Читать книгу Spätsommer - Liebe - Mathilde Berg - Страница 7

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Eine Woche später war es amtlich. Das Schreiben von der Anwaltskanzlei und Notariat Dr. Joachim Stövner lag vor Sybille auf dem Küchentisch. Das Ende einer Ära wurde eingeläutet.

Mittlerweile war es Anfang November. Das Wetter war wie ihre Stimmung – mies. Dunkel, regenverhangen und kalt. Auf dem Weg zum Hühnerstall schlüpfte Sybille jeden Morgen in die Gartenjacke ihrer Tante. Der große Garten lag brach unter jede Menge Blätter verborgen. Seine Schönheit konnte man nur erahnen.

In ihrer Kindheit war es ein wunderschönes Fleckchen Erde gewesen. Jetzt lag er im Dornröschenschlaf und wartete auf seinen wachküssenden Prinzen in Form der Frühlingssonne und dem Erwachen und Heranwachsen zu neuer Pracht.

Immer wieder las Sybille die Zeilen: Sehr geehrte Frau Specht, gern sind wir Ihnen in der Angelegenheit Specht gegen Specht behilflich und stehen Ihnen zur Verfügung. Ihren Ehemann, Herrn Michael Specht, werden wir darüber informieren. Die nächsten Schritte bleiben abzuwarten. Mit freundlichen Grüßen, Rechtsanwalt und Notariat Dr. Stövner.

Wie hatte es nur so weit kommen können? Nach einer leidenschaftlichen Zeit hatte sich peu à peu der Alltag eingeschlichen. Sybille hatte immer gehofft, dass die Gemeinsamkeit zurückkommen würde, wenn Alexander erst einmal ausgezogen war. Dem war allerdings nicht so gewesen. Es war wohl schon zu spät, musste sich Sybille eingestehen.

„Was meinst du?“, unterbrach Hilde ihre Gedanken. „Wie wäre es, wenn du bei mir einziehen würdest?“

„Bei dir?“

„Ja, warum nicht? Ich habe jede Menge Platz, und deine Hilfe könnte ich auch ganz gebrauchen. Es geht alles nicht mehr so gut seit … na ja, ich würde mich sehr freuen, wenn du bei mir bleiben würdest.“

„Ehrlich gesagt, habe ich darüber noch nicht nachgedacht! Ich glaube, das wäre keine schlechte Idee. Nach Hannover zieht mich nichts mehr. Ich muss sowieso übermorgen zum Arbeitsamt, dann kann ich meine restlichen Sachen packen. Am Sonntag wäre ich dann wieder hier.“

Ein Lächeln huschte über Hildes Gesicht. „Dann ist es also abgemacht!“

„Ja, ich denke schon.“ Auch Sybilles Miene hellte sich auf. „Einen neuen Job kann ich mir auch hier suchen.“

„Du kannst bei mir arbeiten.“

„Bei dir arbeiten?“ Jetzt musste Sybille doch etwas lachen. „Soll ich dir beim Kekse backen helfen? Was machst du eigentlich mit den ganzen Plätzchen, die du laufend backst?“

„Ja, also die Kekse … die sind für die Pfadfinder.“

„Pfadfinder?“ Verwunderung machte sich bei Sybille breit. Ihr war schon seit Tagen aufgefallen, dass ihre Tante blechweise Plätzchen backte, aber zum Tee nie welche auf dem Tisch standen.

„Ja, einmal im Monat kommt der Gruppenleiter vom Stamm Parzival und holt die Kekse ab. Die Wölflinge verkaufen sie, und das Geld wird für gemeinnützige Zwecke gespendet oder kommt den Pfadfindern für Gruppenreisen oder anderen Aktionen zugute.“

„Aha! Das kennt man ja sonst nur aus dem Fernsehen. Ich dachte, das mit dem Keksverkauf ist so ein Mythos aus Amerika. Dass das auch hier gemacht wird, wusste ich nicht.“

„Doch, doch.“ Hilde wandte sich schnell ihrer Arbeit zu. Sockenstopfen war ja auch so interessant. Sie hoffte nur, dass Sybille ihren Schwindel nicht bemerkte. Ach, so viel musste sie ihr noch erzählen. Sie hoffte, dass die Zeit noch ausreichte. Wenn Sybille bei ihr wohnte, würde sich sicherlich die eine oder andere Gelegenheit ergeben.

Am nächsten Tag fuhr Sybille zurück nach Hannover. Der Abschied fiel Hildegard nicht leicht. Als sie weg war, fühlte sie sich körperlich noch geschwächter als sonst. Sie griff zu ihren Morphium Tabletten. Ihr einziger Trost war, dass ihre Nichte bald wieder bei ihr sein würde. Das war das Wichtigste überhaupt.

Seit einer Weile wusste sie, dass ihre Zeit ablief, dass es zu Ende ging. Doch wann hätte sie Sybille von ihrer Krankheit erzählen sollen? Am Telefon? „Du, übrigens, ich bin sterbenskrank!“ Zu ihrem Geburtstag? Bei ihrem Rückruf auf ihre Karte hatte sie sie lediglich zu sich auf ein Wochenende einladen wollen. Aber nun hatte Michael ihr einen Strich durch die Rechnung gemacht. In so einer Lage konnte kein Mensch noch eine Hiobsbotschaft verkraften.

Endlich ließen die Schmerzen nach. Bald, ganz bald würde sie mit Sybille sprechen. Es gab ja so viel zu erzählen. Sie musste Vorkehrungen treffen. Aufschreiben, was sie noch alles ihrer Nichte sagen wollte, falls sie nicht selber mehr dazu kam. Die Lügerei sollte ein Ende haben.

Hilde hoffte inständig, dass sie dazu den Mut finden würde. Aber sie hatte Angst, dass das liebevolle Bündnis zwischen ihr und Sybille zerreißen, oder ihre Nichte es nicht verkraften würde. Das würde sie sich nie verzeihen können.

Spätsommer - Liebe

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