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2.3 Postenzuteilung und Unterkunft

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Die Postenzuteilung wurde in den Instruktionen nur an einer Stelle erwähnt. Dort hiess es, dass die Landjäger «in der Regel außerhalb ihres Gerichts stationirt und, mit Ausnahme derjenigen, welche bei den Zollstätten durch Geschicklichkeit und Zuverlässigkeit sich auszeichnen, je nach Erforderniß, von Zeit zu Zeit abgewechselt werden [Hervorhebungen M. C.]» sollten.195 Für die Zuteilung und das Eintreten auf Postenwechselgesuche war der Verhörrichter zuständig. Als Faustregel gab er anfragenden Landjägern immer das Intervall von zwei Jahren an, 196 wobei dieser vorgegebene Zeitraum keineswegs konsequent eingehalten wurde. Dasselbe galt auch für die Landjäger an den Zollposten, welche teilweise über die ganze Untersuchungszeit auf ein- und demselben Posten verweilten, während andere Korpsmitglieder den Zollposten etliche Male wechseln mussten197 (wobei in solchen Fällen auch der Standeskassier Mitspracherecht hatte). Abgesehen von einer Gruppe von Landjägern, welche eher privilegiert behandelt wurde oder bei denen der Verhörrichter aus irgendeinem Grund keine Versetzungen anordnete, 198 versuchte er, den Rotationszyklus beizubehalten. Als Konsequenz wurden Landjäger teilweise auch versetzt, obwohl sie gerne noch länger auf ihrem Posten stationiert gewesen wären. Dem um Verbleib anfragenden Landjäger Jakob Guler etwa wusste der Verhörrichter zu bescheiden, dass man es «schwer haben werde, [dem] Ansuchen zu entsprechen».199

Über den neuen Posten wurden die Landjäger zuweilen bis kurz vor Beginn des Dienstantritts im Ungewissen gelassen. Üblicherweise mussten sie dem eintreffenden und sie ablösenden Korpskameraden ihren alten Posten zeigen und dann «zur weitern Bestimmung» nach Chur gehen.200

In manchen Fällen versprach der Verhörrichter Landjägern bereits lange Zeit im Voraus einen Wunschposten. Dies konnte die Folge eines besonderen Verhältnisses zwischen Landjäger und Verhörrichter sein. Dabei konnte die Versetzung an den Wunschort auch einer Belohnung für die geleistete Arbeit gleichkommen. Im entgegengesetzten Fall konnte der Verhörrichter eine Versetzung auch als Bestrafungsform anweisen. Dies widerfuhr beispielsweise Landjäger Giovanni Battista Monigatti, welcher für sein Fehlverhalten gegenüber Landjäger Andreas Flütsch gerügt wurde:

«Auf seinen Rapport vom 26ten dieses Monats wird erwiedert, daß niemand ihn verklagte, sondern seine Versetzung lediglich seinem schlechten Benehmen, daß er seinen Dienstgenoßen in einem sehr kritischen Moment verließ, zuzuschreiben seÿ.»201

Ein weiteres Motiv für die Versetzung oder Nichtversetzung war die Rücksichtsmassnahme zugunsten einzelner Landjäger, insbesondere bei auftretenden gesundheitlichen Beschwerden. Der um einen Postenwechsel bittende Jakob Guler erhielt vom Verhörrichter beispielsweise eine Absage, da «jener Posten bereits dem Landjäger Derungs überlaßen wurde», womit der dienstältere Landjäger Hercules Derungs d.Ä. gemeint war.202

