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Man muss an der analytischen Technik und an der Individualtaktik arbeiten.

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Was also kann ein Trainer tun? Auf folgende Details sollten wir uns alle – mich eingeschlossen – konzentrieren: Man muss jedem einzelnen Spieler beibringen zu decken, zu schauen, wohin der Gegner den Ball abgeben kann, und zu begreifen, dass man, wenn die gegnerische Aktion sehr elaboriert ist, immer einen Moment warten sollte, bevor man mit der Deckung anfängt. Wenn hingegen die gegnerische Aktion relativ schnell abläuft, muss man auch das Tempo der Deckung steigern. Wenn man jedoch aus einem Sieg Kapital schlagen oder mit einem Sieg in der Tasche nach Hause fahren will, müssen die Jugendlichen – oder auch erfahrene Spieler wie die meinen – unbedingt lernen, wann man den Rhythmus steigern und wann man ihn verlangsamen muss bzw. wann es ratsam ist, den Ball auf die Tribüne zu schießen, oder wann es besser ist, den Ball zu spielen und das Spiel aufzubauen.

Ein paar praktische Beispiele gefällig? Wenn ich selbstständig denkende Spieler habe, könnte eine aktive Antwort auf meine Vorgabe: „Löst euch von eurer Zone“ darin bestehen, „Situationen vorauszusehen“. Ebenso werden die Spieler, wenn ich sie mir zu denkenden Spielern heranziehe, die Fähigkeit entwickeln, „alternative Verhaltensweisen“ zu kreieren.

Doch fahren wir fort. Ich mag es, wenn jemand aus dem Fußballjugendsektor sagt: „Man muss den Jugendlichen das Spielen beibringen.“ Für die Jüngeren stimmt das sicherlich, aber sie müssen unbedingt auch verstehen, dass man hin und wieder den Ball auf die Tribüne schießen muss, wenn man ein Spiel gewinnen will. Um dies zu erreichen, müssen sie darin trainiert sein, in einer solchen Aktion eine mögliche und folglich machbare Alternative zu sehen. Denn wenn man die Jugendlichen nicht dazu erzieht, selbsttätig zu denken, werden sie allesamt zu hirnlosen „Zuchthühnern“: Man jagt sie auf ein Spielfeld, man schaut sich ihre Spiele an, doch diese scheinen alle gleich zu verlaufen.

Ich weiß, dass viele denken, ich stünde mit meinen Kollegen von anderen großen Mannschaften in einem ständigen Meinungsaustausch über unterschiedliche Fußballtaktiken und ihre Einsatzmöglichkeiten. Falsch! Ich bin nach wie vor der Meinung, dass Letztere eigentlich keinen Nutzen haben. Die technischen Aspekte, die Kinder noch nicht kennen, sind vor allem die Spielzeiten und das Sich-Freispielen. Ein Trainer sollte sich also nicht so fühlen, als habe er sich nicht selbst verwirklicht, wenn er eine schlichte Trainingseinheit zum Thema Ballbesitz oder ein kleines Match von 40 Minuten anberaumt, denn in beiden Fällen kann man eventuelle Fehler der Spieler korrigieren. Es ist viel zu einfach, sie in statischen Situationen zu korrigieren, man muss das in dynamischen Situationen tun. Manchmal macht man Übungen mit Trainingsdummies, und vielleicht kommt unser Stürmer auf den Dummy zu und stoppt den Ball schlecht. Im Training hat das keine weiteren Folgen, doch wenn dies während eines Spiels geschieht, gelingt es dir nicht nur nicht, ein Tor zu schießen, sondern der Verteidiger nimmt dir auch noch den Ball ab und reagiert mit einem Konter. Fußball ist kein Spiel nach Schemata wie Volleyball, bei dem die beiden Mannschaften noch nicht einmal Kontakt haben, da sie durch ein Netz voneinander getrennt sind, oder wie Basketball, bei dem Schemata unerlässlich sind. Ich will damit sagen, dass Fußball nie ein wissenschaftlicher Sport sein wird, wie es uns alle glauben machen wollen.

