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Das Schneewunder

Malia hat noch nie weiße Weihnachten erlebt. Und dabei ist sie schon sieben. Zum einen liegt das wohl daran, dass es bekanntlich gerade am Weihnachtstag meistens nicht schneit. Zum anderen liegt das wohl auch und vor allem daran, dass Malia in Kenia lebt. Kenia ist ein großes Land in Afrika, und dort gibt es einfach so gut wie niemals Schnee. Doch dieses Jahr ist Malia überzeugt, dass es zu Weihnachten schneien wird.

Von ihrer Partnerschule in England hat Malias Schulklasse nämlich schon zu Beginn der Adventszeit ein großes Paket mit Geschenken bekommen. Ein Buch mit Weihnachtsgeschichten hat es Malia besonders angetan. Im Buch sind wunderschöne Bilder vom Weihnachtsmann, von Weihnachtsbäumen, von Engeln und allen möglichen anderen weihnachtlichen Dingen.

Vor allem aber ist auf fast jedem Bild Schnee zu sehen. Unmengen von Schnee. Da sieht man Kinder durch den Schnee laufen, Kinder, die rodeln und Kinder, die Schneemänner bauen.

„Wie sich Schnee wohl anfühlt?“, denkt Malia. Auf den Bildern sieht der Schnee aus wie Watte. Malia würde sich gerne in den Schnee hineinkuscheln.

„Ich wünsch mir zu Weihnachten Schnee“, verkündet Malia ihrem Großvater, der in der Vorweihnachtszeit mit ihr einkaufen geht. Unterwegs erklingen Weihnachtslieder aus Lautsprechern, Palmen sind bereits weihnachtlich geschmückt und in dem einen oder anderen Geschäft kann Malia einen riesigen Plastikweihnachtsmann bewundern.

„Bei uns ist es doch viel zu warm für Schnee“, meint der Großvater lachend.

„Wenn ich ihn mir ganz fest wünsche, wird er schon kommen“, erwidert Malia und scheint sich ihrer Sache sicher zu sein. „Dieses Jahr wird es zu Weihnachten schneien“, erzählt sie jedem, der es hören will und auch jedem, der es vielleicht nicht mehr hören will, weil er es mittlerweile schon gut zehnmal von Malia gehört hat.

Endlich rückt der ersehnte Tag näher. Am 24. Dezember gibt es bei Malias Familie ein großes Festessen. Danach ist es die Aufgabe von Malia und ihren drei Brüdern, das Haus für den nächsten Tag – den eigentlichen Weihnachtstag in Kenia – zu putzen und zu dekorieren und das Festmahl zuzubereiten. Das ist ganz schön anstrengend für die Kinder, doch so ist es in Kenia nun einmal Brauch, und die Kinder machen es gerne.

Alle sind aufgeregt. Malia redet ununterbrochen vom Schnee. „Ich wünsche mir Schnee zu Weihnachten. Morgen müsste er dann da sein. Er sieht aus wie Zucker und schmeckt süß.“

Am nächsten Tag sind alle früh auf den Beinen. Es ist warm und sonnig und von Schnee ist keine Spur zu sehen. Malia schaut besorgt zum Himmel. „Na, wo bleibt dein Schnee?“, neckt der große Bruder sie die ganze Zeit.

„Der kommt schon noch“, erwidert sie, wirkt aber nicht mehr ganz so sicher.

Wie jedes Jahr schlachtet Malias Vater am Weihnachtsmorgen eine Ziege und verteilt das Fleisch an Familienangehörige und Verwandte. Nach dem Weihnachtsessen toben die Kinder im Freien herum. Es ist sehr warm und die Kinder sind bald vollkommen verschwitzt. Malia ist ungewöhnlich ruhig. „Wo bloß mein Schnee bleibt?“, denkt sie bei sich.

Dann bricht die Familie auf. Sie gehen von Haus zu Haus, wünschen frohe Weihnachten und verteilen kleine Geschenke. Malia wird langsam nervös. Gegen Abend sind immer mehr Leute unterwegs, um einander frohe Weihnachten zu wünschen. Es wird gelacht, gesungen und getanzt.

Malia zupft ihren Vater am Ärmel. „Papa, sollen wir nicht langsam nach Hause gehen? Was ist, wenn der Schnee kommt, und ich bin nicht zu Hause?“ fragt sie.

Der Vater ist ungehalten. „Ach, gib doch endlich Ruhe mit deinem Schnee! Es gibt hier keinen Schnee und ich will nichts mehr davon hören!“

Von da an schweigt das Mädchen. Alle feiern ausgelassen, doch Malia ist traurig.

Spät am Abend geht die Familie heim. Die Kinder sind müde und die Mutter trägt Malias kleinen, schlafenden Bruder Timo am Rücken. Als sie um die Ecke biegen und von Weitem ihr Haus sehen, bleiben alle fassungslos stehen. Zuerst bringt keiner ein Wort heraus. Doch dann ertönt ein Schrei.