Allgemein kann festgehalten werden, dass der Verhörrichter bei der Vergabe der Posten im weitesten Sinne zwei wesentliche Aspekte zu berücksichtigen versuchte: Von zentraler Bedeutung, und diese Erkenntnis kristallisierte sich beim Verhörrichter im Lauf der Jahre immer klarer heraus, war die Sprache. Im dreisprachigen Kanton Graubünden war der Verhörrichter auf Landjäger angewiesen, die die Sprache der jeweiligen Lokalbevölkerung verstehen und sprechen konnten. Diese Qualifikation spielte bei der Wahl neuer Landjäger eine nicht unbedeutende Rolle.203 Da Deutsch und Italienisch im Gegensatz zum Rätoromanischen innerhalb der Führungsgremien als behördliche Korrespondenzsprachen gebraucht wurden, war deren Beherrschung auch ein Kriterium für die Postenzuteilung. Der Mangel an italienischsprachigen Landjägern war denn auch ein Grund, weshalb dieselben durchgehend in den Valli, das heisst den Bündner Südtälern Poschiavo, Bergell, Misox und Calanca, postiert wurden. Dementsprechend unterlagen die Posten in diesen Landesteilen häufig nicht dem offiziellen Rotationsprinzip, da dort die Substituierungsmöglichkeiten ungleich schwieriger waren. Der in Roveredo stationierte Landjäger Giovanni Monigatti etwa wurde nach seiner Anfrage um Versetzung vom Verhörrichter in beinahe entschuldigendem Tonfall aufgefordert, auf seinem Posten zu bleiben, weil zu wenige italienischsprachige Landjäger im Korps vorhanden seien.204 Durch die Nähe ihrer Sprache zum Italienischen wurden ferner auch viele Rätoromanen in den südlich des Alpenkamms gelegenen Kantonsgebieten eingesetzt. Zu den romanisch geprägten Gegenden gehörten das Bündner Oberland (Surselva), Teile des Imbodens (Plaun) und des Domleschgs (Tumliasca), das Schams (Val Schons), ein Grossteil des Albulatals (Val d’Alvra), das Oberhalbstein (Surses), das Engadin (Engiadina) und das Münstertal (Val Müstair). In der Surselva im Speziellen befanden sich die Posten in Disentis und Ilanz, später auch die Posten in Trun sowie in Furth (Uors) im Lugnez (Val Lumnezia). Das Oberhalbstein-Gebiet im Besonderen wurde mit dem Posten in Savognin abgedeckt. Das Prinzip, romanischsprachige Landjäger in entsprechenden Gegenden zu belassen, ist zwar analog zu den italienischsprachigen Kantonsgebieten zu erkennen, wurde aber nicht durchgehend angewandt. In zwei Gegenden waren teilweise über Jahre hinweg dieselben Landjäger (Ulrich Maculin in Disentis, Joseph Janett in Savognin) postiert. Die übrigen romanischen Regionen hingegen zeigen keine längeren Kontinuitätslinien in der Besetzung eines Postens mit ein- und derselben Person.

Die von der Polizeileitung intendierte Akzentuierung der Sprachfrage war insbesondere auch Resultat schlechter Erfahrungen. Der Jeninser Christian Bantli etwa fühlte sich in Roveredo sichtlich unwohl, als er dem Verhörrichter im Juli 1830 rapportierte: «Ich mus villes unrächt leiden da ich in der hiesigen Tialekt nicht stärker ben; so wärt mier villes zur last gelegt weill ich mich nicht beßer aus reden kan und die anderen können sich hälfen.»205 Analog zu Bantli war auch der Schierser Bartholome Schaleben im romanisch dominierten Ilanz mit der Sprachsituation äusserst unzufrieden. In einer Rechtfertigung nach vorgeworfenen Dienstnachlässigkeiten bei der Aufspürung unerlaubter Aufenthalter antwortete Schaleben dem Verhörrichter:

«Ich bite sie wil ich einen nachtheil habe in der Romanisch Sprache mier einen Lichtern Posten zu geben oder wan es nicht anderst kan sein so wil ich auf Chur kommen & der Dienst beÿ den Züchtlingen machen.»206

