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2.2 Ausrüstung
ОглавлениеDer Zweck und die Bedeutung der Ausrüstung, speziell der Uniform als wesentlicher Teil davon, kann mit verschiedenen Ansätzen herausgearbeitet werden. Dabei bildete die symbolische Dimension der Montierung, wie die Polizeibekleidung in zeitgenössischen Quellen bezeichnet wurde, für den Polizeialltag einen nicht zu unterschätzenden Aspekt. Bevor in einem zweiten Teil dieses Kapitels auf die Symbolik der Uniform eingegangen wird, soll zunächst die realtechnisch-materialistische Komponente dieser Uniformierung angesprochen werden. Damit wird gleichzeitig auch ein Überblick über erlassene Bestimmungen im Bereich der Landjägerausrüstung ermöglicht. Im Wesentlichen scheint hierbei die kommunizierte Schutzfunktion, dann aber auch die Nützlichkeit herauszuragen: Zum einen sollte die Uniform den Landjäger vor Kälte und Nässe schützen. Gutes Schuhwerk sollte ihm die langen Patrouillen, die seinen gewöhnlichen Alltag bedeuteten, auf steinigen und heissen, aber auch nassen und schlüpfrigen Strassen und Nebenwegen ermöglichen. Der Hut beziehungsweise Tschako sollte ihn vor Sonne und Regen schützen. Zum anderen sollten Weidtasche sowie Hosen-, Westen- und Mantel- beziehungsweise Überrocksäcke für den Transport des Proviants, der Schriften, des Geldes sowie der Handschellen und der Munition dienlich sein. Bewaffnet waren die Landjäger mit Säbel und Karabiner, später mit einem Schrotgewehr (bzw. einer Flinte). Als Hauptzweck sollten diese Waffen ihnen in Gefahrensituationen die nötige Verteidigungssicherheit bieten. Sie waren jedoch expressis verbis nur im äussersten Notfall zu gebrauchen. Dies galt sodann auch ganz allgemein für die Anwendung jeglicher Form von Gewalt: Dem einleitend erwähnten Landjäger Michael Mutzner, welcher beim Transport eines delinquenten Bürgers von Savognin über den Julierpass physische Repressionsmassnahmen angewandt hatte, wurde bekanntlich vom Verhörrichter ganz klar kommuniziert, dass er als Landjäger «sich nie ohne höchste Noth an Leuten vergreifen sonst es gleich anzeigen» solle.160 Mutzner hatte den Mann aus Savognin bekanntlich «zu Boden geschlagen und mit dem Stock gebrügelt biß er gesagt er wolle [ihm] nichts wideriges mehr Machen».161 Um welche Art von Stock es sich bei seinem Gewalteinsatz handelte, geht aus den Quellen nicht hervor. Jedenfalls scheinen Mutzner und wohl auch andere Landjäger eine Art Schlagstock mit sich getragen zu haben, wobei eine solche Waffe gemäss Instruktion nicht zur offiziellen Ausrüstung eines Landjägers gehörte.
