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Gelenkt wurde in Hinterzimmern und in Nebensätzen

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Die Vernetzung, gern Filz genannt, war mehrdimensional. Auf die Nationalratsstühle setzten sich in den 1970er-, 80er- und 90er-Jahren – erstens – traditionell auch Fabrikanten mit Namen wie Bühler, Ammann, Schmidheiny oder Villiger. Zweitens entsandten führende Konzerne eigene Spitzenmänner ins Parlament, wobei der Industriemanager Ulrich Bremi und der Versicherungschef Peter Spälti, beide FDP, über manches Jahr die höchstrangigen Beispiele waren. Drittens verstrebten fast alle grossen Konzerne ihren Verwaltungsrat mit Politikern: Bekannte Beispiele aus den 1990er-Jahren boten der Zuger Markus Kündig (Schweizerische Bankgesellschaft, Zürich-Versicherung, Clariant), der Tessiner Gianfranco Cotti (Schweizerische Kreditanstalt) oder die Zürcherin Vreni Spoerry (Nestlé, Swissair). Viertens wiederum zogen sie Spitzenbeamte auf Managementpositionen nach, wobei insbesondere das Bundesamt für Aussenwirtschaft (Bawi) als Grande Ecole für die Privatwirtschaft diente: Ihm entstammten etwa Paul Jolles, der später Nestlé-Präsident wurde, Mario Corti, der via Nestlé bei Swissair landete, oder David de Pury, der dann als Kopräsident des Elektroriesen ABB amtierte. Fünftens bestanden zwischen den grossen Konzernen starke persönliche Verbindungen, wobei einzelne Multi-Verwaltungsräte am Ende direkt in politischen Interessengruppen und bei politischen Prozessen mitredeten: Es waren Allrounder der Macht wie Rainer E. Gut (SKA, Nestlé), Fritz Gerber (ehemals Bawi, dann Zürich, Roche, SKA, Nestlé) und etwas später Walter Kielholz (SKA, Swiss Re). Sechstens wurde dieses Einflussnetz auf tieferen Ebenen kopiert, sodass der Direktor des mittleren Industriebetriebs auch als Kantonalparteichef von FDP oder CVP wirkte und der Prokurist als Gemeindepräsident. Schliesslich, siebtens, war der Gesetzgebungsprozess ohnehin notorisch eng begleitet von den Wirtschaftsverbänden, die mit eigenen Vertretern im Parlament oder in Expertenkommissionen ihre Leitplanken setzten. Und falls die Politik in Versuchung geriet, diese zu durchbrechen, konnte man immer noch mit dem Referendum drohen.

Gelenkt wurde in Hinterzimmern und mit Nebensätzen. «Du, ich vertrete hier die Bahnhofstrasse. Und die will den Vertrag», bemerkte zum Beispiel ein einflussreicher FDP-Mann vor einer Kommissionssitzung übers Qualified-Intermediary-Abkommen mit den USA zu einem SVP-Vertreter. «Also hast du zu schweigen.» Wie ein Beteiligter berichtet, hielt sich der SVPler damals, 1999, brav daran. Recht offen erzählte der Präsident der Grossbank UBS, Marcel Ospel, in kleinerem wie grösserem Kreis, dass er seinen Einfluss geltend gemacht habe, um im Dezember 2003 die wirtschaftsnahen Politiker Hans-Rudolf Merz und insbesondere Christoph Blocher in den Bundesrat zu hieven. «Jüngst haben wir uns erlaubt, bei der Nachfolgeregelung für Finanzminister Kaspar Villiger unsere Meinung einzubringen»: So äusserte er sich wenige Wochen später in einem Interview mit der «Sonntagszeitung». «Wir wünschten uns, dass weiterhin eine Stimme mit derselben Kraft und Ausrichtung im Bundesrat vertreten ist.» Er sei nun «sehr zufrieden» mit der Zusammensetzung der Landesregierung, verkündete der Grossbanker. Und nur wenige Schweizer störten sich damals daran.

Doch schon bald nach der Jahrtausendwende lag dieses System in Trümmern, zerrieben war der Filz. In dramatischem Tempo lernten die Wirtschaftslenker, dass auch sie bangen müssen und verlieren können, sei es im Parlament, sei es beim Volk.

Will man einige Daten auf diesem Weg herausgreifen, so bietet sich zum einen der 6. Dezember 1992 an, zum anderen der 3. März 2013, und zum dritten der erwähnte 9. Februar 2014. Am ersten Schicksalssonntag kassierte das Wirtschafts-Establishment in einer Kernfrage einen schweren Schlag. Der Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum EWR, von der international orientierten Business-Community als schicksalsschwer geschildert, fiel beim Volk durch. Beim zweiten Datum fasste das Wirtschafts-Establishment eine satte Ohrfeige: Das Volk nahm mit einer Zweidrittelmehrheit die «Abzocker-Initiative» an, die sich hauptsächlich gegen die Usanzen der Manager-Entschädigung in den Grosskonzernen richtete. Es war die dritterfolgreichste Initiative aller Zeiten, obschon die Wirtschaftsvertreter mit viel Geld vor den Gefahren gewarnt hatten. Offenbar hatte sich bei den Stimmberechtigten die Vorstellung durchgesetzt, dass es an den Konzernspitzen Leute gibt, die allzu abgehoben sind. Bei der «Masseneinwanderungsinitiative» im Februar 2014 war das Volk schliesslich bereit, den Bruch eines jahrelang eingespielten Vertragsverhältnisses mit der Europäischen Union zu riskieren, im vollen Wissen darum, dass viele Unternehmen darunter leiden würden. «Die Wirtschaft ist in der politischen Arena nicht mehr vorbehaltlos kreditwürdig», resümierte die «Neue Zürcher Zeitung» am 11. Februar 2014.

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