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8. Syllogismen im eigentlichen Sinn

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Nicht jeder deduktive Schluss ist in stoischem Verständnis ein Syllogismus; nicht jeder Syllogismus ist von einerlei Art. Die Stoa unterschied zwischen ihrem Wesen nach schlüssigen Argumenten (perantikoi eidikôs) und Syllogismen im eigentlichen Sinn (syllogismoi; syllogistikoi logoi).302

Gültig bzw. schlüssig ist für die Stoa jedes Argument, wenn die Konjunktion seiner Prämissen den Antecedens und die conclusio den Succedens einer wahren Konditionalaussage bilden.303 Um ein Syllogismus zu sein, müssen gültige Argumente noch weitere Kriterien erfüllen. „Syllogistisch sind nun die Schlüsse, die entweder nicht zu beweisen sind oder die sich gemäß einem oder mehreren Themata auf die nicht zu beweisenden Schlüsse zurückführen lassen“.304 Syllogismen werden also nach Diogenes Laertius ihrerseits differenziert in ‚indemonstrable‘ Syllogismen (anapodeiktoi) und Syllogismen, die sich über bestimmte Regeln, themata genannt, auf die ‚indemonstrablen‘ zurückführen lassen. ‚Anapodeiktos‘ könnte unbewiesen, unbeweisbar oder keines Beweises bedürftig bedeuten; gemeint ist Letzteres. Es handelt sich um elementare Syllogismen, die keines Beweises bedürfen, deshalb weil „an ihnen ohne weiteres ersichtlich ist, dass sie schlüssig sind“.305 Das heißt wohl: Jeder Versuch, sie zu beweisen, würde Annahmen und Argumente in Anspruch nehmen müssen, die weniger einsichtig sind als das, was sie beweisen wollen.306 Sextus bietet eine zusätzliche (bzw. gegenüber Diogenes abweichende) Unterscheidung: „Von den ‚Indemonstrablen‘ sind die einen einfach (haploî), die anderen nicht-einfach (ouch haploî). Einfach sind diejenigen, an denen ohne weiteres klar ist, dass sie schlüssig sind … Nicht-einfach sind die, die aus den einfachen zusammengefügt sind und der Auflösung in sie bedürfen, damit erkannt werden kann, dass sie auch selbst schlüssig sind“.307 Die beiden unterschiedlichen Bestimmungen der ‚Indemonstrablen‘ lassen sich nur so einigermaßen bruchlos verbinden, dass die ‚einfachen Indemonstrablen‘ des Sextus mit den ‚Indemonstrablen‘ des Diogenes gleichzusetzen sind, und dass bei Sextus ein engerer und ein weiterer Begriff des Indemonstrablen vorliegt. ‚Indemonstrabel‘ wären dementsprechend die nicht-einfachen des Sextus nur in dem Sinn, dass sie keines Beweises, keiner weiteren Annahmen, wohl aber einer Analyse, einer Dekomposition in einfache ‚Indemonstrable‘ bedürfen, damit ihre eigene unableitbare Schlüssigkeit erkannt werden kann.

Auf den indemonstrablen Syllogismen im engen Sinn soll die Gültigkeit aller anderen Syllogismen beruhen (di’ hôn pâs logos pleketai).308 Sie spielen (ihrer elementaren Form nach) die Rolle von Axiomen. Ihre grundlegende Funktion ist wohl auch gegen die skeptische Kritik stoischer Beweise gerichtet: Selbst die Skepsis muss sie benützen, um ihre Kritik schlüssig vorbringen zu können.309 Mit dem Ausdruck „indemonstrabel (anapodeiktos)“ ist das einzelne syllogistische Argument, nicht die Argumentform gemeint.310 Das syllogistische Argument ist aus Aussagen (axiōmata) zusammengefügt. Seine Form stellt die Stoa so dar, dass sie Ordinalzahlen an die Stelle der Aussagen in der Folge ihres Auftretens setzt, wobei jeweils dieselbe Zahl für dieselbe Aussage steht.311 Wie die Beispiele und definitionsartigen Erklärungen belegen, besteht die einfachste Form jeweils in einer leitenden nicht-einfachen Aussage (dem hēgemonikon lêmma), einer zusätzlichen einfachen Aussage (der proslēpsis) und einer einfachen Aussage als conclusio.

