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Kapitel 3: Warten lernen

Lass Abba machen!

Warten gehört nicht zu den Stärken meiner Persönlichkeit! Das ist keine Disziplin, mit der ich punkten könnte. Ungeduld und der Wunsch, dass die Dinge schneller laufen sollen, stehen eher für mich. Ich bin einer von der flotten Sorte, und es macht mich kirre, wenn Leute ihr Leben vertrödeln. Ja, ich oute mich: Ich muss warten lernen! Ich kann das nicht von Natur aus. Es ist ein echter Lernprozess für meine Seele.

Darum musste ich schmunzeln, als ich am Neujahrsmorgen 2021 mit den Worten des Vaters in meinem Herzen aufwachte: „Matthias, lass Abba machen!

Ich vernahm diese Worte sehr klar und deutlich und wusste sofort: Das wird die Lektion des Himmels für das nächste Jahr (oder auch Jahrzehnt?)! Lerne, auf Abbas Eingreifen zu warten! Widerstehe dem Drang, alles selber in die Hand nehmen zu wollen. Lebe erwartungsvoll!

Nicht selber machen, dürfen, müssen, sollen – sondern warten, wachen, harren, hoffen, erwarten. Nicht aus mir heraus aktiv werden und in blinden Aktionismus verfallen, sondern sehenden Auges aktiv seine Hilfe erwarten. Ganz fest an Abbas Eingreifen glauben. Fest vertrauen, dass er genau passend kommen wird. Alles auf mich zukommen lassen, geschehen lassen, loslassen und schauen, wie und was er tun will und wird. Ein Finder werden. Ein Gefundener sein. Kein Macher – davon gibt es schon genügend. Allein ihn machen lassen. Und dann bestenfalls mit-machen, wenn er es erlaubt.

Gottes Worte begleiten mich bei diesem Lernprozess:

Werde ruhig vor dem Herrn und warte gelassen auf sein Tun! (Ps 37,7 GNB).

Das Warten der Gerechten führt zur Freude (Spr 10,28).

Jesus befahl seinen Jüngern „auf die Verheißung des Vaters zu warten“ (Apg 1,4).

Was bist du so aufgelöst, meine Seele, und stöhnst in mir? Harre auf Gott, denn ich werde ihn noch preisen für die Heilstaten seines Angesichts (Ps 42,6).

… wir rühmen uns auch in den Bedrängnissen, da wir wissen, dass die Bedrängnis Ausharren bewirkt; das Ausharren aber Bewährung, die Bewährung aber Hoffnung, die Hoffnung aber lässt nicht zuschanden werden; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben worden ist (Röm 5,3-5).

Ich habe die Sehnsucht, gut zu werden, wenn es um das Warten auf Gott geht! Aber, wie kann ich das lernen?

Baden in der Liebe des Vaters

Nun – eine kleine simple Übung ist für mich die Soaking“-Gebetshaltung.

Das Wort soaking kommt aus dem amerikanisch-englischen Sprachgebrauch und bedeutet: einweichen, einsaugen, durchtränkt werden. Damit ist gemeint, dass man nicht nur äußerlich nass wird, sondern ganz durchdrungen wird, wie ein Schwamm sich vollsaugt mit Flüssigkeit. So dürfen auch wir voll mit dem Geist Gottes werden. Bei dieser geistlichen Übung geht es darum, äußerlich und innerlich stillzuhalten, zur Ruhe zu kommen. Am besten setzt man sich entspannt hin oder legt sich bequem auf den Boden und hört mit aller Aktivität auf. Ruhige Instrumentalmusik kann dabei hilfreich sein, ebenso wie eine angenehme Raumgestaltung.

Zur Ruhe zu kommen ist gar nicht so leicht, wie man meinen möchte. Auch die Gedanken müssen ruhig werden. Anders als bei mancher Mediationspraxis oder Yoga konzentrieren wir uns nicht nur auf uns selbst, sondern unser Fokus liegt allein bei unserem Gott. Wir lassen uns in seine Hand fallen. Vielleicht beten wir seinen Namen wie einatmen und ausatmen: „Jesus, Jesus … Abba, Abba …!“ Oder wir stellen uns mit der Kraft unserer Imagination und Phantasie ein bildreiches Bibelwort vor: Den guten Hirten aus Psalm 23, den Schirm des Höchsten aus Psalm 91 oder die Lilien auf dem Feld aus der Bergpredigt.

