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III. Zur Herkunft der beiden Modelle

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Die Entstehung der entgegengesetzen Modelle wirft zwei grundsätzliche Fragen auf. Die erste lautet: Woher kamen die beiden Modelle? Die zweite ist: Waren die ihnen zugrunde liegenden Vorstellungen korrekt? Festzustellen ist zunächst, dass die Modelle im Heimatland selbst nicht als solche formuliert wurden, was die Bedeutung der Rechtsvergleichung unterstreicht. Das französische Modell entstand maßgeblich in der Interpretation des Oxforder Professors Albert Venn Dicey, während das englische aus der Darstellung des aus Bordeaux stammenden Denkers Charles-Louis Secondat Baron de Montesquieu und des deutschen Professors und Politikers Rudolf von Gneist hervorging.

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Beide Modelle wurden mithin im Ausland formuliert, wobei die jeweiligen Urheber durchaus politische und nicht nur wissenschaftliche Absichten verfolgten. Dicey konzipierte das französische Modell, um das angeblich autoritäre und absolutistische französische droit administratif der zivilisierteren und liberaleren englischen rule of law gegenüber zu stellen. Dicey ist dabei stark von Tocquevilles Kritik an der bonapartistischen Struktur des droit administratif beeinflusst, welches jedoch, als Dicey über das in England bis dahin noch unbekannte Rechtsgebiet schrieb, bereits durch das liberalere droit administratif der Dritten Republik abgelöst worden war. Montesquieu, der die Leistungsfähigkeit der Gewaltenteilung in England zur Kontrolle öffentlicher Gewalt bewunderte, und von Gneist, der die Rolle nichtprofessioneller örtlicher Verwaltungsvorsteher und Friedensrichter in England schätzte, kondensierten die englische Praxis zum englischen Modell. Montesquieu wiederum baute seine Theorie der Gewaltenteilung (1734–1748) auf John Lockes Interpretation der englischen Verfassung (1690) auf (in Kapitel 6 des Buches XI des „Esprit des lois“ wird Locke acht Mal zitiert).[46] Montesquieus Gewaltenteilung wurde zu einem weithin anerkannten Grundsatz des Verfassungsrechts und schließlich in der amerikanischen Verfassung festgeschrieben.

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Es ist indes nicht nur wichtig zu verstehen, woher die Modelle kamen. Es ist ebenfalls wichtig zu wissen, wohin sie führten. Diceys Darstellung fand Anerkennung bei einem der beiden führenden französischen Verwaltungsrechtswissenschaftler in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Maurice Hauriou. Dieser war der Ansicht, das französische droit administratif zeichne sich im Wesentlichen durch das von ihm so genannte régime administratif aus. Darauf aufbauend zog er eine strikte Trennlinie zwischen Verwaltungen, die durch das gemeine Recht (wie das englische) bestimmt werden, und solchen, die den besonderen Regeln des Verwaltungsrechts folgen (wie in Frankreich). Was von Gneists Wertschätzung der „Selbst-Verwaltung“ betrifft: Dieses Konzept wurde zu einem gewaltigen Innovationsmotor. Sämtliche Reformer blickten darauf mit dem Ziel, die Beziehungen zwischen Verwaltung und Gesellschaft zu verbessern.

Einführung§ 41 Die Entfaltung des Verwaltungsstaates in Europa › IV. Gemeinsame Entwicklungen: Eine Sache der Interpretation

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