Die Erweiterung des Ausrüstungsrepertoires war jeweils sehr trägen Entwicklungsprozessen unterworfen. Hauptgrund dafür waren in erster Linie finanzielle Restriktionen, da der Kanton durch die eingeschränkten Einnahmen Erweiterungsintentionen im Beamtenwesen (seien sie materialistischer oder auch personeller Art) nur im äussersten Notfall zustimmte. So unterschied sich die Uniform- und Bewaffnungszusammensetzung gegen die Jahrhundertmitte nicht markant von derjenigen der ersten Landjäger. Dennoch können für die untersuchte Zeitspanne einige wesentliche Änderungen nachverfolgt werden, wobei die dominierenden Farben durchgehend Grün und Grau blieben: Die ersten Bündner Landjäger erhielten 1804 einen kurzen «Montirungsrok nebst Weste und Hosen, imgleichen 2 paar Schuhe und 2 paar Sohlen».162 Gemäss Instruktion von 1813 wurde den Landjägern alljährlich ein Hut oder Tschako, ein grüner Rock mit grünen Aufschlägen und Kragen, eine grüne Weste, ein Paar lange Hosen, zwei Paar Schuhe und zwei Paar Sohlen sowie alle zwei Jahre ein «Caput» beziehungsweise Mantel zugesichert, 163 wobei diese Bestimmung für noch nicht definitiv angestellte Landjäger nur zum Teil galt. Dem provisorischen Landjäger Johann Weber beispielsweise schrieb der Verhörrichter im Januar 1832:
«Da Weber noch nicht definitiv als Landjäger aufgenohmen ist, so kann man ihm auch noch keine Montur anschaffen, sondern er hat nur pro Rata der Dienstzeit Vergutung für selbe zu fordern. Man hat aber nichts dagegen, falls er aus sich einige Montürstücke anschaffen wurte.»164
Über zustehende Armaturgegenstände schwieg sich die erste Instruktion aus. Die Landjäger scheinen vor 1813 nicht mit Stutzern, sondern mit Karabinern versehen gewesen zu sein. Infolge eines Unfalls, bei dem Landjäger Stephan Lampert in Maloja einen italienischen Arbeiter mit seinem Gewehr tödlich verletzte, scheinen die Karabiner durch die mit kürzeren Läufen versehenen Stutzer ausgetauscht worden zu sein.165 Erst die Instruktion von 1828 schliesslich machte genauere Angaben zur Bewaffnung der Landjäger: Darin hiess es, dass neue Landjäger aus dem Kantonsmagazin jeweils einen «Säbel sammt Scheide, Stutzer, Pistole sammt Futter, Handschelle», das nötige «Pulver und Blei» sowie eine Weidtasche für den Transport erhalten sollten.166 Bei Todesfällen wurde rapportierenden oder für die administrativen Fragen im Zusammenhang mit der Rücksendung der Armatur zuständigen Landjägern zuweilen die Erlaubnis erteilt, gewisse eigene Bewaffnungsstücke, sofern diese in einem schlechteren Zustand als diejenigen des verstorbenen Polizeibeamten waren, auszutauschen. Andreas Flütsch etwa, Landjäger am Grenzzoll, wollte nach dem Todesfall des Giovanni Teodosio Misani von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, indem er «das Sabel und Bistollen Kupel» auszutauschen beabsichtigte.167 Einige Wochen später erfolgte die entsprechende Erlaubnis durch den Verhörrichter.168
Die Instruktion von 1828 erwähnte erstmals auch die Uniformierung des Korps: Die Landjäger hatten nicht nur «allzeit reinlich und ordentlich», sondern «auch in der Montur alle möglichst gleich gekleidet zu erscheinen».169 Letzteres war deshalb nicht selbstverständlich, weil die Landjäger ihre Uniform selbst bei einem Schneider besorgen mussten und für die Unkosten entschädigt wurden. Eines von vielen Beispielen ist die Bitte des Landjägers Jakob Jecklin, der in seiner finanziellen Not um die frühzeitige Zusendung des Guthabens zur Deckung der Unkosten bat: «[Ich] Bitte ßie doch einstendig und Laßen sie mir dises Guthaben alles zukommen – den ich muß noch Ein Paar ordinans Hoßen Laßen machen und eine kappen.»170 Diese Bestimmungen hatten zur Folge, dass von einer einheitlichen äusserlichen Erscheinung des Korps nicht wirklich die Rede