Als Notiz fügte der Verhörrichter dem Rapport bei: «Den 18/9 mündlich bemerkt, müße sich beßer einstellen.»207 Aus den zitierten Beispielen lässt sich erahnen, dass deutschsprachige Landjäger des Italienischen oder Romanischen eher selten kundig waren. Stellvertretend dafür kann auch das Beispiel des Landjägers Paul Haag aufgeführt werden, welcher dem Verhörrichter die Papiere des Schriftenlosen Longatti von Chiavenna übersandte, in der Meinung, es handle sich hierbei um die erforderlichen Unterlagen. Daraufhin erhielt er die Antwort, dass

«anher gesandte Schrift […] nicht nur kein Heimathschein, sondern gerade das Gegentheil [sei], indem in derselben erklärt [werde], daß die Oberbehörde dem Longatti keine Schriften gebe bis er sich selber stelle».208

Landjäger Haag hatte den Inhalt der Schriften sichtlich missverstanden.


16 Mehrheitssprachen im Kanton Graubünden, 1860. Gemäss Zahlenwerten in FURER, Volkszählung, S. 15.

Auch die Konfession des Landjägers konnte bei der Postenvergabe eine Rolle spielen, sie war jedoch eher in Phasen oder Fällen potenzieller Brisanz ein Kriterium. Falls sich der Landjäger im fremden Konfessionsumfeld nicht wirklich heimisch fühlte, war das noch kein Grund für eine Versetzung. Der bereits erwähnte Christian Bantli beispielsweise fühlte sich in Roveredo nicht nur in sprachlicher, sondern auch in konfessioneller Hinsicht isoliert und ersuchte den Verhörrichter um Ablösung:

«Ich glaube, das es ihnen; und mier nicht in sinn kommen ist; da sie mich hier nach Roveredo Commandierten wo ich vorfreüden; an nichts mehr denkte; und auch ietz noch kein andere uhrsach wuste als gärne hier zu sein; weill; Herren und gemeine; seind freüntlich und mannierlich gegen mier; ich mus sagen; ville von den gemeinen seind gar zu freüntlich; und wolten ich solte auch mit ihnen in die Kirchen und in die Mäße gehen; und auch ein Christian wärden; aber das hofe ich wärden mier meine Heren; und oberen nicht zu mutten; den der abfall, find ich auf keiner seiten; wäder nützlich noch schön; wo es nicht die Noth erfordert; und aber; wan sie; Lieber Herr Paron; darin keine rücksicht nehmen; und mich an einen Evangelischen; oder Paritetischen [gemischtkonfessionellen, M. C.] Ort Plazieren; wo ich von Zeit zu Zeit. meinen öffentlich Gottes Dienst; oder unsere kirchen; oder mit einem menschen unserer seiten ein Wort verstendig sprechen konte ach Lieber Herr Paron; wolten sie so guth sein und in dißer Sach; das heißt; wägen Religionshalben; es wirt. ihnen bekan sein; das ich bis 11 stund wägs über den barg bis hinter Rhein [das reformierte Hinterrhein jenseits des San-Bernardino-Passes, M. C.] kein mensch meiner seits; errufen noch zu erwarten hatte. [/] Lieber Herr Paron; solte ich sie mit meiner freüntlichen Bitten und um guten rath anhalten; beleidigen so währ es mier sehr leid; und wolte lieber nichts gesagt haben und solte; ein; oder; anderen; meinen guten freünden kommen; und für mich ein gutes wort reden; so hofe ich; sie wärden es mit einem gnädigen; ohr an hörrn; überhaubt; ich schwöre es beÿ meinen Gott; wan ich der hiesigen Religion wehre so könt ich kein beßeren Posten erwellen […]. Solte mier meine bitte. gewährt wärden; so hoffe ich der grund deßen; wärde das hiesige Pöbel wärd es nicht vernemmen; sonst wärden sie entzetzt; weil sie glaubten ein guten Christian aus mier zu machen.»209

