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Regel Nr. 3 „Einfachheit ist das Schwierigste von allem.“

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„Je schlechter der Tabellenplatz einer Mannschaft ist, desto weniger spielen sich die Spieler den Ball zu, weil sie beweisen wollen, wie gut sie sind.“

Kehren wir noch einmal zur Einfachheit zurück. Als ich zur Schule ging, schätzte ich besonders die Lehrer, denen es gelang, mir Konzepte mit einfachen Worten begreiflich zu machen. Möglicherweise hatte ich am Nachmittag des Tages zuvor viele Stunden vergeblich damit verbracht, mir schwer zugängliche Theorien einzuprägen. Am nächsten Vormittag gelang es mir dann wundersamerweise, diese zu verstehen, und zwar dank einiger sehr fähiger Lehrer, die sie mit aller Einfachheit zu erklären wussten. Ich erinnere mich noch heute sehr gerne an sie.

Im Fußball Einfachheit zu unterrichten, ist das Schwierigste von allem. Durch sie kann man wichtige, grundlegende Konzepte – ohne die alles sehr viel komplizierter wird – verstehen und anwenden. Sie sind wie das Fundament: Wenn du es nicht solide baust, wirst du darauf nichts Stabiles errichten können. Es mag paradox erscheinen, aber im Fußball ist es folgendermaßen: Die echten Champions tun einfache Dinge. Im Kapitel zu Regel Nr. 2 bin ich auf meine Aversion gegenüber der Ansicht, Fußball sei eine exakte Wissenschaft, eingegangen und habe dabei betont, wie sehr unsere Welt von unvorhergesehenen Ereignissen beherrscht wird. In diesem Zusammenhang möchte ich euch von einem persönlichen Erlebnis berichten, um meine Denkweise verständlicher werden zu lassen. Vor nicht allzu langer Zeit war ich, wie es ab und zu vorkommt, zu einem Abendessen mit Akademikern eingeladen. Es waren also sehr gebildete, kulturbeflissene Leute zusammengekommen: Wissenschaftler, Professoren, Ärzte, anerkannte Fachleute. Ich gestehe, das ist nicht mein bevorzugtes Umfeld, da ich in Gegenwart von gebildeten Gesprächspartnern immer etwas zurückhaltend bin. Andere Situationen sind mir lieber, zum Beispiel, wenn ich meine Freunde treffe, wie es jede Woche nach einem Spiel der Fall ist. Denn bei dieser Gelegenheit sprechen wir ungezwungen, lachen und nehmen uns gegenseitig auf den Arm.

Ich spreche eigentlich sehr gerne, doch in formelleren Situationen gelingt es mir nicht, aus mir herauszugehen, und es fällt mir sehr viel schwerer, mich am Geschehen zu beteiligen. Doch bei einer Gelegenheit wie der eben beschriebenen ist es, da ich relativ bekannt bin, fast unvermeidlich, dass einer der Tischnachbarn früher oder später sein Spezialgebiet verlässt, um auf meines zu sprechen zu kommen. Zunächst sagt er vielleicht zu mir, dass er ein Fan der Fußballmannschaft sei, die ich gerade trainiere, oder er stellt mir zumindest Fragen zu diesem oder jenem Spieler aus meinem Team. Wir landen also, auch wenn der eine Ingenieur, der andere Physiker, der dritte Mathematiker und der vierte Architekt ist, fast immer beim Thema Fußball. Das verstehe ich auch, denn ich würde dasselbe tun: Wenn ich zum Beispiel mit Vasco Rossi bei einem Abendessen zusammensäße, wüsste ich auch gerne, wie der Song Sally (einer meiner Lieblingssongs) entstanden ist und welches Stück der großartige Rocksänger aus der Emilia am liebsten live singt.

Doch an jenem Abend verlagerte sich das Gespräch auf – zumindest für mich – interessantere Themen, und das fiel mir positiv auf. Ein junger Arzt, ein Onkologe, sagte irgendwann überraschenderweise zu mir, dass meine Arbeit schwieriger sei als die eines Wissenschaftlers, wie er einer sei, der wissenschaftliche Ergebnisse erzielen wolle. Und er stellte seine Ansicht sehr überzeugend dar: Für einen Fußballtrainer gebe es seiner Meinung nach sehr viel mehr Variablen. Vor allem aber sei es ein schwieriger Beruf, da ich mit Menschen, und nicht nur mit einem einzigen, sondern mit gut 25, zu tun habe und mich nicht auf irgendwelche wissenschaftlichen Methoden stützen könne, da man in meinem Forschungsgebiet sozusagen nichts reproduzieren könne.

