix wäre am liebsten zu ihr gelaufen, doch es ging nicht, er stand draußen und das Fenster war verschlossen. Der kleine Engel hob seinen Stab, öffnete mit einem leisen Glöckchenklang das Fenster und warf einen zerknüllten Zettel in das Zimmer. Der Mann und die Frau schauten verwundert zum Fenster und sahen Felix direkt in die Augen. Felix erschrak, nun verließ ihn der Mut, er wollte weglaufen, doch es ging nicht, seine Füße klebten am Boden und waren schwer wie Blei. Die Frau hob den Zettel auf und las die ungeübten Zeilen:

Felix Bohnert

Waisenhaus Königsallee 10

wünscht sich eine neue Mama!

Sie reichte ihrem Mann den Zettel, ging zur Haustür und öffnete sie weit. Felix trat in die Stube, die er schon so lange kannte. Die Frau breitete ihre Arme aus und nahm ihn in die Arme. Und da wusste er, das war seine neue Mama! In diesem Augenblick verschwand der kleine Engel, hundert Sternschnuppen fielen vom Himmel und überall klingelte es: „Felix du Glücklicher!“

Gisela Luise Till, im Jahr 1944 geboren, ist Mutter zweier Töchter. Sie schrieb, inspiriert durch ihre Enkelin, das Fantasybuch „Die Zauberperle“, das in Papierfresserchens MTM-Verlag erschienen ist.

Wünsch dich ins Wunder-Weihnachtsland Band 3

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