Auf Bantlis Anfrage wusste der Verhörrichter zu entgegnen, «daß jeder Landjäger 2 Jahre lang auf einem Posten aushalten müße». Man erhoffe sich weiter, dass Bantli sich, was «Religionssachen» anbelange, «wohl von derlei Discursen entfern[e] und unter allen Umständen in seinem Glauben sich festzuhalten wiße[]».210 Im Gegensatz zum Beispiel Bantlis zeigte sich der Verhörrichter zuweilen dennoch kompromisswillig, falls sich eine Alternative anbot: Jan Gees von Scharans etwa wurde im Sommer 1836 als provisorischer Landjäger in Roveredo stationiert, zeigte sich mit diesem Posten jedoch durchwegs unzufrieden. Nebst Klagen über hohe Auslagen missfiel ihm auch das konfessionelle Umfeld: «[U]nd für ein Teil bien ich Reformiert und daß paßt nicht Gar gutt jen diese Lantschaft.»211 Nach neuerlicher Klage schlug der Verhörrichter vor, dass er den Posten mit dem in Bondo (im reformierten Bergell) stationierten provisorischen Landjäger Joseph Anton Schuoler, einem Katholiken, tauschen könnte, falls die Konfession ein Problem darstelle. Er habe «jeden falls gleich anher zu berichten, ob er in Roveredo bleibe, oder nach Bergell gehe».212 Gees indes hatte bereits seine frühzeitige Kündigung eingereicht, da er mit einem Schreinerlohn seine Familie beinahe besser ernähren könne als mit dem Sold eines provisorischen Landjägers.213 Dass eben erwähnter Landjäger Joseph Anton Schuoler von Disentis seinerseits wohl ebenfalls an einer Versetzung interessiert war, zeigt ein Bittschreiben der Obrigkeit von Disentis an den Verhörrichter betreffend Abberufung ihres Gerichtsgenossen aus dem reformierten Bondo. Darin schrieb der Vorsteher der Gerichtsgemeinde Disentis:

«So bitten wier Sie Gnädigst durch seine anstalt dazu veranlaßt: daß Sie so gütig seÿn wurden, den gemeldeten Schuoler, wenn es möglich ist von benanter Poste ab zu wechslen und ihn in einem Catolischen Orte zu bestellen. […]»214

In einer beigefügten Notiz schrieb der Verhörrichter (sein Kompromisswille dürfte im Gegensatz zum Fall des Landjägers Christian Bantli insbesondere auch in der Berücksichtigung der Anfrage durch die Obrigkeit von Disentis gelegen haben), dass die Angelegenheit erledigt sei, da Schuoler «abgelößt resp. einberufen» worden sei.215

Im Gegensatz zur Postenzuteilung schweigen sich die verschiedenen Instruktionen betreffend Unterkunftsorganisation mehrheitlich aus. Für die Landjäger am Grenzzoll war die Unterkunftsfrage vergleichsweise einfacher zu regeln, da sie üblicherweise im Zollhaus logierten, welches Eigentum des Kantons war. Die Zollhäuser in Martinsbruck und auf der St. Luzisteig werden diesbezüglich bereits zu einem frühen Zeitpunkt vom Kleinen Rat erwähnt: Im Amtsbericht vom 22. April 1811 war über die «Erbauung eines kleinen Zollhauses in der Nähe der Martinsbruck» berichtet worden, welches «an dem äußersten Gränzpunkt gegen das Tirol» errichtet worden sei.216 Dieses sei nach «Schließung des neuen SalzContractes» mit der Königlich Bayerischen Regierung als «für den Kanton vortheilhafte Einrichtung bewogen worden». Im gleichen Bericht war auch die Erneuerung des zerstörten Wachthauses auf der St. Luzisteig beschlossen worden.


17 Festung St. Luzisteig, um 1835. In der Bildmitte neben dem Torbogen die Zolleinnehmer- und Landjägerwohnung. Aquatinta von D. A. Schmid, C. Burkhardt.

