Читать книгу Es ist alles ganz einfach - Massimiiano Allegri - Страница 6
Vorwort
ОглавлениеLiebe Sportbegeisterte, liebe Fußballfans,
mein Name ist Massimiliano Allegri, ich bin ein waschechter Livorneser, ein Toskaner, und bin stolz darauf, aus der Region zu stammen, deren Dialekt unsere reichhaltige und melodische Sprache durch Größen wie Dante, Petrarca und Boccaccio entscheidend geprägt hat. Nach fast 40-jähriger Wettkampftätigkeit – zunächst als Spieler, später als Trainer – habe ich beschlossen, meine Notizen hervorzuholen, die mich auf dieser Reise, auf der ich stets einem Fußball gefolgt bin, begleitet haben. Aufgrund dieser Notizen finde ich heute die Kraft und den Mut, meine Erfahrungen aufzuschreiben und sie mit euch zu teilen. Dieses Buch stellt im Grunde genommen einerseits ein Bekenntnis all dessen dar, was ich im Fußball und in der Fußballwelt gelernt habe, andererseits beschreibt es aber auch die praktische Anwendung dieser Lerninhalte. Diese sind so sehr zu einem Teil von mir geworden, dass ich nun meine eigene Philosophie und mein eigenes Fußball- und Sport-Credo vorlegen kann.
Damit möchte ich mich nicht auf ein Podest stellen. Dieses Buch ist aus einem Bewusstsein heraus entstanden, das dank meiner Fehler, die ich wie alle anderen im Laufe meiner Karriere unvermeidlicherweise begangen habe, gereift ist. Es waren sogar vor allem die Fehler, die mich im Laufe der Jahre wachsen ließen: Mehr als einmal habe ich durch sie verstanden, dass ich die Theorien, von denen ich fest überzeugt gewesen war, die sich dann jedoch als ineffizient herausgestellt hatten, zumindest überprüfen, wenn nicht gar ganz über den Haufen werfen musste.
Die Art und Weise, wie ich als Trainer einer Fußballmannschaft arbeite, basiert in Teilen auf meinen persönlichen Erfahrungen, aber nicht nur: In meinem Leben war auch die Auseinandersetzung mit Kollegen enorm wichtig – sowohl mit anderen Fußballspielern (in der Zeit, als ich selbst noch im Fußballtrikot auf dem Spielfeld stand) als auch später mit Trainern, mit denjenigen also, die heute meine Kollegen sind. Ich bin nämlich fest davon überzeugt, dass es für einen guten Fußballtrainer unabdingbar ist, sich vor allem mit demjenigen gründlich auseinanderzusetzen, den man im Sport als „Gegner“ bezeichnet. Ich habe versucht, in diesem Umfeld von allen zu lernen, indem ich mich wie ein kleines Kind, das Erfahrungen sammeln und lernen möchte, um immer besser zu werden, mit offenen Augen umgesehen habe.
Ich fasse zusammen: Diese lange Reise hat für mich bei meiner persönlichen Erfahrung als Spieler begonnen. Ich habe dabei akzeptiert, „an der Front“ zu sein, also Sport in der ersten Reihe zu treiben und immer und überall den Kopf hinzuhalten. Nur so konnte ich meine, sagen wir: Datenbank füllen, deren Inhalte mir nun sehr zugute kommen und sich unter dem Begriff „Erfahrung“ zusammenfassen lassen. Hinzu kam, wie schon erwähnt, meine große Bereitschaft, mich mit meinen Gegnern und Kollegen auseinanderzusetzen.
Doch hier ist noch ein dritter wichtiger Aspekt zu nennen, der mir ganz besonders am Herzen liegt. Neben der persönlichen Erfahrung und der Auseinandersetzung mit dem Gegner habe ich auch immer versucht, besser zu werden und durch die Lektüre von Büchern und Fachzeitschriften sowie die Teilnahme an Kongressen auf dem neuesten Stand zu bleiben. All das tat ich, um als Trainer frei zu sein.
Ich glaube nämlich, dass aus Wissen Freiheit entstehen kann: Je besser man eine Materie beherrscht, desto eher kann man Entscheidungen treffen, die auf einer freien Wahl beruhen und nicht von Zwängen geprägt sind.