Wir sollen nicht nur leer werden, sondern wir wollen uns erfüllen lassen von ihm und seiner Liebe. Wir haben ein Date. Wir wollen ihn in dieser Zeit treffen. Wir wollen ihm begegnen. Wir warten, erwarten ihn, konkret und real erfahrbar – seine Liebe, seinen Frieden, seine Freude und Kraft. Er ist unsere Quelle, und wir baden im Meer seiner Gnade.

Wer dieser geistlichen Übung 10 bis 15 Minuten am Tag nachgeht, wird selbst erleben können, wie auch am restlichen Tag mancher Leerlauf zu einer entspannten Ruhepause wird. Die Augenblicke zum Aufatmen und für bewusste Dankbarkeit nehmen zu. Wie selbstverständlich werden immer mehr unverhoffte Wartezeiten zu gefüllten Räumen seiner Nähe transformiert und nicht mehr länger als vergeudete Zeitverschwendung daherkommen.

Wie der Reformator Martin Luther auf seiner Wartburg für eine gewisse Zeit im Verborgenen festsaß, um Gott zu begegnen und um ein großes Meisterwerk zu vollbringen – nämlich die Bibel in die deutsche Sprache zu übersetzen –, so beschenkt uns Abba oftmals auch mit solchen Auszeiten, wo wir auf unserer Warte-Burg scheinbar festsitzen und nicht eher wieder herauskommen, bis das Werk in uns und an unseren Herzen getan ist.

Schule des Wartens

Warten ist ein äußerst wichtiger Lernprozess. Warten formt unseren Charakter! Wir lernen so unendlich viel Wichtiges dadurch. Unsere Motive und Motivationen werden offenbar. Realistisch werden wir mit unseren Stärken und Defiziten konfrontiert. Die guten Früchte entdecken wir meistens erst danach. Aber auch schon die Vorfreude soll uns beglücken, ähnlich wie die Verlobungszeit den Weg zur Hochzeit bahnt oder wie die Schwangerschaft uns auf die Geburt neuen Lebens vorbereitet.

Erwartung ist bereits ein Teil der Erfüllung

des Verheißenen.

Im Laufe der Geschichte Israels und auch der Gemeinde Jesu begegnen uns immer wieder Menschen, die oftmals sehr lange auf Veränderung warten lernten. Es scheint geradezu, als ob unser Gott diese Wartezeiten als spezielle Zubereitung erwählt. Unser Ewig-Vater nimmt sich ewig lange Zeit, um ein tiefes Werk zu vollbringen.

Wie lange wartete Israel auf das Kommen seines Messias (viele Juden warten heute noch auf ihn!)? Wie lange warteten die Jünger Jesu im Obergemach im Gebet auf das Kommen des Geistes? Wie lange wartete die Kirche im Mittelalter auf die Reformation? Wie lange warteten Christen zu allen Zeiten auf neue geistliche Aufbrüche und Erweckung?

Schauen wir uns mal die Zeitenwende näher an, als unser Meister Jesus Christus auf diese Welt kam. Das war eine besondere Zeit des Er-Wartens für viele Gläubige in Israel. Sicherlich gehörten auch Josef und Maria zu den Sehnsüchtigen im Land, die das baldige Kommen des Messias heiß und innig begehrten. Zu jener eigentümlichen messianischen Erwartungsgemeinschaft gehörten gewiss auch ihre Verwandten Zacharias und Elisabeth, die Eltern des späteren Täufers Johannes, sowie auch Jesu Freunde aus Bethanien: Lazarus und seine Schwestern Martha und Maria. Vermutlich waren auch die Qumran-Mönche im verborgenen Wüstenkloster am Toten Meer solche geistlich Hungrigen. Wir lesen sogar von Mitgliedern des damaligen jüdisch-religiösen „Establishments“, wie Nikodemus und Joseph von Arimathäa, dass sie zu der Gruppe der sehnsüchtig Wartenden gehörten. Überall tauchten sie plötzlich auf, diese Leute, die auf den Trost Israels warteten. So wie die beiden alten Leute im Tempel: Simeon und Hanna.