Infolge dieser klar geregelten Besitzverhältnisse waren die Landjäger am Grenzzoll vom Mietzins befreit. Dazu ist auch ein Beispiel von der Grenzstation im untersten Bergell überliefert: Da die Räumlichkeiten im Zollhaus von Castasegna den beiden Familien des Zolleinnehmers und des Landjägers Florian Flütsch zu eng wurden, beauftragte der Kleine Rat den Verhörrichter, für Flütsch eine Wohnung nahe des Zollhauses zu suchen und im Namen des Kantons zu mieten.217 Aus alledem wird ersichtlich, dass die Landjäger am Grenzzoll wegen der Besitzverhältnisse, aber auch wegen ihrer Ortsgebundenheit und im Gegensatz zu ihren Korpskameraden auf den Laufposten nicht auf externe Unterkunftslokalitäten angewiesen waren. Ohnehin war die Lage der Letztgenannten in dieser Hinsicht am kompliziertesten. Zwar wurde den in den Bezirken stationierten Landjägern, der anteilsmässig grössten Landjägergruppe, betreffend Unterkunftsmodalitäten mit Ausnahme der Wunschposition nicht allzu viel vorgeschrieben. Gerade aber die Tatsache, dass sie bei einem Postenwechsel stets auf Wohnungssuche gehen mussten, sorgte oftmals für überaus energieraubende Umständlichkeiten. Der Verhörrichter instruierte die für einen Postenwechsel vorgesehenen Landjäger meistens lediglich über den Wunschort innerhalb des Bezirks, war sich jedoch bewusst, dass die Polizeibeamten wegen nicht immer vorhandener Vermieter auf eine Alternativlösung ausweichen mussten, wobei dies ad interim auch ein Wirtshaus sein konnte. Nicht ganz nachvollziehbar ist dabei, weshalb neue Landjäger immer wieder von Neuem eine Unterkunft aufsuchen mussten und nicht als Nachmieter ihrer Vorgänger eintreten konnten. Diese Praxis scheint am ehesten noch dort gehandhabt worden zu sein, wo der Verhörrichter sich ursprünglich selbst um einen Logisgeber bemüht hatte. Clara Tester von Rongellen etwa erkundigte sich nach dem Abgang des Landjägers Jakob Mathis beim Verhörrichter, ob die Unterkunft für einen neuen Landjäger bereitzuhalten sei:

«Es wird Ihnen wohl bekant sein, das Sie mich um eine Herberg für ein Landjäger anhielten, welches ich auch gleich volzogen hatte, und Jacob Mathis annahm, ich glaubte nach Ihrer angabe daß gleich nach seiner Abreise ein anderer den Posten beziehen werde, da aber noch keiner hier angelangt ist, so bitte ich Sie von der Gütte zu sein, und mich in bälde zu berichten, ob jemand hieher komt, oder nicht, nur daß ich mich darnach richten kann.»218

Der Verhörrichter trat auf diese Offerte ein und erteilte dem für Rongellen vorgesehenen Landjäger Michael Mutzner, den er offenbar schon vorher aufgefordert hatte, sich nach Rongellen zu begeben, und für sein Versäumnis mit der Dienstentlassung ermahnt hatte, mit, sich bei Clara Tester einzuquartieren.219

Als Beispiel für einen typischen Postenwechsel kann der Rapport des Landjägers Sixtus Seeli herangezogen werden, der Anfang April 1840 den seit November 1832 in Splügen stationierten Landjäger Johann Steger ablöste:

«[J]ou sondel a Rivaus dils 15 apriel a Spligen Cun me famella, aber par ilg Katier vai jou aung nagien a ei fortz bucca da survangir a spliga kattier a ch’ia sai jou bucca star en La usstria Cun me famella, jou vi far tut mieu pusseivel da survangier Kattier a Spliga a schilog sonel jou obligaus da ier a medels ne a suffers Cun me famella a ch’ia suplikes jou, Lelss par ina karra riesspossta cho jou hai da far.»220