Ich habe viel über Fußball gelesen, aber nicht nur darüber. Denn meiner Ansicht nach ist die Leitung eines Teams – damit sich Letzteres in eine „echte Mannschaft“ verwandelt – nur möglich, wenn man Führungsqualitäten besitzt, die über eine rein technische Kenntnis des Spiels hinausgehen. Aus diesem Grund habe ich wiederholt an Weiterbildungskursen für Führungskräfte teilgenommen. Eine Fußballmannschaft unterscheidet sich meiner Überzeugung nach nämlich nicht so sehr von einem Management-Board einer großen Firma, in dem jeder seine Aufgabe zu erfüllen hat und das Endergebnis auf die Arbeitseffizienz jedes einzelnen Mitglieds zurückzuführen ist bzw. von ihr abhängt. Gestattet mir, dass ich an dieser Stelle ein Beispiel nenne und hierfür einen Kollegen zitiere: Als ich einmal einen Artikel über Basketball las (denn auch vom Basketball kann man sehr viel lernen), war ich von einer Metapher fasziniert, die ein großer Trainer verwendete, um seine Starting Five – also die ersten fünf Spieler in der Startaufstellung – auf ein wichtiges Spiel einzustimmen. Dieser Trainer, dessen Namen ich hier nicht nennen will, sprach zu den Spielern, als entspräche jeder von ihnen einem Finger an der Hand. Zum Point Guard bzw. Playmaker sagte er zum Beispiel: „Also, du bist zwar der Kleinste, aber auch derjenige, der den Ball mehr als die anderen in der Hand hat. Denn deine Aufgabe ist es, das Spiel aufzubauen. Du bist wie der kleine Finger: Eigentlich scheinst du weniger wichtig als die anderen zu sein, aber versucht einmal, etwas ohne die Unterstützung des kleinen Fingers in der Faust zusammenzudrücken, und ihr werdet sehen, dass der Griff um einiges schwächer ist, als wenn ihr alle fünf Finger dazu verwendet. Dasselbe gilt auch für euch anderen vier: Der Mittelfinger ist wie ein Pivotspieler, er ist der längste Finger. Versucht, eine Faust ohne den Mittelfinger zu machen: Die Hand hat nur halb so viel Kraft. Und der Zeigefinger, der dem Shooting Guard entspricht? Welche Art von Griff kann eine Hand ohne Zeigefinger haben? Dasselbe gilt für den Ringfinger, einen weiteren wichtigen Finger. Der Daumen schließlich, der plump und manchmal sogar sperrig wirkt, umschließt die anderen Finger, er hält sie an ihrem Platz und verwandelt die Hand in eine uneinnehmbare Festung.“ Diese Metapher konnte einen Livorneser wie mich nicht gleichgültig lassen, unter anderem deshalb, weil Livorno eine wichtige Rolle in der Geschichte des italienischen Basketballs gespielt hat.
Fußball, wie auch Basketball, ist wie eine glänzende Maschine, die sich aus vielen Einzelteilen zusammensetzt. Es wird nie der einzelne Spieler gewinnen, sondern die Mannschaft in ihrer Gesamtheit. Ganz im Gegenteil, die Mannschaft strahlt auf dem Spielfeld die Effizienz des gesamten Vereins aus, inklusive Angestellte und Hilfsarbeiter (und ist für Zuschauer und Journalisten der sichtbarste Ausdruck hierfür). Eine Mannschaft, die keinen gut funktionierenden Verein hinter sich stehen hat, wird vielleicht ein, zwei oder auch drei Spiele gewinnen können, aber sie wird entsetzliche Anstrengungen unternehmen müssen, um sich für eine Meisterschaft oder einen wichtigen europäischen Wettbewerb qualifizieren zu können. All diese Bildungsphasen haben den Massimiliano Allegri von heute erschaffen, einen Mann und Trainer, der nichts anderes ist als die Summe seiner Erfahrungen, die er im Bewusstsein und dem Wunsch, immer besser zu werden, gemacht hat. Genau deshalb versuche ich erst jetzt (und dabei packt mich verständlicherweise schon etwas der Ehrgeiz), meine Grundgedanken zu Papier zu bringen. Nicht nur deshalb, weil scripta manent („das Geschriebene bleibt“), wie die Römer sagten, sondern um einer größeren Klarheit in der Anwendung willen.
