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2.8 Kommunikation im Dienst des Monitorings
ОглавлениеDer Informationsaustausch zwischen den Landjägern und dem Verhörrichter beziehungsweise Polizeidirektor erfolgte bekanntlich über weite Strecken mittels monatlicher Rapporte (Landjäger) und Weisungen (Verhörrichter bzw. Polizeidirektor). Die diesbezüglich überlieferten Quellen mit ihren darin enthaltenen Haupt- und Randinformationen bilden, wie in der Einleitung erwähnt, den zentralen Kern der vorliegenden Untersuchung. Ohne die tradierten Aussagen innerhalb dieses schriftlichen Kommunikationssystems, die glücklicherweise aufseiten beider Kommunikationspartner vorhanden sind, wären viele strukturgenetische und sozialgeschichtliche Aspekte des Polizeiwesens nicht mehr ergründbar.
Aus den Bestimmungen der ersten Instruktion wurde ersichtlich, dass in der Frühphase des Bündner Polizeiwesens, das heisst noch vor Einberufung des Verhörrichters als Leiter des Landjägerkorps, die lokalen Obrigkeitsmitglieder für die an den Kleinen Rat einzusendenden halbmonatlichen Rapporte zuständig waren.462 Es wurde bereits in verschiedenen Zusammenhängen erwähnt, dass die föderalistisch gesinnten Obrigkeiten insbesondere in der Frühphase des sich konstituierenden Kantons den ihnen auferlegten Zuständigkeiten nur sehr halbherzig oder überhaupt nicht nachkamen. Über den tatsächlichen schriftlichen Briefverkehr der institutionellen Entstehungsphase indes sind nur spärliche Informationen überliefert, was auch daran liegt, dass die an den Kleinen Rat eingesandten Rapporte früher oder später durch einen den damals gültigen Aufbewahrungs- und Aussortierungskriterien unterworfenen Prozess eliminiert wurden. Die Kontrolle und der Austausch von Informationen dürften angesichts der unkooperativen Haltung der Obrigkeiten entweder durch die eigenmächtige (und damit kostspieligere) Berichterstattung der Landjäger selbst, durch ihre Weitergabe von Informationen an den Korporal oder, im Fall der in Zentral- und Westbünden stationierten Landjäger, durch deren persönliches Erscheinen in Chur erfolgt sein. Obwohl sich das Korps zwischen dem Jahr 1804 und dem Antritt des Verhörrichters im Juli 1818 mehr als verdoppelt hatte, 463 waren die meisten Landjäger nach wie vor an den Zollstätten stationiert, weshalb sie sich kaum in Chur blicken lassen konnten. Die Bindung des Korporals an Chur – er war für die administrativen Verrichtungen und dann ab Errichtung des Sennhofs im Jahre 1817464 für den täglichen Betrieb des Zuchthauses zuständig – verunmöglichte diesen Übermittlungsweg, sodass die Landjäger über weite Strecken auf sich allein gestellt waren. Dieses Defizit war einer der Hauptgründe für die Einsetzung des Verhörrichters, eines eigens für das Korps verantwortlichen Leiters. Die Schaffung des Verhörrichteramtes war zugleich die Geburtsstunde einer neuen und flächendeckenderen Überwachungszentrale. Wenn schon der Kleine Rat kaum Zeit hatte, die Landjäger an ihre Pflichten zu erinnern, so wäre ein solches Monitoring vor 1818 eine regelrechte Utopie gewesen. Mit dem Ausbau des Polizeiwesens und der Einrichtung des Verhörrichteramtes jedoch entwickelte sich die systematische Erfassung jeglicher Art von Übersichtslisten und Zahlenkalkulationen zu einem wahren Kernthema modern-staatlicher Beamtendisziplinierung. Durch diese Instrumente erhielten die Landjägerrapporte eine ganz neue Bedeutungsdimension. Als Datenmaterial für den sich konstituierenden Überwachungsstaat waren sie samt den beigefügten Vagantentabellen und Signalementen465 sowie den daraus resultierenden Entscheidungen über weite Strecken überlebenswichtig. Ohne die regelmässigen Berichte über sich in den Provinzen abspielende Begebenheiten, Bevölkerungsströmungen und potenzielle Gefahrenzonen wäre die Überwachungs- und Entscheidungszentrale in Chur handlungsunfähig gewesen. Sie war auf eine möglichst konsequente und rasche Berichterstattung angewiesen. Kommunikation war insofern ein Zeichen und aus der Optik der Polizeileitung ein Beweis dafür, dass das System aufrechterhalten wurde. In der Regel wurden zu diesem Zweck monatlich, zwischenzeitlich aber auch halbmonatlich Rapporte per Postbote und ex officio nach Chur versandt.