«Ich bin am 15. April mit meiner Familie in Splügen angekommen, habe jedoch noch kein Quartier erhalten. [Es] ist in Splügen womöglich kein Quartier erhältlich. Weil ich mit meiner Familie im Wirtshaus nicht bleiben kann, möchte ich mein Möglichstes machen, um in Splügen [ein] Quartier zu erhalten. Andernfalls bin ich gezwungen, mit meiner Familie nach Medels [im Rheinwald] oder nach Sufers zu gehen. [Aus diesen Gründen] bitte ich um eine herzliche Antwort, [damit ich weiss,] wie ich zu verfahren habe.»

Daraufhin antwortete ihm der Verhörrichter einen Tag später, dass Seeli «wenn immer möglich» darauf achten solle, seine Unterkunft in Splügen «und zwar an der Landstraße, wen auch etwa über dem Waßer» zu beziehen. Nach Sufers dürfe er «auf keinen Fall» gehen. Eher noch komme die «Ebi» (linksrheinische Fraktion Aebi zwischen Medels im Rheinwald und Nufenen), die «Schmelze» (Eisenschmelze bei Ausserferrera) oder «Bärenburg» vor Andeer infrage.221 Auf diese Aufforderung konnte Seeli am 19. April schliesslich folgendes antworten:

«[O]ssa Cun gieg star en La usstria a stuver spender bers daners sch’i h’ai jou survangieu kattier a Spliga vi eifer La pon sper La via nuch’a in va silg Culm. da spliga vai eber stuvieu ampar metter in grond ch’eins Cassa, ebeber jou vai spronz Ca elss singiur Barron mi vienan a far Ca jou surving an qual Caussa par ilg Katier ni par gidar pagar quei Cheins Cassa. ossa autter danief vai jou nagut.»222

«Nunmehr, nach langem Verharren im Wirtshaus, wozu ich viel Geld holen musste, habe ich in Splügen Quartier erhalten, jenseits der Brücke [und] an der Strasse, die auf den Berg führt. In Splügen habe ich eben einen grossen Hausmietzins versprechen müssen, aber ich hege die Hoffnung, dass Ihr, Herr Baron, besorgen könntet, dass ich etwas Geld erhalte zur Bezahlung des Quartiers oder für den Hausmietzins. Weiters habe ich fürs Erste nichts Neues.»

Seeli hatte folglich für sich ein Quartier an der Bergstrasse zum Splügenpass genommen und für seine Familie eine Unterkunft im Dorf Splügen gefunden. Dass eine solche Lösung, wie auch die ganze Vorgeschichte bis zum Bezug einer definitiven Unterkunft, sehr kostspielig war, betonte der Landjäger explizit. Obwohl an dieser Stelle nicht eingehender auf die finanzielle Lage der Landjäger eingegangen wird, zeigt das Beispiel im Zusammenhang mit der Frage der Postenwechsel, dass eine solche Rotation aus finanziellen Gründen (sofern der Landjäger nicht im Voraus einen konkreten Posten mit einem tieferen Mietzins ins Auge gefasst hatte) nicht immer lukrativ war. Hierbei spielte auch der Transport des Hausrats eine entscheidende Rolle. Landjäger Johann Weber, dem ein Postenwechsel von Madulain (Engadin) auf die St. Luzisteig zugesichert worden war, ersuchte den Verhörrichter deshalb auch darum, «daß diese Versetzung noch beim Schlittweg erfolgen möchte», damit er seine «Robe vortheilhafter überbringen könne».223 Gemäss einer Notiz des Verhörrichters wurde ihm dies auch erlaubt.224


18 Splügen, um 1840. Aquatinta von unbekanntem Künstler. In der Bildmitte die alte Holzbrücke über den Hinterrhein mit der Verbindung zum Splügenpass in die Lombardei.


