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VERKEHRSERSCHLIESSUNG UND TOURISMUS
ОглавлениеDie Alpen verhindern zweifellos „die freie Sicht aufs Mittelmeer“: Sie sind eine gewaltige Barriere im europäischen Zentrum. Die einsetzende Moderne machte sich daran, diese verkehrstechnisch zu überwinden. Auch die „Reliefenergie“ der Alpen – zur Energieerzeugung – kam ins Blickfeld. Ende des 19. Jahrhunderts begann man in Frankreich und der Schweiz mit der industriellen Erschließung der Alpen für die Energiegewinnung.
Ab Mitte des 19. Jahrhunderts setzte der Bau von alpinen Eisenbahnen ein. 1854 wurde die Semmeringbahn eröffnet, die erste gebirgsquerende Bahn der Welt. 1871 ging die erste Bergbahn Europas in Betrieb: auf die Rigi über dem Vier-waldstättersee. Ein paar Jahre später erreichte das Schienennetz den gegenüberliegenden Pilatus – bis heute die steilste Bahnstrecke der Welt. Mit den Bahnen kamen die Touristen, um 1900 entstanden in der Schweiz etliche Grandhotels. 1898 erreichte die Gornergrat-Bahn bei Zermatt eine Höhe von 3089 Metern. Noch höher hinauf schaffte es 1912 die Jungfraubahn mit in Europa unerreichten 3454 Metern. 1908 startete bei Grindelwald die erste Bergschwebebahn auf das Wetterhorn. Die hing noch an vier Seilen, heute schweben Seilbahnen an nur einem.
Ab den 1950er-Jahren waren die Berge selber dran: Technische Aufstiegshilfen machten steile Wände auch für Unerfahrene begehbar und der alpine Skitourismus kam auf Touren. Pisten wurden angelegt, Skilifte und Seilbahnen errichtet. Die Zahl der Skifahrer stieg rasant.
In den späten 1950er-Jahren kamen die Alpen als Hindernis für den Straßenverkehr ins Visier. Die Brennerautobahn, eine der ersten Gebirgs-Schnellfahrstrecken der Welt, wurde in den 1960er-Jahren mit gigantischem Aufwand in Beton gegossen bzw. (in Italien) durch den Fels gebohrt. Ab 1971 strömte der Verkehr. Fast zehn Jahre später, 1980, öffnete auch die Schweiz mit dem Gotthard-Straßentunnel die Schleuse für Laster und Autos.
Der Fremdenverkehr spielte auch eine Rolle für den Wiederaufbau der Wirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg. 1948 entstand die Idee, den Tourismus durch niedrig verzinste ERP-Kredite zu unterstützen.4 Die französische Nachkriegspolitik wollte ganz Frankreich nach Savoyen in die Skiferien lotsen. Dafür musste Skifahren leistbar sein, also errichtete der Staat große Gebäudekomplexe mit vielen kleinen, billigen Wohnungen. Die ähnelten nicht zufällig den Vorortsiedlungen: Sie wurden von den gleichen Architekten geplant. In Savoyen steht heute der größte Skizirkus der Welt, Trois Vallées, mit 600 Kilometern Piste und 144 Liften. Der Drang zum „Größten“, „Höchsten“, „Schnellsten“ im Skitourismus ist ungebrochen. Ein Strudel aus Investition und Verschuldung ist entstanden – und dreht sich immer weiter. „Man ist in einer Wachstumslogik gefangen“, erklärt Verena Winiwarter, Umwelthistorikerin am Institut für Soziale Ökologie der Universität Klagenfurt.5
Mit 460 Millionen Nächtigungen pro Jahr sind die Alpen heute eine der beliebtesten Urlaubs-Destinationen weltweit. Noch in den frühen 1990er-Jahren überwog der Sommer-Tourismus, dann wurde der Winter das Zugpferd für die Branche. Doch hier stößt man zusehends an Grenzen, nicht zuletzt aufgrund des Klimawandels. Also wird verzweifelt nach Alternativen gesucht. Aber was tun mit den hässlichen Wintersport-Arealen? Wer will da noch bergwandern? Fieberhaft werden alternative Nutzungen für die vielen Seilbahnen in der zunehmend schneefreien Zeit ersonnen. Der Adrenalin-Faktor ist wichtig, meinen Marketing-Fachleute. Also kommen Downhill-Mountainbiking, Paragliding, Sommerrodelbahnen, Skywalks, Seilbrücken oder Seil-Gleitfluganlagen auf die Angebotspalette.