Im Laufe meiner 15-jährigen Trainerkarriere konnte ich hin und wieder beobachten, wie die Trainer von Jugendmannschaften arbeiten, und zwar nicht nur in den Vereinen, in denen ich Trainer war. Ich liebe Fußball und schaue mir gerne Fußballspiele auf jedem beliebigen Niveau an. Ihr habt keine Vorstellung, wie oft ich hochqualifizierte Trainer gesehen habe, die während der Woche die Bewegungen ihrer Mannschaft mit 10-gegen-0-Übungen eingeübt haben, also ohne reale Gegner. Das machen auch wir bei Juventus Turin so: die zehn Stammspieler auf dem Spielfeld mit fünf Dummies und dem Torwart. Wir sprechen also von Vollprofis, von Spielern, die mit dem Ball mehr oder weniger alles tun können, was sie wollen. Nun, bei dieser Übung gelingt es selbst den Profispielern nur bei drei von zehn Versuchen, ein Tor zu schießen. Ihr könnt euch vorstellen, was geschieht, wenn man dasselbe Training mit einer Anfängermannschaft macht …

Und doch erzählen mir Kollegen, dass man häufig derartige Anweisungen hört: „Du kommst dorthin, dann spielst du den Ball dem Mittelstürmer (Nr. 9) zu, der wiederum spielt ihn dem Rechtsaußen (Nr. 7) zu, in diesem Moment rennt der Außenverteidiger (Nr. 2) an der Seitenlinie los und legt quer zum Mittelstürmer im Strafraum, während der Linksaußen (Nr. 11) in die lange Ecke zieht.“ Ist das zu glauben? Das sagt man zu 12-Jährigen!? So etwas macht mich wahnsinnig! Und dann geschieht es, dass der Mittelstürmer während des Spiels allein ist und sich zum Tor drehen und ein Tor schießen könnte, doch stattdessen spielt er brav den Ball dem Rechtsaußen zu, weil der Trainer es ihm so eingebläut hat. Oder der halblinke Stürmer (Nr. 10) schafft es, drei Angreifer abzuschütteln, und könnte ein Tor schießen, doch er entscheidet sich, den Ball dem halbrechten Stürmer (Nr. 8) zuzuspielen, weil er dieses „Schema“ am Tag zuvor mehrfach geübt hat. Und was passiert dann möglicherweise? Sein Mitspieler macht vielleicht einen Fehler bei der Ballkontrolle oder der Verteidiger kommt ihm zuvor … Und dann hat der Trainer noch die Frechheit, wütend zu werden. So etwas ertrage ich nicht, auch nicht in der 1. Liga, geschweige denn, wenn Kinder involviert sind. Allzu häufig gehen die Kreativität und die Fähigkeit, Spielsituationen einzuschätzen, verloren, weil die Statistiken dir sagen, welche schematische Bewegung am besten funktioniert. Wir bringen der Verteidigung bei, den Stürmer (Nr. 10) zu doppeln, mit dem Ergebnis, dass der Verteidiger nie lernen wird, allein zurechtzukommen, und der Stürmer aus Angst vor einem Ballverlust lieber einen Rückpass macht: Auf diese Weise haben wir zwei Spieler weniger für andere potenzielle Verteidigungslösungen. Wir ziehen uns Zuchthühner heran, die nicht eigenständig denken und Situationen nicht erkennen können.

Ich bin Jahrgang 1967 und ich bin dennoch kein Nostalgiker. Wie alle in diesem Alter trauere ich jedoch den Zeiten nach, in denen ich mit einem halb platten Ball in Pfützen spielte und kratzige Wollunterwäsche trug. Die Kinder von heute haben so viel mehr Möglichkeiten und Chancen als wir damals. Man darf sich auf keinen Fall Spieler und Trainer heranziehen, die nichts anderes als Hühner in einer Legebatterie sind. Denn sonst denken die Spieler nicht mehr selbst und man nimmt ihnen ihre Kreativität. Die Trainer sind ihrerseits weniger einfallsreich, weil sich ihre Arbeitsweise auf Situationen stützt, in denen sie sich sicher fühlen und die in ihren Augen den Beruf des Trainers aufwerten. Sie fühlen sich herabgesetzt, wenn man von einfachen Dingen spricht, sie fühlen sich jedoch wichtig, wenn sie über Schemata diskutieren können.

Zum Schluss: Der Wochentag, an dem oben Genanntes besprochen werden kann, könnte ein Montag oder ein Dienstag sein. Denn wir sprechen von Grundkonzepten und tun gut daran, diese in der Vorbereitungsphase auf jegliche zu behandelnde Thematik zu klären. Seid lebendige Spieler und keine Replikanten wie im Film Blade Runner!

Was andere über mich sagen

Federico Bernardeschi

„Er hat die Fähigkeit, die Mannschaft zu führen, er versetzt sich in jeden einzelnen Spieler hinein, um zu verstehen, was dieser effektiv tun muss.“

Gigi Buffon

„Allegri hat ein neues Bild von Juventus Turin erschaffen. Hin und wieder gelingen ihm diese Wunder; ich habe keine Ahnung, wie er das macht, ich weiß nur, dass sie ihm gut gelingen. Wir beglückwünschen ihn und uns, die wir vollen Einsatz zeigen.“

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