Читать книгу Kirchliche Loyalitätspflichten und die Europäische Menschenrechtskonvention - Matthias Lodemann - Страница 30
c. Loyalitätsanforderungen
ОглавлениеBetrachtet man die RL.EKD gerade auch im Vergleich zur katholischen GrO, so fallen zwei Aspekte besonders ins Auge. Zunächst einmal zeigt sich die RL.EKD deutlich weniger detailliert als die GrO, indem beispielsweise auf einen Katalog an Regelbeispielen verzichtet wird. Zum anderen ist sie im Ergebnis auch teilweise durchaus liberaler.
Grundsätzlich wählt § 4 RL.EKD aber einen der GrO sehr ähnlichen Weg an gestuften Loyalitätsobliegenheiten. Von allen Mitarbeitern wird zwar gemäß § 4 I RL.EKD Loyalität gegenüber der evangelischen Kirche erwartet. Evangelische Mitarbeiter haben aber darüber hinaus Schrift und Bekenntnis anzuerkennen193, und, sofern ihre Tätigkeit in der Verkündigung, Seelsorge, Unterweisung oder Leitung liegt, eine dieser Verantwortung entsprechende inner- und außerdienstliche Lebensführung aufzuweisen. Christliche Mitarbeiter haben demgegenüber gemäß § 4 II RL.EKD Schrift und Bekenntnis zu achten und für die christliche Prägung ihrer Einrichtung einzutreten. Nichtchristliche Mitarbeiter schließlich haben nur den kirchlichen Auftrag zu beachten und die ihnen übertragenen Aufgaben im Sinne der Kirche zu erfüllen.
In noch stärkerem Maß als bei der katholischen GrO lassen sich diesem Rechtstext nur schwer konkrete Anforderungen entnehmen.194 Ob sich durch die offenen Formulierungen überhaupt ein Mehr an Rechtssicherheit erreichen lässt, scheint daher fraglich.195 Hingewiesen sei allerdings bereits auf einige Unterschiede zu den katholischen Loyalitätsobliegenheiten.
Während die katholische Kirche die Ehe als unauflösliches Sakrament versteht,196 kennt die evangelische Kirche die Wiederverheiratung Geschiedener.197 Eine solche führt hier also nicht zur Kündigung. Ein weiterer Unterschied zeigt sich im Umgang mit der Homosexualität. Trotz des grundsätzlich gleichen Konflikts, dass gleichgeschlechtliche Liebe dem Plan Gottes widerspricht,198 favorisiert die EKD die rechtliche Gleichstellung homosexueller Partnerschaften unter bestimmten Voraussetzungen.199 Schon 1996 empfahl eine Orientierungshilfe des Rates der EKD den Homosexuellen, denen Enthaltsamkeit nicht gegeben ist, eine „vom Liebesgebot her gestaltete und damit ethisch verantwortete gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft.“200 Wiewohl also Ehe und Familie weiterhin den Normalfall des Zusammenlebens bilden sollen, müsse zur Stützung des verantwortlichen Umgangs miteinander eine Möglichkeit für diejenigen geboten werden, denen die Ehe als Lebensform nicht zur Verfügung steht, solange dies nicht auf Kosten und zu Lasten der Ehe geschieht.201 Die eingetragene Lebenspartnerschaft stellt sich daher nach Sicht der evangelischen Kirche als eine schützenswerte Institution dar.202 Damit stellen sich die Loyalitätserwartungen der evangelischen Kirche grundsätzlich als liberaler dar als die GrO der katholischen Kirche.