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Roger Waters „The Wall live in Berlin” (1990)

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Was macht ein Kunstwerk aus? Originalität und handwerklich solide Ausführung: Das zumindest sollten zwei seiner Eigenschaften sein. „The Wall“, das monumentale Pink-Floyd-Werk von 1979, wies beide auf – in welchem Maße, mag dahingestellt sein. Als erfolgreichstes Doppelalbum überhaupt hat es sich eh immunisiert gegen allzu sophistische Kritik. Doch am 21. Juli 1990 auf dem Potsdamer Platz in Berlin; da, wo Hitler einst seinen Führerbunker anlegen ließ, entlarvte es sich selbst. Das größte Pop- und Rockspektakel der Geschichte erwies sich als heiße Luft, als fader Abguss. Die Story, die „The Wall” immer noch erzählt, ist armselig dünn, ist weh- und selbstmitleidig und das in gleichem Maß, wie der äußere Aufwand überbordend und anmaßend war. Ohren, Augen, alle Sinne sollten betäubt werden. Eine fast 170 Meter breite Bühne, die größten jemals hergestellten aufblasbaren Figuren (sic!), ein Stromverbrauch von glatten fünf Megawatt, riesenhaft projizierte Trickfilme und natürlich die obligaten zweieinhalbtausend Mauersteine aus Styropor: Alles bloß Blendwerk, um die Larmoyanz zu übertünchen. Aber das ging schief, der Komponist und Exekutor selbst, Roger Waters, hat es gründlich verbockt. Denn an jenem Juliabend forderte die Gigantomanie ihren Tribut: Der Strom fiel zeitweise aus, die Verständigung zwischen den Musikern klappte nicht und Roger Waters sang – will sagen: jaulte – zum Gotterbarmen. Auf den jetzt vorliegenden Tonträgern sind die wesentlichen Schnitzer eliminiert; man griff auf die mitgeschnittene Generalprobe zurück. Nur der größte Schwachpunkt blieb erhalten: Waters selbst. Und er hat die Einsamkeit des Studios nicht einmal genutzt, um seine vokalen Schwächen posthum zu kaschieren. Schräg, schief und überfordert in den hohen Lagen konmt’s auch aus der Rille, ganz wie im Konzert. Sicher: Die Konkurrenz, von ihm selbst eingeladen, war groß. Und es gibt nicht wenige, die im direkten Vergleich mit den Singkünsten eines Paul Carrack oder Van Morrison ausgesprochen alt aussehen. Doch Waters war schlicht überfordert, sein Versagen Symptom einer gewaltigen Selbstüberschätzung. So scheint die dritte wesentliche Eigenschaft eines Kunstwerkes das rechte Verhältnis zwischen Form und Inhalt zu sein. Eine Eigenschaft, die offenbar auch vom Ort der Präsentation abhängt. Wo vorher ein kilometerlanger Wall globale Systemgegensätze geradezu klassisch verkörperte, da errichtete nun Roger Waters eine Wand aus Styropor, die weiter nichts als die Isolation eines armseligen Egos versinnbildlichen sollte. Sage und schreibe 320.000 Leute, halb mal mehr als einst in Woodstock, wollten sehen, wie das grotesk-grandiose Symbol des Kalten Krieges gleichgesetzt wurde mit der Kontaktarmut eines fiktiven weinerlichen Buben namens Pink. Eine prätentiöse Anmaßung ohnegleichen. Denn was der Untergang des DDR-Sozialismus mit einem individuellen Psychodrama zu tun haben soll – außer der mehr als mageren Schnittmenge eines schiefen Symbols –, weiß nur Waters allein. Das ganze, modisch unter der Fahne des guten Zwecks segelnde Spektakel war von vornherein überflüssig. Sein einziger Zweck: Einen ins Abseits geratenen Musiker wieder ins Gespräch zu bringen. Was ihm nachhaltig zu gelingen scheint, wie die aktuellen Verkaufszahlen von „The Wall” (auch der Studioversion) eindrucksvoll belegen. Wie schrieb doch der weise Macchiavelli einst: „Wenn ihn die Tat anklagt, so muss ihn der Erfolg entschuldigen.” Oder immunisieren – gegen allzu sophistische Kritik.

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