Neben dieser schriftlichen Übermittlung konnten je nach Distanz auch mündliche Kommunikationswege zum Tragen kommen, welche entweder indirekt, das heisst mittels Nachrichtenübertragung eines ohnehin nach Chur patrouillierenden Landjägerkameraden, oder direkt durch den persönlichen Besuch beim Verhörrichter erfolgten. Letztere im Kapitel Mobilität eingehender behandelte Methode wurde von den Landjägern am Grenzzoll so gut wie nie praktiziert, sodass der Verhörrichter sie wegen seiner angeblichen Gebundenheit an Chur466 teilweise über Jahre hinweg nicht zu Gesicht bekam.467 Im Zuge des leitungsbezogenen Drangs nach systematischer Kontrolle spielte diese physische Begegnung gewissermassen eine duale Rolle – sie diente der Informationsbeschaffung ebenso wie der disziplinarischen Kontrolle. Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das formal-normative Ziel des Polizeisystems im Endeffekt bei beiden Aspekten dasselbe war: Erst durch ein Maximum an disziplinierter Polizeipraxis konnte die modern-staatliche Datenerhebung entscheidend vorangetrieben und das Monitoring des Hauptauftrags realisiert werden. Nur sofern die Landjäger den Befehlen nachkamen, waren formal-normative Anpassungen überhaupt möglich. Die alljährlich weitergeleitete Berichterstattung der gesammelten Datenerhebungen an die obersten Polizeibehörden, den Grossen und Kleinen Rat, ist insofern ein Messinstrument für geleistete Polizeipraxis. Infolge der kontinuierlichen Zuständigkeitserweiterung gegenüber der einheimischen Bevölkerung geriet auch sie im Lauf der Jahre vermehrt ins Visier des Überwachungsapparats. Im Gegensatz zur Fremdenpolizei, die in erster Linie über geleistete Korrekturmassnahmen berichtete, durften Vergehen von Einheimischen in den meisten Fällen aber nur gemeldet werden. Eine Ausnahme bildeten diejenigen Fälle, in denen die Gerichte die Hilfe oder das Eingreifen der Landjäger explizit beansprucht hatten.
Der gesamte Datenerhebungsprozess eilte den politischen Entscheidungen betreffend hauptpolizeiliche Tätigkeitsfelder also gewissermassen voraus, wobei die kommunikativen Mittel zwischen Landjäger und Verhörrichteramt beziehungsweise Polizeidirektorium diesem Prozess entscheidenden Vorschub leisteten. Im seinem ersten Amtsbericht schrieb der neue Polizeidirektor Paul Janett:
«Ein Gesetz vom Jahr 1826[468] macht die löblichen Gerichts und Hochgerichtsobrigkeiten verbindlich, alle auf ihrem Gebiete vorgefallenen Verbrechen den Kantonspolizei- und Untersuchungsbehörden sogleich mitzutheilen, doch es wird leider dieser gesetzlichen Bestimmung äußerst selten entsprochen und wenn nicht die Landjäger dazu angehalten würden, alle zu ihrer Kenntniß gelangten Verbrechen und Vergehen einzuberichten, so würde deren bekannt gewordene Zahl wohl kaum den dritten Theil erreichen.»469
