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Neuer Job, neue Freiheiten, neues Lebensgefühl – doch dann…
ОглавлениеIm Februar 2015 ging es endlich los: der erste Arbeitstag in neuer Umgebung, alles neu, alles auf Anfang. Mein Büro beim Sozialverband SoVD war recht groß und auf dem Schreibtisch türmten sich schon meine neuen Visitenkarten, die meine neuen Kollegen für mich hatten drucken lassen. Wow, so viel Willkommenskultur war ich gar nicht gewohnt. Dass ich um spätestens 16 Uhr die Arbeit verlassen müsste, um mich um das Kind zu kümmern, hatte ich mit meinem neuen Chef bereits ausgehandelt. Pünktlich um halb fünf war ich in der Kita. Wow, guter Job! Und völlig neue Freiheiten! Ich durfte sogar ein Klavier in mein Büro stellen. Ein Klavier, ein Klavier! Manche brauchen eine Marlborough light, um den Kopf wieder frei zu bekommen (nicht gesund), mir reichen ein paar aufputschende Dur-Akkorde auf dem Piano (sehr gesund!). Was für ein Unterschied zu früher! Bei meinem vorherigen Job hatte ich viele Jahre noch nicht mal ein eigenes Büro! Im Sender gab es für die meisten Mitarbeiter nur Funktionsarbeitsplätze. Das war schließlich deren Haupttätigkeit: funktionieren. Hatte man eine bestimmte Funktion, saß man eben an dem dafür vorgesehen Schreibtisch und funktionierte. Weit und breit kein Platz für Familienfotos im Bilderrahmen, geschweige denn ein Klavier!
Natürlich ist auch der neue Job mit jeder Menge Arbeit verbunden und das ist auch gut so. Würde ja sonst auch keinen Spaß machen. Aber hier gibt es Gleitzeitregelungen statt Schichtbetrieb. Hier arbeitet niemand nachts, aber ein Verband ist eben auch keine Nachrichtenfabrik. In einer Redaktion in Köln hab ich vor vielen Jahren im wöchentlichen Wechsel mal tagsüber und mal nachts gearbeitet. Da ist man dann um 2:30 Uhr in der Nacht mit dem Fahrrad über den belebten Brüsseler Platz gefahren und die Leute feierten noch feucht-fröhlich im „Gestern“, während man selbst schon in einem sehr frühen „Heute“ unterwegs war. Diese (von mir als schön und aufregend empfundenen) Zeiten müsste ich jetzt selbst ohne Kind nicht unbedingt zurück haben. Um es mit der Kölner Band Brings zu sagen: „Man müsste noch mal 20 sein – und so verliebt wie damals!“ Jetzt bin ich zwar längst keine 20 mehr, dafür aber ein glücklicher „Tagelöhner“ ohne Schichtdienste. Ja, und verliebt bin ich natürlich auch noch! Apropos: Meine Frau hat aufgrund meiner neuen Jobsituation beruflich nun weitgehend freie Bahn. Sie kann jetzt auch mal bis spät abends im Büro bleiben, wenn nötig. Papa ist schließlich längst zuhause und kann sich um alles kümmern, was sonst liegen bleiben würde - dreckiges Geschirr, das Auto, die Tochter...Aber ganz im Ernst: Durch den neuen Job hat sich ein Knoten gelöst. Ich kann wieder frei atmen. Und es ist ein wundervolles Gefühl, auf einmal wieder zu wissen, wo einem der Kopf steht. Jeden Tag kann ich mehrere Stunden ganz bewusst mit unserem Kind verbringen und werde ständig mit Glücksmomenten belohnt – für einen Verzicht auf etwas, was niemandem gut tut: Einer prekären Beschäftigung mit Überstunden.