Nach Chrysipp312 gibt es fünf elementare Formen bzw. Modi (tropoi) solcher ‚Indemonstrablen‘, die keines Beweises, aber auch keiner Analyse in eine Kette von ‚Indemonstrablen‘, bedürfen. Dabei ist ein tropos definiert als „eine Art schēma eines Arguments“:313

(1) Wenn das Erste, dann das Zweite; nun aber das Erste; also das Zweite. (2) Wenn das Erste, dann das Zweite; nun aber nicht das Zweite; also nicht das Erste. (3) Nicht: sowohl das Erste als auch das Zweite; nun aber das Erste; also nicht das Zweite. (4) Das Erste oder das Zweite; nun aber das Erste; also nicht das Zweite. (5) Das Erste oder das Zweite; nun aber nicht das Zweite; also das Erste. Spätere Stoiker fügten noch zwei weitere ‚Indemonstrable‘ hinzu.

Die erste elementare Syllogismus-Form hat für die Syllogistik Chrysipps grundlegende Bedeutung. Es ist diejenige, „in welcher das ganze Argument zusammengesetzt ist aus einer Implikation und dem Antecedens, mit dem die Implikation beginnt und der zum Succedens führt“.314 Die mittelalterliche Logik bezeichnete diese Form als modus ponens. Sextus’ Beispiel ist anschaulich und logisch korrekt, doch es verdeutlicht nicht die epistemische Leistungsfähigkeit dieser Form, an der die Stoa eben auch interessiert war: „Wenn es Tag ist, ist es hell; nun ist es Tag; also ist es hell“.315 Die epistemische Leistungsfähigkeit hätte das markante Beispiel demonstriert, das aus dem Sachverhalt, dass der Schweiß die Haut durchdringt, die Existenz von Poren erschließt. Denn hier ermöglicht die Form den Beweis einer von Natur nicht-manifesten Tatsache aus manifesten Prämissen. Und genau dies ist nach stoischer Auffassung von einem veritablen Beweis (einer apodeixis) verlangt. Es wäre nach dem Diodorschen wahrheitsfunktionalen Verständnis der Implikation, das keinen logischen bzw. sachlichen Zusammenhang zwischen Antecedens und Succedens erfordert, nicht zu leisten. Nach ihm muss man die Wahrheitswerte der Teilaussagen der Implikation kennen, um ihren Wahrheitswert zu bestimmen; Diodor muss den Wahrheitswert der conclusio bereits kennen, um den Wahrheitswert der ersten Prämisse zu erfassen. Die (materiale) Implikation p → q erlaubt nicht die Ableitung einer conclusio, wenn p als falsch bekannt ist, und ebensowenig, wenn q bereits als wahr bekannt ist. Für Diodor besitzt die erste indemonstrable Form keinen epistemischen Wert; er könnte mit ihrer Hilfe keine conclusio erzielen.316

„Der zweite ‚Indemonstrable‘ ist der, welcher aufgrund der Implikation und des kontradiktorischen Gegenteils (to antikeimenon) des Succedens das kontradiktorische Gegenteil des Antecedens zur conclusio hat, wie z.B. ‚Wenn es Tag ist, ist es hell; nun aber ist es dunkel; also ist es nicht Tag‘“.317 Der zweite ‚Indemonstrable‘ entspricht dem modus tollens der mittelalterlichen Logik. Wesentlich ist hier zum einen, dass die Stoa in der Syllogistik von Aussagen und ihrem kontradiktorischen Gegenteil (nicht von negativen und positiven Aussagen) spricht, dass „das ‚nicht‘ in den Modi lediglich anzeigt, die Aussage sei das kontradiktorische Gegenteil der Aussage, auf welche sich das Zahlzeichen ohne das „nicht“ bezieht“.318 Wesentlich ist zum anderen, dass diese zweite Form zwar (mittels einer Schlusskonversionsregel) auf die erste Form zurückgeführt werden kann, dass diese Rückführung jedoch keine höhere Evidenz erzeugt als die zweite Form für sich besitzt. Deshalb wohl wird sie von Chrysipp als eigene Form geführt.319