Der angesprochene Artikel von 1826 stützte sich auf eine Verordnung des Grossen Rates, ausgehoben aus der Proklamation des Kleinen Rates vom 27. Juni 1811, der Publikation vom 10. Oktober 1820 und dem Abschied vom 12. Juli 1824.470 In seinem Amtsbericht hatte der Verhörrichter zudem darauf verwiesen, dass die entsprechende Aufforderung Ende 1825 in der Churer Zeitung publiziert worden sei.471 Hierin zeigt sich auch der Ansatz der Kantonsbehörden, mittels des vergleichsweise neuen und wachsenden Mediums Zeitung ein grösseres Publikum und insbesondere auch nicht amtliche Kantonsbürger zu erreichen. Im Zeitungsinserat waren denn auch entsprechend «alle Löbl. Obrigkeiten und überhaupt […] Jedermann» eingeladen und aufgefordert,
«alle vorfallende Verbrechen und Vergehen [wie] Brandstiftungen, Einbrüch[e] und Beraubungen […sowie] alle vorfallende Verbrechen und Vergehen dieser Art sogleich und möglichst umständlich […] anzuzeigen, auf verdächtige, besonders etwa herumziehende Personen ein wachsames Auge zu haben, selbe im Betretungsfall zu ergreifen, und zur weitern geeigneten Verfügung wohlverwahrt anher [ans Verhörrichteramt, M. C.] zu liefern, auf der andern Seite aber auch boshaften Ausstreuern solcher Schreckensberichte sorgfältig nachzuspüren und dieselben zur Rechenschaft zu ziehen».472
Den einfachen Landjägern wurde bei dieser Aufrechterhaltung des Sozialdisziplinierungsapparats die zentrale Rolle zuteil. Sie waren, insbesondere im Hinblick auf die Fremdenpolizei, nicht nur deren Vollstrecker, sondern, und in diesem Fall immer stärker auch betreffend die einheimische Bevölkerung, ebenso sehr die Zulieferer für fichenähnliche Kontrollsysteme.
Ohne regelmässige Kommunikation wäre das Polizeisystem entweder ineffizient wie zu vorverhörrichterlichen Zeiten oder aber ganz zum Scheitern verurteilt gewesen. Dies mag das Beispiel verdeutlichen, in dem der Verhörrichter den in Poschiavo stationierten Mark Hartmann am 22. August 1826 um Erklärung betreffend ausgebliebene Rapporte für die vergangenen vier Monate ersuchte: Man wisse «gar nicht, ob er noch am leben seÿ, oder ob und wie er seine Pflichten erfülle». Er werde ermahnt, künftighin «vorschriftsmäßig am Ende jeden Monats seinen Bericht anher abzustatten».473 Wenn der Verhörrichter Landjäger Mark Hartmann wegen ausstehender Rapporte ermahnte, ging es nicht nur um den disziplinarischen Aspekt; in seiner Zentrale in Chur hatte er ohne die Rapporte der Landjäger keine Ahnung davon, was an den Aussenposten passierte, und ohne die Rapporte war auch die Abstimmung mit den anderen Landjägern betreffend regulative Weisungen unmöglich. Wollte der Verhörrichter dieses Überwachungssystem aufrechterhalten, so war er erstens daran interessiert, dass die Rapporte regelmässig eintrafen, und zweitens, dass die Landjäger ihm möglichst viele Informationen lieferten, die ihm die Übersicht sowohl über häufige Aufenthaltsorte, Gruppengrössen und die Wege, auf denen fremde Personen ins betreffende Gebiet eindrangen, als auch über verbrecherische Taten Einheimischer verschafften. Die Landjäger wurden nicht nur an der Erfüllung ihres Auftrags, dem regelmässigen Rapportieren, sondern auch an den konkreten Leistungen gemessen. Dass Verbrecherraten und Heimatlosen- sowie Vagantenintensitäten je nach Zeit und Ort sehr unterschiedlich ausfallen konnten, blieb unberücksichtigt. Den Landjäger Paul Haag, einen der Nachfolger Hartmanns in Poschiavo, ermahnte der Verhörrichter:
34 Tabellenvorlagen für aufgedeckte Verbrechen, erfasste Deserteure und Vaganten, Chur 24. 2. 1821.
«Uebrigens […] muß man leider ihm bedeüten daß man keine besondern Beweise von seiner Thätigkeit hat; denn über den Monat 7ber erstattete er keinen Rapport überhaupt fieng er im Ganzen sehr wenige und seit langer Zeit gar keine Vaganten […] auf und entfernte sie aus dem Kanton, welches in einem Gränzhochgericht wie Poschiavo [es] ist, gewiß bei einiger Thätigkeit öfters der Fall seÿn müßte, da schon hier mehrere Vaganten betretten wurden, die über Poschiavo herkammen.»474
Dieser Leistungsanspruch musste sich auf das Verhalten und die individuellen Praktiken der Polizisten auswirken. Es wird interessant sein, diesen partikulären Vorgehensweisen in den folgenden Kapiteln nachzugehen. Jedenfalls wurde, wiederum gemessen an den eigenen Ansprüchen, das polizeileitungsbezogene Monitoring im Lauf der Jahre immer effektiver.475 Betreffend Übersicht über vorgefallene Verbrechen auf Bündner Kantonsgebiet schrieb der Verhörrichter 1828:
«In Betreff der Mehrzahl der Unthaten darf man sich schmeichlen, daß selbe nicht von wirklicher Vermehrung der Verbrechen sondern von fleisigerer Anzeige derselben durch die Landjäger herrühre, und muß nur bedauren, daß dieses selbst beÿ wichtigen Unthaten noch immer selten von den Obrigkeiten geschieht.»476
Ein weiterer Teil der im Amtsbericht erwähnten Verbrecherzahlen stützte sich auf die am Kriminaltribunal behandelten Fälle. Innerhalb dieses kantonalen Gerichts, das 1808 errichtet worden war, bildete der Verhörrichter mit dem Gerichtspräsidenten und dem Schreiber die eigentliche Untersuchungsbehörde. Anfänglich zur Verurteilung fremder Verbrecher gedacht, wurde das Gericht zusehends auch von den Gerichtsgemeinden verwendet. Dies geschah insbesondere dann, wenn ein Einheimischer ausserhalb seines Gerichts delinquent geworden war und die für ihn zuständige eigene Gerichtsgemeinde sich durch die Übersendung nach Chur eigene Gerichtskosten und Organisationsumstände ersparen konnte. Mit der Revision des Kriminaltribunals im Jahr 1823 erhielt diese Praxis ihre gesetzliche Grundlage.477 Der Transport der einheimischen Verbrecher nach Chur erfolgte teilweise durch die dafür beauftragten Landjäger, teilweise aber auch durch die jeweiligen Gerichtsweibel. Eine extreme Variante dieses ganzen bürokratischen Datenerhebungsprozesses ist in einem der Amtsberichte des Verhörrichters in Form minuziös dargestellter Tabellen erhalten geblieben.478 Als Verbrechen wurden Fälle erfasst, welche zuweilen auch ganze Gruppen umfassen konnten. Dabei beinhaltete diese Kategorie sämtliche Arten von Delikten, beginnend beim kleinen Diebstahl und endend bei Mord und Totschlag.
Unter dieser zunehmenden Kontrolle wurden Aussagen, gemäss denen viele Landjäger Vaganten ohne Eintrag durch den Kanton und über die Grenze zurückgewiesen hätten,479 immer seltener. Mit dem einsetzenden Erfolg zwangsstaatlicher Säuberung rückten auch einheimische Bettler ins Blickfeld. Sie tauchen in den Amtsberichten im Lauf der Jahre unter der spezifisch-bürgerstaatlichen Kategorie der Bündner Bettler auf. Diese sollten je länger je mehr in die für sie zuständige Heimatgemeinde zurücktransportiert werden. Trotz allen überwachungsstaatlichen Erfolgen und Bemühungen aber konnten die Polizeigremien die angestrebte Komplettübersicht bis zur Jahrhundertmitte nicht erreichen. Daran gehindert wurde das staatliche System durch die autonomen Gerichte sowie durch die beschränkten finanziellen Mittel.
35 Übersicht über die beim Verhörrichteramt des Cantons Graubünden zur Kenntniß gekommenen Verbrechen und Vergehen, deren Thäter und endlicher Ausgang im Lauf des Jahres 1835, Chur 24. 6. 1836. Erste Seite.