19 Ponte, um 1835. Kolorierte Aquatinta von J. J. Meyer, R. Bodmer. Im Hintergrund die Ruine Guardaval; hinter der linken Häuserzeile führt der Weg zum Albulaberg.

Aus Sicht eines formalen Polizeisystems kann festgehalten werden, dass die ideale Unterkunft drei Kriterien des Verhörrichters erfüllen musste: Erstens wünschte er einen Ort an der Landstrasse. So wurde zum Beispiel Landjäger Georg Niggli aufgefordert, «zu Runkella [Rongellen oberhalb der Viamala, M. C.] und zwar irgend in einem Haus an der Landstraße, Quartier zu nehmen».225 Zweitens sollte sich ein Landjäger, wenn in unmittelbarer Nähe eine Unterkunft vorhanden war, an einer Weggabelung postieren. Das Beispiel des Landjägers Balthasar Kocher zeigt, dass versucht wurde, beide Bedingungen gleichzeitig zu erfüllen: In seinem Rapport schrieb er, nachdem er sich in Küblis niedergelassen hatte, dass er im erwünschten Dalvazza (an der Strassengabelung Richtung St. Antönien, wo unerlaubt über das Montafon Einreisende abgefangen werden sollten) zwar vorerst keine Unterkunft gefunden habe, jedoch sei der «unterschied nicht groß», denn er sei «an der Straße» und sehe aus seinem Fenster, «was vorbeÿ paßier[e]».226 Drittens und ganz im Sinn des Hauptauftrags sollte die Unterkunft an Orten mit einer erhöhten Dichte an fremden Arbeitern und Aufenthaltern gewählt werden. Als Beispiel hierfür können die obigen Angaben des Verhörrichters an Sixtus Seeli erwähnt werden, welcher sich, wenn schon nicht in Splügen, dann in Bärenburg (Andeer) oder in der Nähe der Schmelze von Ausserferrera, wo ausländische Arbeiter im Erzabbau angestellt waren, niederlassen solle.227 Ein analoges Beispiel ist die Weisung an Landjäger Martin Casanova: Obwohl der für Roveredo bestimmte Casanova mit der Unterstützung des Kommissärs in San Vittore wegen der tieferen Miete dorthin ziehen wollte, forderte der Verhörrichter ihn auf, unbedingt in Roveredo zu bleiben:

«Da bereits ein Landjäger in St. Vittore stationiert ist, so hat Casanova ohne weiters in Roveredo zu bleiben und zu sehen wo er Quartier bekomme, allenfalls könnte er eines auf der linken Seiten der Moesa nehmen um beßer zu sehen was auf dem Weg dem Waßer nach herauf und vom Berg gegen Klevner-See [Lago di Chiavenna, M. C.] herkomme.»228

Eine Unterkunft, die sämtliche drei Kriterien erfüllte, war die Ideallösung im Sinn der Polizeileitung: Landjäger Johann Weber beispielsweise wurde aufgefordert, sein Haus so zu wählen, dass er von Ponte aus, an der Landstrasse liegend, immerwährend Sicht zum Albulaberg habe.229 Ponte lag als westlicher Teil des heutigen La Punt-Chamues-ch an einer Wegkreuzung zum Albulapass, über den die gemäss formalem Polizeisystem definierte Zielgruppe der Fahrenden und Heimatlosen zu verkehren pflegte.

Als Vermieterinnen und Vermieter treten in den Akten unter anderem Pfarrer230, ehemalige Söldner231, Handelsmänner232 oder sonstige Privatpersonen auf. Die in anderen Staaten, vor allem in Frankreich, praktizierte Unterhaltung von Mehrmannquartieren kam dagegen nicht vor. Hierin folgte Graubünden der deutschen Usanz.233 Aus Gründen der Korpsbestandsfragen und den sich gleichzeitig daraus ergebenden weiten Zuständigkeitsgebieten war ein Mehrmannquartierprinzip im jungen Kanton Graubünden letztlich gar nicht umsetzbar.