sein konnte, obwohl die Landjäger sich bemühten, den Vorgaben betreffend Uniformität so nah als möglich zu kommen, wie dies mitunter im Bericht des Landjägers Jakob Jecklin herauszulesen ist: «Ich habe Jetz Mondur laßen anmeßen beim Herrn Schneider Benner der mir Eine Recht schönne Onnevorm Macht und Mit der farbe anstendig ist so das es Jero Weisheitten gnediger Herrn Baron gefällt.»171 Anstrengungen zur einheitlichen Uniformierung indes erfolgten nur in Ansätzen und in einem harzigen und langwierigen Prozess, sodass erst ab den frühen 1830er-Jahren die grosse Mehrheit der Uniformen vom gleichen Schneider stammten oder mindestens auf identische Vorlagen und Stoffzusammensetzungen Acht gegeben wurde. Immer häufiger verfuhr man dann so, dass der Landjäger dem Verhörrichter seine Masse zuschickte und dieser die Uniform durch einen Churer Schneider anfertigen liess. 1832 etwa bat der Verhörrichter den Landjäger Placidus Genelin, in Zukunft die Uniform in Chur anfertigen zu lassen:
«Man will dem Landjäger für dieses Mal noch das Geld für die Montur beziehen laßen und dieses dem H. Standeskassier bemerken, allein um alle Landjäger gleich gekleidet zu haben muß er selbe das nächste Jahr ohne anders in Chur faßen.»172
Analog hiess es gegenüber Landjäger Christian Desax, dass die Uniform «von nun an um eine Gleichförmigkeit an der Montur unter den Landjägern zu Stande zu bringen», in Chur «gekauft und verfertiget werden» müsse.173 Diese Vorgehensweise schlug oftmals auch der Standeskassier, welcher für die Rückerstattung der Schneiderkosten zuständig war, anfragenden Landjägern vor.174
Gemäss Instruktion von 1840 standen den Landjägern (zusätzlich zu den älteren Instruktionen175) Sommerhosen, schwarze Gamaschen sowie alle drei Jahre eine «wichslederne Ordonnanzmütze» zu.176 Die grautüchenen «Pantalons» wurden weiterhin beibehalten. Die Sommerhosen wurden auf Antrag des Verhörrichters eingeführt:
«So viel man erfahren konnte, langt ein paar Hosen für den Mann jährlich bei Weitem nicht hin, und da auch im Sommer das Tragen von tüchenen Hosen wohl schwer ist, würde man gerne antragen, jedem Landjäger ein paar Sommerhosen vom gleichen Zeug verabfolgen zu laßen, wenn man nicht besorgte, auf einmal zu viel zu begehren.»177
12 Polizeisäbel der Bündner Landjäger. Das Modell entspricht dem französischen Grenadier-Säbel von 1767, welcher auch in der Bündner Miliz verwendet wurde.
13 Epauletten, welche sowohl von den Jägern (Grenadieren) der Bündner Milizen als auch von den Bündner Landjägern getragen wurden.
Anstatt des ehemaligen Kaputs wurde laut Instruktion von 1840, ebenfalls im Abstand von drei Jahren, ein grautüchener Überrock mit grünem Kragen abgegeben: Laut verhörrichterlichem Bericht von 1837 hatten die meisten Landjäger, da der alle zwei Jahre zu beziehende «Militär-Mantel» die Waffen nicht vor der Nässe zu schützen vermocht hatte, stattdessen das Geld (neun Gulden) bezogen und dafür «einen sogenannten großen Kragen […,] der ganz übereinander geht […], von dunkelgrauen Tuch» angeschafft. Zwecks Vereinheitlichung schlug er vor, ebensolche Überröcke durch den Kanton zu beschaffen, jedoch nur alle vier Jahre, da die Kosten höher zu stehen kämen.178 Dazu sollten die Landjäger alle sechs Jahre einen grauen Mantelkragen erhalten und jährlich mit zehn Gulden «für Fußbedeckung» entschädigt werden. Der Landjäger sei dabei «gehalten[,] jedes Mahl wen er im Publicum zu erscheinen ha[be], eintweders Schuh mit Schwartzen Camaschen oder Stifel unter den Pantalons zu tragen».179 Neu wurden den Landjägern auch einheitliche Epauletten und ein Pompon aus dem Kantonsmagazin verabreicht, um eine einheitlichere Uniformierung zu erzielen. Dies ging auf eine im Jahr 1837 vom Standeskassier geäusserte Unzufriedenheit zurück: «Die Epaulettes und Pompons [der wollene Knauf, der vorne am Tschako befestigt war, M. C.], dann ad libitum die Müzen, und Kamaschen werden auf eigene Rechnung angeschafft, was eine mißbeliebige Verschiedenheit erzeugt.»180 In einer Stellungnahme zu diesem Bericht liess Major und Zeughausinspektor G. Hermann verlauten:
«Als Kopf bedekung wird dem Landjäger einen Infanterie Schakos mit Messingenen Sturbändern, einem kleinen Schild in welchem C. GB. [Kanton Graubünden, M. C.] ausgeschnitten sind, und dem Tüchlein mit einem schmalen Meßing-band eingefaßt, samt dem grünen Jäger Pompon gegeben […].»181
Die Ende der 1830er-Jahre eingeführte Krawatte war von den Landjägern individuell zu beschaffen. Dies ging auf einen Entscheid zurück, wonach die Krawatte gewissermassen als Distinktionsmittel innerhalb der fortwährend existierenden Ungleichmässigkeit der Uniformen zu betrachten sei:
«Auf daß die Landjäger doch einigermaßen gleich und ordentlich gekleidet seien, fanden der mit der Vorsorge für Bekleidung der Landjäger beauftragte Herr Oberstlieutenant Hermann, und der Unterzeichnete angemeßen, bei selben unter anderm Kravaten nach ein und derselben Form einzuführen.»182
Die «neue Kopfbekleidung» in Form des piemontesischen Bersaglierhutes, welchen sowohl der in Abbildung 14 dargestellte Landjäger Kaspar Branger von Saas als auch der auf dem Buchcover mit einem unbekannten Postkondukteur abgebildete Wachtmeister Peter Kessler von Buchen [?] tragen, wurde erst 1855 eingeführt.183
Von einer einheitlichen Ausrüstungspraxis konnte bis zur Jahrhundertmitte nicht die Rede sein. Dies zeigt sich auch mit Blick auf die symbolische Komponente der Uniformierung. In seiner soziologischen Untersuchung zum Alltag des polizeilichen Gewaltmonopols gelangte Behr anhand qualitativer Interviews zum Fazit, dass am «Thema Uniform» deutlich werde, «wie bedeutsam die symbolisch-expressiven Elemente für eine Berufsidentität der Polizisten» sei. Der Polizist erinnere sich nicht etwa in erster Linie «an die Gesetzestexte aus dem ersten Ausbildungsjahr […], sondern an die Symbole der Macht.»184 Dieser Mosaikstein eines sich laut Behr konstruierenden Cop-Culture-Bildes kann als interessanter Ausgangspunkt herangezogen werden für die Frage, inwiefern symbolisch-expressive Elemente der Berufsidentität innerhalb der Führungsgremien in der Untersuchungszeit von diskursiver Bedeutung waren. Weiter stellt sich die grundlegende Frage, ob Ausrüstung und Berufsidentität überhaupt ein Beziehungspaar bildeten. Entsprach die zivile Uniformierung185 der Landjäger (im Sinn einer Bedeutungsrichtungsdimension gegen aussen und aus der einfachen Tradition einer Weiterführung militärischer Strukturen) einer einfachen Selbstverständlichkeit, oder wurde dem Faktor der Berufsidentifikation (im Sinn einer Bedeutungsrichtungsdimension oder Uniformausstrahlungskraft gegen innen) explizite Bedeutung zugewiesen? Die erste Bedeutungsdimension, die gegen aussen gerichtete Kommunikation, entsprang einem der oben erwähnten Wünsche (militärische Absicht der Führungsgremien), sich durch eine einheitliche Bekleidung im Krieg einen Vorteil betreffend Identifizierung des Feindes und des Verbündeten zu verschaffen. Zudem wurde die Hierarchieebene zum Thema: Der Untergebene erkannte in der spezifischen Uniform seines Gegenübers den Vorgesetzten. Weil diese intendierte Erfassung der Rangverhältnisse jeweils möglichst rasch erfolgen sollte, war die Symbolik der Farbe und des Zeichens – je einfacher und schlichter, desto effizienter – entscheidend. In einer ersten Konfrontationsphase musste das Bildliche gewissermassen das Gesprochene ersetzen. Je militärischer das Polizeisystem strukturiert war, desto wichtiger war dieser Faktor: Der Militärsoldat kommunizierte vergleichsweise seltener verbal