„Der dritte ‚Indemonstrable‘ ist der, welcher aus einer negierten Konjunktion (di’ apophatikês symplokês) und einem Glied der Konjunktion auf das kontradiktorische Gegenteil des anderen Glieds schließt, wie z.B. ‚Nicht: Platon ist tot und Platon lebt. Nun aber ist Platon tot. Nicht also lebt Platon‘“.320 Viele Logiker der Antike, unter ihnen Galen und Alexander von Aphrodisias, betrachteten diese Schlussform als unnütz, weil die negierte Konjunktion als Prämisse eines Beweises zu schwach sei, vielmehr, um beweiskräftig zu sein, die Unverträglichkeit der Konjunktionsglieder ausdrücken müsse.321 Sie spielt allerdings eine wichtige Rolle in Chrysipps Reformulierung astrologischer Voraussagen. Dies deshalb, weil Chrysipp keine Äquivalenz von Implikation und negierter Konjunktion gegeben sehen wollte. Die Unverträglichkeit der Konjunktionsglieder ist hier nicht, wie bei einer Implikation, logischer bzw. sachlicher, sondern empirischer Art. Damit glaubte Chrysipp, im Zusammenhang von Aussagen über künftige Ereignisse dem Gedanken menschlicher Freiheit Rechnung zu tragen. „Nicht: jemand ist geboren im Zeichen des Hundes und wird im Meer sterben. Nun ist Fabius im Zeichen des Hundes geboren. Also wird er nicht im Meer sterben“.322 Das Wahrsein der conclusio wird sich erst beim Tod des Fabius erweisen. Der dritte ‚Indemonstrable‘ erlaubt die vorgängige Enthüllung von temporär Nicht-Manifestem bezüglich eines gegebenen Individuums im Ausgang von einer negierten Konjunktion.323

„Der vierte ‚Indemonstrable‘ ist jener, welcher aus einer Disjunktion und einem Glied der Disjunktion das kontradiktorische Gegenteil des Restes der Disjunktion als conclusio erschließt“.324 Während Diogenes die Definition durch den Modus erläutert, gibt Sextus ein Beispiel: „Entweder es ist Tag oder es ist Nacht. Nun ist es Tag. Nicht also ist es Nacht“.325

„Der fünfte ‚Indemonstrable‘ ist jener, in dem das ganze Argument aus einer Disjunktion und dem kontradiktorischen Gegenteil eines der Glieder der Disjunktion zusammengefügt ist und zum Rest (als conclusio) führt, wie z.B. ‚Entweder es ist Tag oder es ist Nacht. Nicht ist es Nacht. Also ist es Tag‘“.326

Der vierte und der fünfte ‚Indemonstrable‘ gehören zusammen;327 sie können aufeinander zurückgeführt werden; sie entsprechen den im Mittelalter so genannten modus ponendo tollens und modus tollendo ponens. Die angeführten Beispiele sind zweigliedrig. Vorausgesetzt ist, dass die Disjunktionen jeweils vollständig sind, sämtliche Glieder sich gegenseitig ausschließen, demnach nur eines wahr sein kann. Über mehr als zweigliedrige Disjunktionen erfahren wir hier nichts. Allerdings war Chrysipp der Meinung, dass der fünfte ‚Indemonstrable‘ so natürlich sei, dass sogar Tiere ihn verwenden. Und hier ist sein Beispiel mehr als zweigliedrig: Ein Hund verfolgt die Spur eines Wildes; sie führt ihn an eine Kreuzung, die sich in drei Wege teilt; er prüft erfolglos den ersten und den zweiten Weg; ohne weitere Prüfung folgt er dem dritten.328 Die Lesart tô pemptō dia pleionōn anapodeiktō ist textkritisch unsicher und umstritten. Benson Mates329 versteht das dia pleionōn so, dass bei einer mehr als zweigliedrigen Disjunktion der fünfte Modus mehrfach angewendet, die mehr als zweigliedrige Disjunktion von Chrysipp also als Kettenschluss behandelt würde: (1) p oder q oder r. Nun nicht p. Also q oder r. (2) q oder r. Nun nicht q. Also r. Andere330 sehen durch das dia pleionōn (wohl sprachlich korrekt) zum Ausdruck gebracht, dass die Disjunktion aus mehr als zwei sich ausschließenden Gliedern besteht, ein Syllogismus mit einer solchen Prämisse also einen elementaren Syllogismus der fünften Form darstellt. Chrysipp behandelt einen derartigen Syllogismus offensichtlich so, dass er lediglich auf den Wahrheitswert der Glieder der Disjunktion, von denen nur eines wahr sein kann, achtet: „Entweder p oder q oder r. Nun aber nicht p und nicht q. Also r.“ Ähnlich ließe sich seine Behandlung der Schlussform des vierten mehrgliedrigen ‚Indemonstrablen‘ darstellen: „Entweder p oder q oder r. Nun aber p. Also nicht q und nicht r.“