Wenn die Landjäger wegen einer grösseren Tour, eines Transports, einer Heim- oder Visitenreise nach Chur nicht in ihrer gemieteten Unterkunft übernachten konnten, schliefen sie in einer von der lokalen Obrigkeit bereitgestellten Lokalität. Je nach Situation handelte es sich um eine Schlafgelegenheit in einer öffentlichen Unterkunft234, bei Obrigkeitsmitgliedern oder auch sonstigen Landleuten. Der in Thusis stationierte Landjäger Jakob Jecklin beispielsweise berichtete, dass er während seiner Patrouille Richtung Oberhalbstein bei Landammann Josias Bergamin in Obervaz übernachtet habe.235 Die konkrete Angabe der Übernachtung machte Jecklin in diesem Fall nur deshalb, weil er sich für seine Abwesenheit in Thusis, welche durch die von Chur entsandten Landjäger Christian Haag und Georg Niggli zur Sprache gekommen war, zur Rechtfertigung gezwungen sah. Wohl um die Wahrheit seiner Aussage zu betonen, dass er während dieser Zeit auf einer Patrouille gewesen sei, unterstrich er den Namen des Landammanns von Obervaz umso dezidierter. Beispiele für die Wahl der Übernachtung bei Obrigkeitsmitgliedern finden sich sonst (von deren mehrmaliger Anwendung kann ausgegangen werden) in den Rapporten der Landjäger kaum. Dies lässt eher auf die Normalität dieses Unterfangens schliessen.

Dem Neuling Joseph Anton Schuoler, provisorischem Landjäger im Bergell, schlug der Verhörrichter vor, «auf Alpen oder bei Landleüten seine Verpflegung und Quartier» zu nehmen.236 Als provisorischer Landjäger hatte Schuoler noch keine feste Unterkunft und erhielt vom Verhörrichter einen Vorschlag, welcher sich nach der Usanz anderer Landjäger richtete. Zuweilen konnten die Polizeibeamten auch bei anderen Landjägern Unterschlupf finden. In seinem längeren Rapport beispielsweise, der in Form eines Tagebucheintrags geschrieben war, berichtete der in Scuol stationierte Landjäger Michael Mutzner dem Verhörrichter, dass er spätabends bei Landjäger Christian Grass d. Ä. in Madulain angekommen sei: «[I]ch getraute mir nicht weiter. und schaute ob ich beim Grass LJr bleiben konte den ich getroffen. und da gebliben bin.»237 In anderen Fällen suchten die Landjäger je nach Witterungslage auch Wirtshäuser auf.238 In gewissen Fällen, gerade während der Sommerzeit, schliefen sie auf längeren Reisen zuweilen auch im Freien. Landjäger Christian Bantli etwa antwortete dem Verhörrichter auf die Weisung, die Uniform möglichst immer tragen zu müssen, dass er diese nur fürs Schlafen «in der Wilde» ausziehe.239 Dem provisorischen Landjäger Jan Gees schlug der Verhörrichter, nachdem sich dieser wegen des vielen Herumrennens über die zahlreichen kostspieligen Übernachtungen in schlechten Wirtshäusern beklagt hatte, vor, allenfalls selber eine provisorische Hütte zu bauen, wie dies andere provisorische Landjäger auch getan hätten:

«Will Gees in Roveredo bleiben, so wird man antragen, daß ihm [in] alla Baßa eine Hütte errichtet werde, oder allenfalls kann er sich von Holz und Aeste selbst eine [Hütte] zur Noth machen, wie andere prov. Landjäger es auch thaten […].»240

Diese erwähnten Gewohnheiten und Vorschläge zeigen trotz ihrer immanenten Eigenschaft zur Beschreibung der Alltagspraxis, dass sie zwar nicht in proklamierter Form einer Musterlösung, jedoch durchaus im weitläufigen Bereich der aus Sicht der Polizeileitung akzeptierten Normen einzuordnen sind.



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