mit seinem Feind, wohingegen der Polizeibeamte früher oder später auf einen gewissen Grad kommunikativen Austauschs mit seinem Gegenüber angewiesen war. Ob der Polizeidiener nun Feind oder Verbündeter war (und es muss, wie sich im Verlaufe vorliegender Untersuchung noch mehrfach zeigen wird, nicht weiter ausgeführt werden, dass er beides verkörpern konnte), spielte letztlich eine sekundäre Rolle. Er hatte dem Gegenüber, das nicht zu seiner Bezugsgruppe gehörte, durch seine Uniformierung einen schnellen Anhaltspunkt zu geben, der bei demselben dann eine (erwünschte) Reaktion auslösen sollte: Der angegangene Heimatlose oder fremde Arbeiter sollte im Fall eines nahenden Landjägers bereits vor Beginn der Ansprache wissen, wer dieser war. Diese nonverbale Kommunikation ging selbstredend über allenfalls vorhandene Sprachbarrieren hinaus. Zu mehreren dieser in der untenstehenden Tabelle aufgelisteten positiven Bedeutungsdimensionen nun finden sich im untersuchten Quellenmaterial entsprechende Beispiele. Zu einigen anderen der tabellarisch aufgeführten positiven Nebeneffekte des intendierten Polizeisystems sind keine Belege zu entdecken. Angesichts ihrer Universalität innerhalb des Polizeiwesens und als Folge der Uniformierungstradition, bei der auch Uniformierungsaspekte aus dem Militärwesen übernommen wurden, sind sie jedoch als sogenannte systembildende Konstanten zu bezeichnen. Diese positiven Nebeneffekte sind bezüglich ihres Sinngehalts in der Ideologie des formalen Polizeisystems zu sehen, denn sie entsprachen weitgehend den Zielen der Führungsgremien und dürften im Hinblick auf den Polizeialltag naturgemäss als vorwiegend dienlich gewertet worden sein.
14 Landjäger Kaspar Branger (1809–1884) von Saas im Prättigau.
15 Symbolische Bedeutungsdimensionen der Polizeiuniformierung.
Die gegenüber der Öffentlichkeit unterstrichene einheitliche Uniformierung als (1) Tradition einer militärischen Institution erfolgte im Bündner Landjägerkorps vergleichsweise spät. Eine einheitliche Ausrüstung als wesentliches Merkmal militärischer Organisation wurde erst 1837 durch den Grossen Rat gutgeheissen und vom Kleinen Rat per Januar 1838 in Kraft gesetzt.186 Die Akzentuierung des Landjägers als (2) Vertreter und Befugter des Kantons wird im Quellenmaterial beispielsweise in den Stellungnahmen des Standeskassiers beziehungsweise Zeughausinspektors erkennbar: 1837 hiess es, der Tschako sei mit der «Kantonscocarde» und einem «kleinen Schild» mit den Initialen «C. GB.» für ‹Kanton Graubünden› versehen.187 Die (3) Vermittlung von Ordnung und Disziplin (u. a. auch zwecks Vertrauens- und Sicherheitsgefühl im Volk) wird beispielsweise im Entscheid des Kleinen Rates, wonach Landjäger nie in zivilen Kleidern auftreten sollten, ersichtlich.188 Die (4) rasche Unterscheidung nach Verbündetem/Feind ergibt sich als logische Konsequenz der letztgenannten Punkte. Beim (5) Schutz der eigenen Persönlichkeit ging es, mit den treffenden Worten eines in Behrs Studie vernommenen Polizisten, weniger um die «Herstellung einer Rollendistanz», sondern vielmehr um die «Vergewisserung», dass der Polizeibeamte «sich nicht persönlich angesprochen fühlen musste», da allfällige Beleidigungen vielmehr «auf seine Rolle als Repräsentant des Gewaltmonopols» gezielt hätten.189 Die Bedeutung der (6) Respekteinflössung ist gemäss Wirsing vergleichbar mit einer «Form von symbolischer Gewalt, die den Einsatz von physischer Gewalt entbehrlich machen sollte».190 Die (7) rasche Erkennung der Militärhierarchie war eine Bedeutungsdimension mit vergleichsweise langer Tradition. Dass gerade diese an der Uniform ablesbare Rangordnung unterstrichen und auch so von den Landjägern rezipiert wurde, zeigt sich in einem Rapport des Feldweibels Nikolaus Hartmann an den Verhörrichter. Die Uniform des Feldweibels war offenbar normalerweise mit einer speziellen «Schnur» versehen. Der etwas verwirrte Feldweibel erkundigte sich nun nach Erhalt der neuen Uniform im März 1840, weshalb diese «Schnur» darauf nicht angebracht sei:
«[…] dan mus ich Sie fragen ob man mich entehrt, namlich entsezt habe, weil man mir keine Schnur auf den Rok getan hat, es were mir Leid, ich glaubte es nicht verdient zu haben, besonders weil man mir die Goldporten bereits 30 Jahre, im Ihn u. Auslande so zu sagen ununterbrochen gegeben hat».191
Die von den Leitungsgremien gegen innen erwünschte und gerade auch durch das Tragen der Uniform hervorgerufene (8) Identifikation mit dem System wird als solche nicht direkt angesprochen, ergibt sich jedoch als logische Konsequenz eines intendierten Polizeisystems. Inwiefern dazu ergänzend innerhalb des Bündner Landjägerkorps eine Identifikation kraft Machtgefühl vorhanden war, soll in einem späteren Abschnitt zum Polizeialltag erörtert werden.192 Ein weiterer Symbolisierungsfaktor war die (9) Selbstsicherheit durch Zugehörigkeitsgefühl. Der Zusammenhang zwischen Uniform und Selbstsicherheit zeigt sich, obwohl von den Führungsorganen nicht explizit so erklärt, am Beispiel des Landjägers Jakob Jecklin, der seinen Sohn offenbar in Armatur und Uniform Gefangene transportieren liess.193 Gegen innen stärkte die Uniformierung das Selbstbewusstsein und den Mut des Trägers. Hinzu kam die Aussenwirkung dieser Symbolik, mit der Respekteinflössung und nicht zuletzt auch Befugnislegitimierung intendiert wurden. Schliesslich bildete das (10) Pflichtbewusstsein eine überaus relevante Bedeutungsdimension, da in Uniform das Wegschauen weniger gut möglich war. Beispielsweise forderte der Verhörrichter den um Urlaub anfragenden Landjäger Martin Casanova auf, sich bei seiner Heim- und Rückreise in Uniform fortzubewegen.194
Es mag nun Schicksal dieser symbolischen Uniformierung sein, dass jeder der intendierten Aspekte der Uniformierung auch eine dem Desiderat der Polizeiführung entgegengesetzte, aus ihrem Blickwinkel betrachtet negative Bedeutungsdimension besitzt. Dabei verkommt die Symbolik gewissermassen zum attributiven Hilfsmittel unerwünschter Ziele und im Sinn der Kontingenz zum negativen Nebeneffekt dessen, was das Polizeisystem eigentlich erreichen möchte: Ein Verfolgter etwa konnte sich dank rechtzeitiger Identifikation des Polizeibeamten einen Fluchtvorteil verschaffen, der militärisch Untergebene konnte sich einem nahenden Ranghöheren entziehen oder ihm den Gehorsam verweigern. Diese beiden Beispiele verdeutlichen, dass die Exposition aus Sicht des formalen Polizeisystems sowohl Vor- als auch Nachteile hatte. Letztlich aber wurde in der Praxis, was sich auch in der Beibehaltung der Uniformierungspflicht ausdrückt, der positive Faktor erwartungsgemäss als gewichtiger eingestuft. Dies hängt insbesondere auch mit der Legitimierungsfrage zusammen und kann als Schutz zugunsten des einfachen Bürgers gewertet werden, denn dieser sollte erkennen, dass eine Amtsperson mit besonderen Zugriffsrechten zugegen war. Nicht zuletzt hatte die Uniformierung begünstigenden Einfluss auf das gegen aussen gerichtete Gruppenbewusstsein. Aber auch hier kann, analog zu oben, auf dessen Kehrseite verwiesen werden: Gruppenbeziehungsweise Korpsmitglieder, die sich mit der Gruppe nicht mehr identifizieren konnten, strebten den Verzicht auf die expressive Symbolik der Uniform an. Dies verweist indirekt auch auf die zweite Bedeutungsdimension der Uniformierung: Die von oben intendierte Identifikation mit der Uniform konnte Schaden erleiden, womöglich gar nicht erst zustande kommen, wenn der Polizeibeamte sich mit der Arbeit, mit den vorgegebenen Tätigkeitsfeldern und anderen Umständen nicht identifizieren konnte.