Und siehe, es war in Jerusalem ein Mensch, mit Namen Simeon, und dieser Mensch war gerecht und gottesfürchtig und wartete auf den Trost Israels, und der Heilige Geist war auf ihm. Und ihm war von dem Heiligen Geist eine göttliche Zusage zuteilgeworden, dass er den Tod nicht sehen werde, ehe er, den Christus (Messias) des HERRN gesehen habe. Und er kam durch den Geist in den Tempel. Und als die Eltern (Maria und Josef) das Kind hereinbrachten, um mit ihm nach der Gewohnheit zu tun, da nahm auch er es in seine Arme und lobte Gott und sprach: Nun, HERR, entlässt du deinen Knecht nach deinem Wort in Frieden, denn meine Augen haben dein Heil (hebräisch: Jeschua) gesehen, das du bereitet hast im Angesicht der Völker; ein Licht zur Offenbarung für die Nationen und zur Herrlichkeit deines Volkes Israels. Und sein Vater und seine Mutter wunderten sich über das, was über ihn geredet wurde. Und Simeon segnete sie … (Lk 2,25-34).

Und es war eine Prophetin Hanna, eine Tochter Phanuels, aus dem Stamm Asser. Diese war in ihren Tagen weit vorgerückt; sie hatte sieben Jahre mit ihrem Mann gelebt von ihrer Jungfrauenschaft an; und sie war eine Witwe von vierundachtzig Jahren, die wich nicht vom Tempel und diente Gott Nacht und Tag mit Fasten und Flehen. Und sie trat zur selben Stunde herbei, lobte Gott und redete von ihm zu allen, die auf die Erlösung Jerusalems warteten (Lk 2,36-38).

Wir sehen also, es gab damals eine ganze Reihe von geisterfüllten Leuten, die das Kommen des Messias aktiv erwarteten und im Gebet und Flehen herbeisehnten. Und das lange bevor es zur Ausgießung des Heiligen Geistes zu Pfingsten kam. Dennoch war schon der Geist Gottes auf diese Sehnsüchtigen gefallen. Wir lernen daraus: Gott kann nicht widerstehen, wenn Menschen sein Kommen erwarten! Sogleich sendet er uns seinen guten Geist, der uns unterstützt und uns beim Wartenlernen hilft!

Zugleich wird hier das Geheimnis der DNA der Gemeinde Jesu entschlüsselt: Gemeinde Jesu besteht aus Menschen, die auf das Kommen Jesu warten!

Auf Gott warten ist absolut positiv und produktiv. Das hat nichts mit dem „Warten auf Godot“ (nach Samuel Beckett) zu tun – jenem vergeblichen Ausschauhalten nach einer Rettung, die niemals kommen würde. Unsere Erwartungen an Gott sind real und begründet. Sie beruhen auf klaren Verheißungen Gottes. Sie sind millionenfach von Zeugen abgesichert und bewährt durch unzählbare Erfahrungen, die wir persönlich oder Menschen unseres Vertrauens gemacht haben! Tatsächlich, es würde mir, nach all den Jahren meines Unterwegsseins mit dem lebendigen Gott, mehr Mühe bereiten, nicht an ihn und seine Wunder zu glauben, als ihm weiterhin fest zu vertrauen!

Mit Jesus gehen, ihm nachfolgen, bedeutet: … wenn Warten sich lohnt!

Fragen zum eigenen Weiterdenken …

• Wie wirken die Worte „Lass Abba machen!“ auf mich?

Klingt das für mich inspirativ einladend – oder zu passiv?

Wie schätze ich mich selbst ein: Bin ich zu aktiv und spiele oftmals selber Gott? Oder stehe ich eher in der Gefahr, die Dinge phlegmatisch auszusitzen und zu verpassen?

• Ich probiere es am besten gleich selbst einmal aus, wie sich das anfühlt, in der Liebe Gottes zu baden.

Welche Form passt da zu mir und zu meinem Typ?

Welche Wege finde ich, um zur Ruhe zu kommen?

• Kenne ich die Schule des Wartens aus eigener Anschauung?

Wo muss ich gerade Warten lernen?

Was hilft mir dabei? Was steht mir im Weg?

Gemeinschaft der Erwartungsvollen

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