Читать книгу Kirchliche Loyalitätspflichten und die Europäische Menschenrechtskonvention - Matthias Lodemann - Страница 25
c. Loyalitätsanforderungen
ОглавлениеVon weitaus größerer Bedeutung für die hier zu erörternde Fragestellung ist Art. 4 GrO, der die Loyalitätsobliegenheiten der kirchlichen Arbeitnehmer während des Arbeitsverhältnisses kodifiziert. Hierbei hat sich die katholische Kirche für eine gestufte Regelung entschieden.
Demnach unterliegen gemäß Art. 4 I 2, 3 GrO katholische Mitarbeiter im pastoralen, katechetischen und erzieherischen Dienst, leitende Mitarbeiter sowie Mitarbeiter, die aufgrund einer missio canonica tätig sind, den stärksten Loyalitätsbindungen. Bei ihnen ist das „persönliche Lebenszeugnis im Sinne der Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre erforderlich.“ Übrige katholische Mitarbeiter haben die Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre nicht nur anzuerkennen, sondern auch zu beachten,155 Art. 4 I 1 GrO. Nichtkatholische Christen unterliegen geringeren Loyalitätsobliegenheiten: Sie haben gemäß Art. 4 II GrO die Wahrheiten und Werte des Evangeliums zu achten und dazu beizutragen, sie zur Geltung zu bringen. Sie müssen diese also nicht als richtig für sich selbst anerkennen, die Kirche kann dies auch nicht erwarten.156 Nichtchristliche Mitarbeiter157 schließlich unterliegen den geringsten Loyalitätserwartungen. Sie haben gemäß Art. 4 III GrO bereit zu sein, die ihnen übertragenen Aufgaben im Sinne der Kirche zu erfüllen.158 Schließlich trifft alle Mitarbeiter gemeinsam die Pflicht, kirchenfeindliches Verhalten zu unterlassen und die Glaubwürdigkeit der Kirche nicht zu beschädigen (Art. 4 IV GrO).
All diesen Erwartungen ist gemein, dass sie – insbesondere für ein rechtsverbindliches Dokument – recht unbestimmt erscheinen.159 Trotzdem erscheinen die offenen Formulierungen alternativlos, denn es „wird ein Rechtstext kaum jemals in einem Nebensatz die Wahrheit des Evangeliums definieren können.“160 Zudem bietet der Katalog aus Art. 5 GrO161 hinreichend Regelbeispiele, auf deren Vergleichbarkeit abgestellt werden kann. Man wird die Konkretisierung also ganz im Sinne der Selbstverwaltungsgarantie den Kirchen zu überlassen haben162 und eine Entscheidung nach den Umständen des Einzelfalles treffen müssen.
Die Stufung mag zunächst überraschen, führt man sich die Definition der Dienstgemeinschaft noch einmal vor Augen: Alle in der Kirche Tätigen nehmen ohne Rücksicht auf ihre arbeitsrechtliche Stellung gleichermaßen am Sendungsauftrag teil.163 „Im Hinblick auf die sittlichen Normen, die das in sich Schlechte verbieten, gibt es für niemanden Privilegien oder Ausnahmen."164 Indes wird darauf hingewiesen, dass die Kirche gerade auch zur Wahrung ihrer Glaubwürdigkeit keine überzogenen Anforderungen stellen dürfe, die ihre Bediensteten ohnehin entweder nicht gewillt oder nicht fähig wären, zu erfüllen, denn rein praktisch müsste man sie schon zahlenmäßig eventuell dennoch beschäftigen.165 Gleichwohl darf man nicht den Fehler begehen, eigene Wertungen an die Stelle derer der Kirche zu setzen.166 Entscheidet sich die katholische Kirche also für eine Abstufung nach Religion und Konzession, so bewegt sie sich innerhalb des ihr zustehenden Freiraumes, den sie freilich so nicht komplett ausfüllt.167 Nach erfolgter Konkretisierung muss sie sich aber auch an diesen Richtlinien festhalten lassen.