36 Personalstatistik im Bündner Polizeisystem 1818–1848. Entwicklung des Landjägerkorpsbestands (rechte Achsenwerte) und der Anzahl durch die Landjäger transportierter Personen (linke Achsenwerte) seit Antritt des Verhörrichters (1818) sowie der Anzahl bekannt gewordener Verbrechen (linke Achsenwerte), die unter anderem durch die Landjäger gemeldet wurden.
Bis zu einem bestimmten Grad kann bei den Leistungsquoten ein gewisser Rückkoppelungseffekt festgestellt werden: Je mehr Fälle rapportiert wurden, desto einfacher konnte von den obersten Polizeibehörden der höhere Bedarf an Landjägern begründet und durchgesetzt werden. Ein vergrössertes Korps konnte dann wiederum mehr Personen festsetzen und erfassen. Besonders deutlich wird dieser Effekt bei der im Hinblick auf das neue Armengesetz erfolgten Anstellung der sechs provisorischen Landjäger.480 Dieses liess, wie dem Diagramm zu entnehmen ist, die Zahl der gemeldeten Bettlertransporte markant in die Höhe schnellen. Ob nun die von verschiedenen Landjägern berichtete ungenügende Befolgung des Armengesetzes für mehr Transporte gesorgt haben könnte, ist anzunehmen, jedoch kaum abschliessend nachzuweisen. Der in Scuol stationierte Landjäger Christian Grass d.Ä. jedenfalls schrieb 1841:
«[A]ls daß muß ich ihnen Mälden daß Arme Leüt zu mir gekomen sind, welche klagbar gegen ihrer Gemeinde sind, daß man ihnen keine unter Stüzung wolle zu komen laßen, sonderen Sie heiße Bätlen gehen. [/] ich hab es denen H. Comissärs angezeigt aber es wird wenig frucht bringen.»481
Dem sich mit ähnlichen Worten äussernden Landjäger Balthasar Kocher antwortete der Verhörrichter:
«[W]er sich zum 3ten Mal betretten läßt, kommt nach dem Gesez auf Kosten seiner Gemeinde ins Kantonal Arbeitshaus nach Furstenau. Dieses wird auf die Gemeinden und auf die Bettler selbst am besten wirken, daß sie das Gesez gehörig befolgen.»482
Obwohl die Anzahl einfliessender Informationen betreffend Wegschaffung fremder Bettler gegen die Jahrhundertmitte stark abgenommen hatte, blieb die Zahl der transportierten einheimischen Bettler auf konstant hohem Niveau oder stieg sogar nochmals an. Im Gegensatz zur gegenüber fremden Bettlern praktizierten Abschiebungspolitik liess sich die Lösung der einheimischen Vagantenfrage mit dieser simplen Taktik nicht bewerkstelligen. So schrieb der neue Polizeidirektor Janett im Juni 1849:
«Die Zahl der Bezirkslandjäger müsste auf das Dreifache erhöht werden, wollte man das Bettelwesen ganz unterdrücken und dann noch wäre es kaum möglich so lange das Hausiren mit Kleinigkeiten […] nicht ganz verboten ist. […] Das einzig wirksamste Mittel gegen diesen Krebsschaden ist, denselben in seinem Ursprung, in der Wurzel zu heilen. Die löblichen Gemeinden sollen für jeden hülflosen Armen soweit sorgen, dass ihm die Nothwendigkeit zum Bettel benommen ist […,] wodurch man überdies den unerlässlichen Vortheil wieder erlangen würde, dass die Landjäger ihrer eigentlichen Bestimmung für die Fremdenpolizei nicht mehr so sehr entzogen würden, als jetzt durch das beständige Betteljagen der Fall ist.»483
Die Bettlerfrage sollte mit der Entstehung des Bundesstaats und dem darauf folgenden Heimatlosengesetz von 1850 eine neue Ebene erreichen. In der Folge wurden alle als angehörig geduldeten Bündner, welche bis anhin an ihrem Ort nicht die vollumfänglichen Bürgerrechte besessen hatten, formalrechtlich eingebürgert.484