„Der Schnee ist da!“, ruft Malia, so laut sie kann und läuft auf ihr Haus zu. Tatsächlich! Über dem Haus und dem Hof von Malias Familie schneit es! Dicke weiße Flocken fallen vom Himmel und am Dach liegt bereits eine dichte Schneedecke. Im Hof ist der Schnee schon knöcheltief.

Alle anderen Häuser sehen aus wie immer, nur über dem Haus von Malia schneit es. Malia springt bereits im Schnee herum, lacht und jauchzt. „Schaut euch den Schnee an!“, ruft sie ihrer Familie überglücklich zu. „Wie schön kühl er ist!“ Malia wälzt sich im Schnee. Dann kostet sie ihn vorsichtig. „Naja, sehr süß ist er nicht“, muss sie gestehen und verzieht ein wenig das Gesicht.

Dann kommt endlich die ganze Familie in den Hof. Die Eltern und der Großvater berühren zögerlich mit den Händen den Schnee und machen ein paar vorsichtige Schritte darin. Die beiden älteren Brüder stürzen sich auf den Schnee, laufen darin herum und werfen begeistert den Schnee in die Luft. Nur der kleine Bruder schläft ungerührt auf Mamas Rücken weiter.

Am nächsten Tag herrscht Hochbetrieb im Hof. Es hat zu schneien aufgehört und Kinder und Erwachsene kommen vorbei, um das erste Mal in ihrem Leben Schnee zu sehen. Alle wollen ihn anfassen und viele kosten ihn auch heimlich, sind aber vom Geschmack dann meistens enttäuscht.

„Wieso habt ihr Schnee, obwohl es so warm ist?“, fragen die Besucher, die in kurzen Hosen, T-Shirts und Sandalen im Schnee herumstapfen. „Und wieso liegt nur in eurem Hof Schnee?“

„Das habt ihr nur meiner Schwester zu verdanken, die hat ihn sich gewünscht“, erklärt dann Malias ältester Bruder jedes Mal stolz – genau der Bruder, der Malia erst gestern wegen des Schnees gehänselt hat.

Malia ist in ihrem Element. Mit dem Weihnachtsbuch der englischen Partnerschule geht sie im Hof herum und zeigt allen die Bilder. So lernen ihre Freunde und Freundinnen, wie man einen Schneemann baut und eine Schneeballschlacht macht. Gemeinsam mit den Erwachsenen schaffen es die Kinder sogar, den Schnee zu einem kleinen Rodelhügel zusammenzuschieben. Auf alten Plastiksäcken wird dann mit viel Lachen und Jauchzen wieder und wieder hinuntergerodelt.

Das Schneewunder hält drei Tage lang. Die ganze Zeit über strahlt die Sonne vom Himmel und es ist sogar für Kenia ziemlich heiß für diese Jahreszeit. Wenn man sich ein bisschen schneller bewegt, kommt man schon ins Schwitzen.

Trotzdem liegen auf dem Haus und im Hof immer noch die Schneemassen. Das ganze Dorf ist in Aufruhr. Jeder verbringt so viel Zeit wie möglich bei Malia, um sich im Schnee abzukühlen. Die Kinder stellen alle Szenen nach, die auf den Bildern in dem englischen Buch zu sehen sind. Am dritten Tag bauen alle gemeinsam ein großes Iglu. Im Hof herrscht von früh bis spät ein so reges Treiben wie auf einem Volksfest.

Am vierten Tag jedoch beginnt der Schnee in der Früh zu tauen. Die Kinder wollen den Schnee festhalten, doch er ist bereits ein matschiger Brei. Am Nachmittag ist der ganze Schnee weggeschmolzen und nur ein paar große Wasserpfützen im Hof erinnern daran, dass er da war.

„Jetzt ist dein ganzer schöner Schnee weg“, meint der Großvater und streicht Malia mitleidig übers Haar.

„Macht nichts“, meint diese. „Es war doch schön, dass der Schnee drei Tage da war. Für mich war es das schönste Weihnachten meines Lebens.“

„Dieses Weihnachten war wirklich ganz besonders schön“, stimmt der Großvater zu. „Im Dorf werden sich immer alle daran erinnern. Das war das Weihnachten, werden sie sagen, an dem uns die kleine Malia den Schnee geschenkt hat.“

Andrea Kotorman wurde 1974 in Wien geboren, wo sie später Jura studierte. Heute lebt sie mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in der Nähe Wiens, seit 1999 arbeitet sie beim Roten Kreuz als Juristin. Bereits als Jugendliche hat sie in ihrer Freizeit geschrieben und Kurzgeschichten wie Gedichte in Zeitschriften veröffentlicht. Später spezialisierte sie sich auf Erzählungen für Kinder und Jugendliche.

Wünsch dich ins Wunder-Weihnachtsland Band 5

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