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Regel Nr.

5

„Authentizität, Richtung und eine Prise Empathie – das sind die perfekten Zutaten, um das Vertrauen der Spieler zu gewinnen.“

Um für mehr Klarheit zu sorgen, möchte ich euch, bevor ich die eben genannte Regel genauer unter die Lupe nehme, von einem weiteren Erlebnis berichten, das ich als Trainer von Juventus Turin hatte. Ich komme noch einmal auf einen Zeitraum zu sprechen, der – das hatte ich schon erwähnt – einer der wichtigsten für mich in Turin war: nämlich die Begegnung mit dem FC Bayern im Achtelfinale der Champions League 2015/2016.

Gut. Mit Blick auf das Rückspiel hatten wir die Dinge, die im Hinspiel schiefgelaufen waren, irgendwie korrigiert – erinnert ihr euch daran, dass wir uns nur wenige Minuten nach dem Anpfiff zur Halbzeit mit zwei Toren im Rückstand befanden, und das auf dem eigenen Spielfeld? – und fanden uns in Bayern ein. Wir standen unter dem Druck, unbedingt gewinnen zu müssen, da unser Ausgangspunkt das 2:2 von Turin war. Das Unterfangen war alles andere als einfach, aber tief in mir war ich ganz ruhig, weil ich spürte, dass die Mannschaft Vertrauen hatte. Und ich selbst hatte Vertrauen in meine Jungs, weil ich genau wusste, was wir tun mussten. Außerdem hatte ich im Laufe meiner Karriere schon so oft mit Guardiola zu tun gehabt, nämlich als er auf der Trainerbank des FC Barcelona saß und ich den AC Mailand trainierte. Nun war also eben „Pep“ Trainer des FC Bayern. An Ideen mangelte es mir also ganz bestimmt nicht, nur dass es eine ganz andere Sache war, diese auch in die Tat umzusetzen …

Das Wichtigste war, diese Ideen der Mannschaft zu vermitteln. Ich dachte, ich müsste die Aufmerksamkeit der Spieler auf nur wenige Konzepte lenken, und das nicht allzu viele Tage vor Austragung des Spiels. Ich mochte es noch nie, Spiele mit übertrieben großem Vorlauf vorzubereiten, geschweige denn bei dieser Gelegenheit.

Wenige Konzepte abhandeln also, doch wie? Indem man den Eindruck erweckt, als sei alles offensichtlich, klar und machbar! Ich war immer schon davon überzeugt, dass den Spielern die folgende Vorstellung gefällt: Wenn sie die Anweisungen befolgen und etwas gut machen, werden sie mit einem positiven Ergebnis belohnt. Dieser Gedankengang nimmt den Druck von ihnen, was die Spielzüge betrifft. Es ist, als ob der Ball auf einmal weniger Gewicht hätte und jegliche Entscheidung sehr viel leichter zu treffen wäre.

Wenn die Spieler etwas gut machen, weil sie die Anweisungen befolgen, werden sie mit einem positiven Ergebnis belohnt.

Ich gehe noch einen Schritt weiter zurück. Für all diejenigen, die es vergessen haben sollten, rufe ich in Erinnerung, dass uns im Jahr vor dieser zweifachen Begegnung mit dem FC Bayern im Achtelfinale der Champions League 2014/15 Borussia Dortmund als Gegner per Los zugeteilt wurde, nachdem wir in der Qualifikationsrunde Gruppenzweiter geworden waren. Sie waren zwei Jahre zuvor ins Finale der Champions League eingezogen, sie waren nun Gruppensieger nach den Vorrundenspielen, doch in der Bundesliga waren sie im Abstieg begriffen. Die Mannschaft wurde von Jürgen Klopp trainiert, es war ganz klar gegen Ende seiner Trainerschaft. Nachdem wir das Hinspiel – bei dem wir das Spiel dominiert hatten und das gegnerische Tor nur einstecken mussten, weil Giorgio Chiellini ausgerutscht war – mit 2:1 gewonnen hatten, waren wir wegen des Rückspiels vor der gelben Wand der Borussia-Fans sehr in Sorge. Nein, ich möchte mich genauer ausdrücken: Es war weniger Sorge, sondern es handelte sich, würde ich sagen, eher um „Versagensangst“. Es war uns sehr bewusst, dass wir gut waren, doch das eine oder andere Jahr, in dem es auf europäischer Ebene schiefgelaufen war, lastete psychisch auf uns.

Patrice Evra hat vor einiger Zeit die Anekdote erzählt – und dabei etwas übertrieben –, doch ich habe bei der Spielvorbereitung tatsächlich so etwas Ähnliches gesagt wie: „Wenn wir dies tun, gewinnen wir!“ Und tatsächlich, auf dem Spielfeld wurde das in die Praxis umgesetzt, was ich von den Spielern verlangt hatte. Dies brachte uns ein großartiges Individualspiel von Carlos Tévez ein, der nach drei Minuten ein Tor schoss. Und damit rückte der Einzug ins Viertelfinale in greifbare Nähe. Wir gewannen das Rückspiel tatsächlich mit 3:0 aufgrund einer großartigen Leistung, die möglich wurde, weil die Spieler demjenigen vertrauten, der sie auf eine bestimmte Art und Weise auf dem Spielfeld aufgestellt hatte. Ich hatte ihnen Anweisungen gegeben, und sie hatten diese umgesetzt. Beim Rückspiel gegen den FC Bayern jedoch wirkte sich der Zwischenfall mit Evras Fehler negativ auf das Vertrauen aus, das ich auf Seiten der Spieler spürte – Fußball ist nun einmal, wie schon gesagt, alles andere als eine exakte Wissenschaft.