Ich bedankte mich bei diesem Arzt sehr für seine Einschätzung und erwiderte, dass ich meine Entscheidungen oft intuitiv fällen würde und es tatsächlich keine Garantie dafür geben würde, dass sie immer zu denselben – positiven wie negativen – Resultaten führen würden. Die verrückten Variablen sind ein wesentlicher Bestandteil unseres Lebens, und darin, dass er sie akzeptieren kann, unterscheidet sich ein Erwachsener von einem Kind. Wer hätte zum Beispiel je gedacht, dass ein erfahrener Spieler wie Patrice Evra (108 Einsätze bei Champions-League-Spielen) durch einen ganz banalen Ballverlust auf dem Spielfeld des FC Bayern München in der 91. Minute die Qualifikation wieder in Gefahr brächte, und das nach einer unglaublichen Aufholjagd?

An jene Wochen im Frühjahr 2016 erinnere ich mich noch sehr gut und sehr gerne, da in diesem Jahr von Saisonbeginn an alles Mögliche passierte. Auch im Rückblick bin ich nach wie vor davon überzeugt, dass die damalige Juventus-Mannschaft, die dann letztlich im Achtelfinale der Champions League ausscheiden musste, sehr viel eher das Zeug dazu gehabt hätte, ins Endspiel zu kommen, als so manch andere Formation der Bianconeri, die vorher oder nachher kam. Das mag widersprüchlich klingen, dessen bin ich mir bewusst, da wir im Jahr zuvor ins Finale gekommen waren und auch im Jahr danach erst am Ende des letzten Akts verloren hatten. Doch diese zweifache Begegnung mit dem FC Bayern, der meines Erachtens auch stärker war als die Mannschaft, die den Wettkampf letztlich gewann, zeigte mir, dass wir auf dem richtigen Weg waren und dass Juventus Turin nicht als „Eindringling“ in die europäische Mannschaftselite gesehen werden durfte und das auch nie sein würde: Es war ein Team, das im Jahr zuvor per Zufall ins Finale gekommen war, das sich dann aber erneut mit widersprüchlichen Ergebnissen herumschlagen musste, wie es aber auch anderen Mannschaften wie zum Beispiel Borussia Dortmund, dem AS Monaco, gewissen englischen Mannschaften und auf andere Weise dem Atlético Madrid geschehen ist.

Obwohl wir uns gut gegen Manchester City, den FC Sevilla und Borussia Mönchengladbach geschlagen hatten, hielt man uns immer noch für Eindringlinge. Vom ersten Tag in Turin an ist es immer mein Ziel gewesen, Schritt für Schritt bis zum Viertelfinale des höchsten europäischen Wettbewerbs vorzustoßen. In einem Jahr läuft es gut, im nächsten möglicherweise schlecht, aber wenn du ins Viertelfinale einziehst, bedeutet das, dass du angekommen bist, dass du dich auf dem Niveau von Real Madrid, des FC Barcelona und des FC Bayern, also der einzigen Mannschaften, die seit 2013 die Champions League gewonnen haben, befindest.

Im Achtelfinale spielten wir als Erstes gegen den FC Bayern München.

Das Spiel wurde auf unserem Spielfeld ausgetragen und fand in einem für uns sehr günstigen Moment statt. Es war Ende Februar, wir hatten gerade eine Phase hinter uns, in der ein Sieg auf den anderen gefolgt war. Das ließ uns die berühmt-berüchtigte Niederlage von Sassuolo endgültig vergessen, auch wenn wir vor dem Hinspiel gegen die Deutschen in Turin durch ein 0:0 gegen den FC Bologna gestoppt wurden. Zuvor hatten wir den SSC Neapel geschlagen, waren an die Spitze der Qualifikationstabelle der italienischen Meisterschaft gerückt und hatten uns im Hinspiel des Coppa-Italia-Halbfinales mit 3:0 gegen Inter Mailand durchgesetzt. Seit der Weihnachtspause hatten wir 19 Tore geschossen und nur ein einziges in Genua von Antonio Cassano beim Sieg über Sampdoria Genua kassiert.

Josep Guardiolas FC Bayern war natürlich ein Gegner, der aus einem anderen Holz geschnitzt war, doch wir hatten großes Vertrauen und bereiteten uns ganz gelassen auf das Spiel vor. Im Wesentlichen konzentrierten wir uns bei Mario Mandžukić auf die flachen Bälle, der sich je nachdem, wie sich die Aktion entwickelte, entsprechend auf dem Spielfeld bewegen musste. Das war nicht unbedingt ein genialer Einfall, es war schlicht die Basis unseres Spiels.