Wenn ich mir einen intellektuellen Anstrich geben wollte – und ich versichere euch, dass das nicht in meiner Absicht liegt –, würde ich sagen, dass das Folgende wirklich meine Philosophie bzw. meine Sichtweise des Sports im Allgemeinen und des Fußballs im Besonderen darstellt. Nun mag sich vielleicht der eine oder andere fragen: Warum schreibt Allegri erst jetzt darüber, was er in fast 40 Jahren auf dem Fußballfeld gelernt hat? Die Antwort ist ganz einfach: Weil es mir erst jetzt gelingt, die Inhalte meines Fußballunterrichts und meine Unterrichtsweise exakt darzustellen. Genau deshalb habe ich beschlossen – bestärkt durch das Befürworten einiger Menschen, die mich gut kennen –, dass nun für mich der Moment des Schreibens gekommen ist, um ein greifbares Zeugnis meines Trainerdaseins zu hinterlassen. In diesem Buch findet ihr die Darlegung meiner Grundregeln, ihrer Anwendung in Situationen, die ich in all diesen Jahren tatsächlich erlebt habe, sowie auch die Beschreibung der wichtigsten Zeitkoordinate eines Fußballtrainers: der Wettkampfwoche.
Das versuche ich noch etwas genauer zu erklären: Das Leben eines Trainers eines Erstligisten, wie ich es bin, besteht aus einer Abfolge von Situationen, die sich je nach Dringlichkeit und Notwendigkeit wöchentlich wiederholen und immer gleich sind. Manchmal stehen auch Fernsehauftritte an, doch sonntags steht der Fußballtrainer mit seinen Jungs auf dem Spielfeld, um das jeweilige Spiel in Angriff zu nehmen. Montag ist also Ruhetag, ab Dienstag bespricht man, wie es im letzten Spiel gelaufen ist, und das Match, das der Mannschaft am nächsten Wochenende bevorsteht.
Ich möchte euch nun meine „typische Woche“ vorstellen, unterscheide dabei aber zwischen zwei Arten von Wochen: der Woche mit internationalen oder nationalen Verpflichtungen und der normalen Woche, bei der nur Meisterschaftsverpflichtungen anstehen. Im Fußball von heute tritt, wie ihr wisst, der erste Fall sehr viel häufiger ein, da andere Veranstaltungen wie die Coppa Italia oder andere Ziele wie die Supercoppa italiana oder der UEFA Super Cup hinzukommen. Dieses Buch hat nicht nur eine didaktische Zielsetzung, sondern möchte auch das Leben eines Mannes (mehr als das eines Trainers) zusammenfassend darstellen. Um die Lektüre zu erleichtern, habe ich die verschiedenen Themen in 32 Regeln unterteilt. Sie sind nichts anderes als Maximen, die dazu dienen sollen, verschiedene Gedankenlinien zu entwickeln. Es sind nur Grundkonzepte, denn mein Unterricht kann nicht unabhängig von ihrer praktischen Anwendung gesehen werden.
Die Zahl 32 ist eine nicht vollkommene Zahl. Aber auch das ist eine Seite von mir: Ich habe nicht versucht, ein Kultbuch zu schreiben, sondern ein Bekenntnis darüber abzulegen, was ich bin und was ich gelernt habe. Auf diese Weise vertraue ich gewissermaßen einen Teil von mir all denen an, die dieses Buch lesen werden. Wenn ich hätte Eindruck schinden wollen, hätte ich mein Credo in 30 oder vielleicht 33 Regeln verpackt, was zweifellos eine Zahl mit einer stärkeren emotionalen Wirkung gewesen wäre. Doch nein, die Art und Weise, wie ich Fußball und Sport lebe, umfasst 32 Regeln. Meine Regeln.
Ich wünsche gute Lektüre und danke euch für eure Aufmerksamkeit.