Von diesem Beispiel aus der Praxis kommen wir nun zur Regel Nr. 5, die ich folgendermaßen zusammenfassen möchte: „Das Vertrauen der Spieler durch Empathie, Authentizität und Methodik gewinnen.“ Aus diesen drei Begriffen setzt sich Vertrauen eigentlich zusammen. Empathie ist die Fähigkeit, sich in die Gemütsverfassung anderer Menschen hineinzuversetzen. Die Spieler fühlen sich verstanden und spüren, dass der Trainer auf ihrer Seite steht. Außerdem erzeugt die Empathie, die ich ihnen gegenüber zeige, auch das Vertrauen der Spieler untereinander und begünstigt so die Entwicklung des Spiels, da jeder Einzelne von ihnen weiß, was er von seinen Mitspielern erwarten kann. Die Geschlossenheit der Gruppe beim Spiel profitiert also davon.

Der zweite Begriff ist die Authentizität, die wir als Fähigkeit definieren können, sich selbst treu zu bleiben und dafür geschätzt zu werden. Die Spieler nehmen das wahr und geben doppelt so viel, um das in die Tat umzusetzen, was ihnen ein authentischer Mensch geraten hat. Doch auch zwischen den Mitspielern entsteht eine ehrliche Bindung: Keiner blufft, alle strengen sich an und lassen nicht nach in ihrem persönlichen Engagement, da sie wissen, dass genau das wie durch Magie zur grundlegenden Spielregel geworden ist.

Und nun sind wir schließlich beim dritten Begriff angelangt, der mit der Vermittlung von Vertrauen zu tun hat, bei der Methodik. Darunter verstehe ich die Gesamtheit aller Informationen, Anweisungen und taktischen Themen, die den Spielern eine „Richtung“ geben. Sie ist für die Spieler ein bisschen das, was der Stern von Bethlehem für die Heiligen Drei Könige war: Sie wissen, dass sie dieser Richtung folgen müssen, ohne jedoch dafür ihre Kreativität aufgeben zu müssen. Wir sprechen nämlich von Vertrauen und nicht von Unterwerfung! Das Ziel wird zu einer Art Leitgedanken, zu einem „Monogedanken“.

Die Methodik ist für die Spieler ein bisschen das, was der Stern von Bethlehem für die Heiligen Drei Könige war: Sie wissen, dass sie dieser Richtung folgen müssen, ohne jedoch dafür ihre Kreativität aufgeben zu müssen.

Gestattet mir an dieser Stelle, auf die jüngere Vergangenheit zu verweisen: Mir kommt etwas in den Sinn, das uns bei der Champions League 2018/2019 während des Rückspiels in der Qualifikationsrunde passiert ist, als wir auf unserem eigenen Spielfeld in Turin gegen José Mourinhos Manchester United antraten. Bei dieser Gelegenheit fehlte der dritte vertrauensbildende Faktor, nämlich eine einheitliche Vorstellung davon, wie man zunächst mit dem 1:0 und später mit dem 1:1 in der Endphase der Begegnung umgehen sollte.

In den letzten fünf bis zehn Minuten hatten fast alle meiner Spieler zwei verschiedene Gedanken im Kopf und nicht einen einzigen. Kurz gesagt, schuld an der Niederlage war meines Erachtens die Unfähigkeit gewesen, die richtige Einstellung zu diesem 1:1 zu finden. Möglicherweise wurde der hypothetische Monogedanke – „den Sieg heimholen“ – durch einen weiteren Gedanken negativ beeinflusst, etwa so: „Wir haben es eigentlich schon geschafft, es fehlt nicht mehr viel. Und Manchester United war offenbar bislang nicht in der Lage gewesen, uns in Unruhe zu versetzen.“ Das reichte aus, um alles zu vermasseln. Und tatsächlich, zunächst schafften die Engländer den Ausgleich und dann erzielten sie in letzter Minute sogar noch das 2:1 für sich.

Doch bei dieser Gelegenheit sind uns zweierlei Fehler unterlaufen. Nachdem wir das Ausgleichstor kassiert hatten, besaßen wir nicht die Geistesgegenwart, einen neuen Monogedanken zu entwickeln, etwa in der Art: „Wir sind Dummköpfe gewesen, doch auch ein 1:1-Ergebnis nützt uns, da wir uns dadurch schon rein rechnerisch für das Achtelfinale qualifiziert haben. Konzentrieren wir uns auf diesen Gleichstand und versuchen nach besten Kräften, im Ballbesitz zu bleiben.“

Doch das haben wir nicht getan. Stattdessen haben die beiden verschiedenen Gedanken für Verwirrung und dafür gesorgt, dass die Engländer das zweite Tor schießen konnten.

Wie auch bei den bisherigen Regeln möchte ich für Regel Nr. 5 erwähnen, wann sie im Laufe einer typischen Trainingswoche praktisch angewandt werden sollte. Ich habe schon gesagt, dass ich Spiele nicht gerne mit allzu großem Vorlauf vorbereite. Deswegen würde ich die Vertrauensregel am Tag vor dem nächsten Spiel unterbringen: Wenn es sich um eine Woche mit ausschließlich Meisterschaftsspielen handelt, wäre der Freitagvormittag perfekt dafür.

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