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Bevor sich Titus ins Bett legte, schaute er nochmals hinüber zum Friedhof. Wolken zogen über den Himmel und der Wind heulte in Böen um das Haus. Noch immer machte das Mondlicht die Nacht zum Tag. Die Tür der Kapelle stand offen. Von dem Mann fehlte jede Spur.

Als Titus aufwachte, konnte er sich nicht daran erinnern, irgendetwas geträumt zu haben. Es war kurz nach neun. Er hatte demnach gerade einmal viereinhalb Stunden geschlafen. Sein Kopf brummte, als hätten über Nacht Hornissen ein Nest darin gebaut. Er duschte sich heiß. In dem Moment, als er das Zimmer verlassen wollte, klopfte es an die Tür.

Er öffnete.

Vor ihm stand Lisa. Sie trug einen violetten Pullover und eine blaue Jeans. In ihren Händen hielt sie ein Tablett, auf dem sich eine kleine Kaffeekanne, Marmelade und ein Korb mit Brötchen befanden. Zudem gab es einen Teller mit Schinken und ein weich gekochtes Ei. „Ich bringe Ihnen das Frühstück.“

Titus trat zur Seite. „Ist das ein spezieller Service von Ihnen?“

Als sie an ihm vorbeiging nahm er einen Hauch ihres Parfums wahr. Sie stellte das Tablett auf dem Schreibtisch ab. „Ich habe gehört, was Ihnen gestern widerfahren ist. Daher dachte ich, Sie fühlen sich nicht sonderlich wohl.“ Sie stand mit gefalteten Händen neben dem Schreibtisch und blickte Titus aus nervösen Augen an. Sie war seltsam. Aber sie war auch überaus attraktiv.

Titus zögerte. „Ist Gregor bereits auf?“

„Er und seine Assistentin frühstücken im Speisezimmer.“

„Gut, dann geselle ich mich zu ihnen.“

Lisa zuckte zusammen. Über ihr Gesicht huschte ein flehender Ausdruck. „Warten Sie bitte. Ich möchte mit Ihnen reden.“

„Etwa über diesen Mann?“

Lisa holte hörbar Atem. „Was genau ist Ihnen passiert?“

„Ich dachte, Sie wissen bereits darüber bescheid?“

„Setzen Sie sich bitte und erzählen Sie es mir noch einmal.“ Sie schob den einfachen Holzstuhl zurück, über den Titus’ Mantel hing. Ihre Augen röteten sich.

Titus gab schließlich nach. Er setzte sich auf den Stuhl, während Lisa ihm Kaffee einschenkte. Sie wirkte erleichtert.

„Wer ist dieser Mann?“, fragte er.

Lisa stellte die Kanne ab und trat hinter ihn. Mit ihren Fingern berührte sie sanft seinen Hinterkopf. „Tut es sehr weh?“

Titus irritierten ihre Berührungen. Er verspürte ein elektrisierendes Kribbeln. „Es war ein schwerer Schlag. Ich muss etwa zwei Stunden bewusstlos gewesen sein.“

Lisa trat wieder zur Seite.

„Wollen Sie sich nicht auch setzen?“, fragte er.

Sie zog den zweiten Stuhl heran und ließ sich darauf nieder. „Wie sah der Mann aus?“

Titus überlegte. Danach beschrieb er ihr das Gesicht des Fremden so gut er konnte. Je mehr er sich an den Anblick erinnerte desto stärker wurde in ihm der Eindruck, dass dieser Mann ausgesehen hatte wie ein Toter.

„Hat er Ihnen etwas getan?“, wollte sie daraufhin wissen.

„Er kam auf mich zu und blieb direkt vor mir stehen. Das war alles. Gregor meint, es sei ein Verrückter gewesen. Aber er muss Sie kennen. Immerhin nannte er Ihren Namen. Was mich allerdings am meisten wundert ist, dass er sagte, er würde Sie riechen. Er war blind, nehme ich an. Das mit dem Riechen verstehe ich trotzdem nicht.“

Lisa schaute gedankenverloren vor sich hin.

„Wer ist dieser Mann?“

Sie zuckte mit den Achseln. „Ihr Freund hat wahrscheinlich Recht. Es muss sich um einen Verrückten handeln.“

Titus stellte die leere Kaffeetasse zurück auf das Tablett. „Können Sie mir verraten, wieso ich Ihnen das nicht glaube? Er kannte Sie. Er hielt mich für Sie.“

Lisa runzelte die Stirn. „Sie sollten in der Nacht nicht mehr alleine hinausgehen. Heute ist der 21. Dezember. Ab heute beginnen die Rauhnächte. Manchmal geschieht nichts. Manchmal kommt es nur zu ein paar Zwischenfällen. Aber hin und wieder wird es äußerst gefährlich.“

Titus verstand nicht, aus welchem Grund sie plötzlich auf die Wilde Jagd anspielte. „Was hat das mit jenem Mann zu tun?“

Lisa erhob sich. „Er begegnete Ihnen in der Kapelle?“

„Sagte ich das nicht bereits?“

„Folgte er Ihnen bis zum Haus?“

Titus konnte seine Gereiztheit nicht länger verbergen. „Wieso stellen Sie mir diese Fragen? Wenn Sie wissen, um wen es sich bei dem Mann handelt, dann sagen Sie es doch einfach!“

Lisa ging zur Tür. Kurz davor blieb sie stehen und wandte sich um. „Sie waren in meiner Küche, nicht wahr?“

Titus nickte erbost. „Ist das verboten?“

„Ich möchte nicht, dass Sie noch einmal meine Küche betreten, wenn ich nicht da bin. Niemand darf das. Wenn Sie nachts gerne Kaffee oder Tee trinken oder eine Kleinigkeit essen wollen, dann sagen Sie es mir vorher. Ich werde Ihnen alles in das Esszimmer stellen. Aber gehen Sie bitte nicht noch einmal in meine Küche.“ Sie trat hinaus in den Flur und schloss die Tür hinter sich.

Titus blieb ratlos zurück.

Rauhnacht

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