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Ein schrilles Pfeifen hallte durch den Tunnel. Kurz darauf preschte der Zug aus der Dunkelheit in eine schneebedeckte Berglandschaft. Mehrere Krähen flatterten aufgeschreckt davon.

Titus beobachtete ihre Flucht über die dunklen Tannen hinauf in den graublauen Himmel. Die Wolken hingen tief. Er konnte nur hoffen, dass er sein Ziel noch erreichte, bevor es wieder schneite. Sein Freund hatte ihn bereits davor gewarnt, dass der Zug in den letzten beiden Dezemberwochen öfters im Schnee stecken blieb und die Passagiere dann keine andere Möglichkeit hatten, als in den Wagons auszuharren. Manchmal dauerte es nur wenige Stunden, manchmal eine ganze Nacht, bis die Schienen wieder frei waren und der Zug weiterfahren konnte.

Titus lehnte sich zurück und blickte auf seinen aufgeschlagenen Notizblock. Außer einem sinnlosen Gekritzel hatte er nichts zustande gebracht. Er hatte gehofft, die Zugfahrt dazu nutzen zu können, um ein paar Ideen aufzuschreiben, aber diese Hoffnung hatte sich inzwischen in Luft aufgelöst.

Das schrille Pfeifen kehrte wieder. Die Winterlandschaft wich einer weiteren Schwärze, als der Zug einen anderen Tunnel durchquerte.

Nächster Halt Tiefenfall.“

Außer ihm gab es nur drei andere Fahrgäste. Keiner reagierte auf die Durchsage. Titus war wohl oder übel der einzige, der in Tiefenfall ausstieg.

Bis vor kurzem hatte er überhaupt nicht gewusst, dass es einen Ort dieses Namens gab. Doch dann hatte ihn sein Freund Gregor Kranz angerufen und gemeint, ob er über Weihnachten und Neujahr nicht zu ihm kommen wolle. „Der Ort liegt mitten in den Alpen, es gibt keine lästigen Touristen und ein Tapetenwechsel wird dir sicherlich gut tun.“

Gregor hielt sich seit zwei Monaten in Tiefenfall auf. Er war Professor für Volkskunde und, wie er behauptete, auf die Spur eines seltsamen Brauchs gekommen, den es anscheinend nur in Tiefenfall gab. Um seine Forschungen ungestört betreiben zu können, hatte er sich das Wintersemester über frei genommen. Er hatte ein Haus gemietet. „So ziemlich alle Zimmer stehen dir zur Verfügung. Such dir das aus, wo du am besten schreiben kannst.“

Für einen Schriftsteller gab es nichts Schlimmeres als eine Schreibblockade. Brachte man keine Sätze mehr zusammen, begannen irgendwann unweigerlich die Depressionen. Darauf folgten der Alkohol und schließlich die Schrotflinte. Titus hatte die vorletzte Stufe bereits erreicht. Und alles nur, weil er sich abhängig von einer Muse gemacht hatte. Seitdem sie ihn grundlos verlassen hatte, hatte er kein Wort mehr auf Papier gebracht.

Gregor hatte gemeint, die Berglandschaft hätte bereits viele Künstler und Dichter inspiriert. Vielleicht war es so. Titus kannte jedenfalls keinen. Vielleicht aber verhalf ihm die neue Umgebung wenigstens zu einer neuen Idee. Daher hatte er zugesagt. Und aus demselben Grund klappte er nun sein Notizbuch zu und steckte es zurück in seine Laptoptasche. Als er aus dem Fenster blickte, sah er bereits den Bahnsteig von Tiefenfall auf sich zukommen.

Rauhnacht

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