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Verschiedene Künstler „Erdenklang Music Vol. 11” (1990)
ОглавлениеInstrumentalmusik gibt sich heute, im heilsversprechenden „New Age” des Wassermanns, gern esoterisch. Den Computern scheint konservative Musik zu entströmen, sie scheinen trotz eines vor die Hunde gehenden Planeten ungerührt Innenschau zu predigen. Vorwürfe, die Ulrich Rützel, Chef des Hamburger Erdenklang-Labels, in die Defensive drängen. Er flüchtet nach vorn. Die Spreu, sagt er (und meint „musikalische Stangenware mit pseudo-meditativer Attitüde"), habe sich längst vom Weizen getrennt; und das Bedürfnis nach Entspannung durch Musik hält er angesichts einer komplexen, vom Ökokollaps bedrohten Welt ohnehin für legitim. So steht’s im Vorwort seines Labelkataloges, der einer neuen Sampler-CD beiliegt: „Erdenklang Music Vol. 11“. Das Spektrum, etikettiert als „Neue Instrumentalmusik“, ist überaus breit. Es finden sich die Pioniere des Fairlight-Computers, die leichthändigen Gitarrenläufe Erlend Krausers, Achim Gieselers nervös-urbane Klänge oder fiebrige Perkussionsexkursionen der indophilen Formation Tri Atma. 15 Interpreten, fast ebenso viele Konzepte; doch bemühen sich alle um die Verquickung elektronischer und natürlicher Klänge zu „computerakustischer” Musik – wie auch Gerd Bessler, dessen Geige als durchaus humorvolle Versöhnung eines alten Instruments mit modernster Klangtechnologie klar und hell über elektronischen Soundteppichen thront. Wenn denn schließlich überhaupt vorläufig Gemeingültiges zu destillieren wäre aus dieser kleinen Auswahl, so dies: „Neue Instrumentalmusik“ gibt sich gefällig, kokettiert mit Pop und Rock, hält akustische Ergänzung für unverzichtbar, hütet sich panisch vor Dissonanzen und läuft stets Gefahr, vor lauter Harmonie in einlullendem, leicht konsumierbarem Schönklang zu erstarren. Die Perfektion moderner Synthesizer entbindet offenbar noch nicht von schöpferischer, melodischer Fantasie – sie macht ihr Fehlen gar um so schmerzlicher bewußt. „You have to have melody“, weiß Ulrich Rützel zwar und meint sicherlich ein Konzept, das kompositorische Qualität hochhält und den Computer als Werkzeug ihrer Umsetzung begreift – doch den Vorwurf der Weltflucht, der Schaffung schöner neuer Klangwelten, entkräftet dies nicht. So könnte ein reflektierender Umgang mit dieser Musik vielleicht jener sein: den esoterischen Ballast ignorieren, ihre manchmal reine Schönheit genießen – und dennoch das hässliche Außen im Blick behalten. Schwierig, doch es könnte gelingen.