Nun, in der ersten Spielzeit funktionierte es überhaupt nicht. Und wenn ich „überhaupt nicht“ sage, meine ich das auch genau so. Meine Jungs waren viel zu zaghaft. Es war ein einziger Albtraum! Arjen Robben, Douglas Costa, Thiago Alcántara, Arturo Vidal und David Alaba kamen von allen Seiten. Sie griffen uns an, und wir kamen über die Mittellinie nicht hinaus. Woran sich viele Fußballfans jedoch nicht mehr erinnern, ist, dass wir ihr Tor erst gegen Ende der ersten Halbzeit kassierten, ich glaube sogar erst in der 43. Minute. Dieses Tor von Thomas Müller habe ich noch nicht einmal gesehen. Denn da war ich schon seit ein paar Minuten damit beschäftigt, mir zu überlegen, was ich meinen Jungs sagen sollte und wie ich es tun sollte. Denn es war klar, dass wir, wenn wir so weiterspielen würden, nicht mehr lange standhalten konnten. Ach ja, ich vergaß noch zu erwähnen, dass sich dann auch noch Claudio Marchisio verletzte.

Das Problem war, die richtige Kommunikationsweise zu finden. Sollte ich brüllen wie damals, als ich als Trainer des AC Mailand in Lecce vor drei in der ersten Halbzeit kassierten Toren stand, oder sollte ich den Spielern die Möglichkeit geben, sich abzureagieren. Viele denken, dass einem Trainer eine Viertelstunde zur Verfügung steht, um mit seiner Mannschaft zu sprechen. Doch ich sage euch aus Erfahrung, dass er nicht mehr als drei Minuten hat. Du kannst dich mit so vielen Tafeln dort hinstellen, wie du willst – man hat mir auch schon erzählt, dass manche Trainer bereits Videos parat haben, um die Megafehler zu zeigen –, doch es sind und bleiben drei Minuten.

Ich blickte den Jungs in die Augen und sah dort mehr Frust als Hoffnungslosigkeit. Es war nicht dieser Pessimismus, der dich in der zweiten Halbzeit negativ beeinflussen kann. Ich verrate euch jetzt noch nicht, was genau damals in der Umkleide geschehen ist. Das will ich erst im Zusammenhang mit einer weiteren Regel tun, nämlich dass man sich bei Mitteilungen an die Spieler auf das Wesentliche beschränken sollte. Ich will nur erwähnen, dass ich ganz ruhig zu sprechen begann und dabei – wie ich das immer schon getan habe – einfache Konzepte zu vermitteln versuchte.

In der zweiten Halbzeit eroberten wir nach und nach das Spielfeld zurück, doch nach einem Ballverlust gelang es der Mannschaft nicht, den Konter des FC Bayern zu stoppen, der dann mit dem zweiten Tor für die Bayern – von Arjen Robben – endete. Es war ein typisches Robben-Tor, von der Außenbahn nach innen gezogen: Im Laufe seiner Karriere hat er vermutlich schon Hunderte von Toren auf diese Weise geschossen. In diesen Momenten, in denen es im Stadion still wird und du spürst, wie die Stimmung unter den Gefrierpunkt sinkt, ist es sehr wichtig, den Jungs Mut zuzusprechen, denn vor einem 0:2 zu stehen gegen einen sichtlich stärkeren Gegner, ist nicht so ganz das, was man sich von einer Mannschaft erwartet, die im Jahr zuvor das Finale der Champions League bestritten hatte.

Schon als Jugendlicher habe ich jedoch eine Entscheidung getroffen: Lass dich niemals von Negativität oder von Pessimisten beeinträchtigen, da sie dir nur Energie rauben und sich dies letztlich auf deine Arbeit auswirken wird. Als die Jungs das Mittelfeld zurückeroberten, habe ich genau „gesehen“, wie sich dieses Spiel entwickeln konnte. Ich hatte Vertrauen, da wir endlich den Ball halten konnten und vor allem die direkten Zweikämpfe gewannen. Und tatsächlich, nach etwa zehn Minuten kam der Ball in unsere Angriffszone, Mario Mandžukić gewann einen Zweikampf und lieferte Paulo Dybala die Vorlage zum 1:2. Paul Pogba gewann einen weiteren Zweikampf, und durch eine großartige Mannschaftsaktion kam es zum Ausgleich durch Stefano Sturaro.

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