Читать книгу Kirchliche Loyalitätspflichten und die Europäische Menschenrechtskonvention - Matthias Lodemann - Страница 36
III. BAG AP Nr. 2 zu Art. 140 GG
ОглавлениеZwar wurde dieses Urteil im Ergebnis vom BAG korrigiert, doch schränkte auch dieses Urteil – als erstes höchstrichterliches Urteil seit 1956216 – ebenfalls die Rechtsprechung des Anstreicher-Falles ein.217 Zunächst wurde festgestellt, dass das Betreiben eines Kindergartens sehr wohl dem missionarisch-diakonischen Auftrag der Kirche zuzuordnen sei und damit eine Angelegenheit der Kirche darstelle.218 Weiterhin betonte das BAG die Geltung des staatlichen Arbeitsrechts, das durch die besonderen kirchlichen Belange beeinflusst würde, indem diese notwendig in die Interessenabwägung einflössen. Das vorgenannte Urteil des LAG konnte daher keinen Bestand haben. Das Selbstordnungsrecht der Kirchen sei nämlich zumindest bei den Arbeitnehmern, die kirchliche Aufgaben wahrnehmen und somit, wenn auch abgestuft, an der Verkündigung teilhaben, bei der Konkretisierung und Spezifizierung von Kündigungsvoraussetzungen zu berücksichtigen. Könnten die Kirchen keine Loyalitätserwartungen voraussetzen, so wären sie gezwungen, ihr Selbstverständnis preiszugeben. Außerdem differenziert das BAG erstmals zwischen übrigen Tendenzträgern und der Kirche, bei der die Loyalitätsobliegenheit aus der zur Vermeidung der Unglaubwürdigkeit der Kirche gebotenen Untrennbarkeit von Dienst und Verkündigung resultiere. Das außerdienstliche Verhalten könne somit eine Kündigung rechtfertigen. Die Formulierung der kirchlichen Erwartungen müsse dabei den Kirchen vorbehalten bleiben. Schließlich seien auch Grundrechte der Klägerin nicht verletzt. Art. 4 GG könne keine „innerkirchliche Glaubensfreiheit“ statuieren, so dass der Vorrang der kirchlichen Selbstverwaltungsgarantie folgerichtig sei. Art. 6 I GG sei ebenfalls nicht verletzt. Als weltliches Institut sei die Ehe nicht berührt, zudem stärke die kirchliche Betrachtungsweise die Ehe durch ihre Unauflöslichkeitsforderung sogar noch. Aufgrund der Schwere des Verstoßes sei die Kündigung schließlich sozial gerechtfertigt. Im Ergebnis stärkte das BAG also im Verhältnis zur Vorinstanz die Rechte der Kirchen, ihre Loyalitätserwartungen selbst festzulegen, deutete jedoch bereits an, dass dies wohl nur in gestufter Form abhängig von der Nähe des Arbeitnehmers zum Verkündigungsauftrag zu akzeptieren wäre.