Mit den ‚Indemonstrablen‘ (hoi anapodeiktoi) sind die elementaren Schlüsse selbst, nicht ihre Form (tropos bzw. schêma) gemeint. Ihre Darstellung der sie konstituierenden Aussagen mit Ordinalzahlen und die Angabe elementarer Schlussfiguren scheint der Formalisierung und Schematisierung der modernen Aussagenlogik zu entsprechen. Doch die Ausdrücke „das Erste“, „das Zweite“ spielen eine unterschiedliche Rolle,331 etwa in der Analyse komplexer Argumente, oder zum Zweck der Darstellung der Form elementarer ‚indemonstrabler‘ Syllogismen, oder mit dem Ziel einer verkürzenden Darstellung eines konkreten Arguments,332 oder, ebenfalls in verkürzender Absicht, als Teil eines besonderen Argumenttyps (logotropos) („Wenn Platon lebt, atmet Platon. Nun das Erste. Also das Zweite“).333 Die Stoiker scheinen diese verschiedenen Funktionen nicht genau unterschieden zu haben; die wichtigste war für sie wohl die der Abkürzung konkreter Argumente.334 Doch die Ordinalzahlen sind Symbole für Aussagen und Substitute der Funktionen, die Aussagen in Argumenten spielen. So gesehen entsprechen sie den Aussagenvariablen der modernen Aussagenlogik.335 Die ‚Indemonstrablen‘ sind ausgezeichnet durch ihre evidente Schlüssigkeit. Und ihre evidente Schlüssigkeit gründet nach stoischer Auffassung in ihrer Form.

Bei der Auswahl der fünf Typen von ‚Indemonstrablen‘ scheinen Chrysipp folgende Gesichtspunkte geleitet zu haben. In den führenden (nicht-einfachen) Prämissen werden ausschließlich die Junktoren „und“, „entweder-oder“, „wenn-dann“ und der Negator „nicht“ verwendet. Unter den nicht-einfachen Aussagen zeichnete Chrysipp die modus-formenden336 aus. Darunter verstand er offensichtlich die Konditionale, die Disjunktionen und die negierten Konjunktionen. Alle ‚Indemonstrablen‘ haben als leitende Prämisse (hēgemonikon lêmma) eine solche modus-formende Aussage.337 Sie erlauben die Konstruktion eines formal gültigen Arguments. In den elementarsten Fällen ermöglichen sie es, mit einer einfachen Aussage als minor (proslēpsis) eine einfache Aussage als conclusio zu ziehen. Dadurch gelangt Chrysipp zu genau fünf Typen von ‚Indemonstrablen.338

Die Liste der ‚Indemonstrablen‘ umfasst gleichwohl ungleich mehr Arten elementarer Argumente als die Definitionen und Beispiele prima facie nahelegen. Im Fall der dritten, vierten und fünften ‚Indemonstrablen‘ etwa erlaubt die Beschreibung der Argumentform die Anwendung der Regel der ‚Vertauschbarkeit‘:339 d.h. es ist offen, welche konstitutive Aussage oder welches kontradiktorische Gegenteil einer konstitutiven Aussage der leitenden Prämisse als minor in Ansatz gebracht wird. So kann etwa das Beispiel in dieser Weise gewählt werden: „Entweder es ist Tag oder es ist Nacht. Nun ist es Tag. Also ist es nicht Nacht“, oder in dieser Weise: „Entweder es ist Tag oder es ist Nacht. Nun ist es Nacht. Also ist es nicht Tag“.

Ferner werden die Beschreibungen der Argumente sämtlich in Begriffen von Aussagen und ihrem kontradiktorischen Gegenteil, nicht in Begriffen affirmativer oder negativer Aussagen gegeben. In allen fünf Fällen kann die leitende Prämisse eine der vier Kombinationen affirmativer und negativer Aussagen annehmen, etwa im Fall des ersten und zweiten ‚Indemonstrablen‘ (wenn man affirmative Aussagen mit p und q, negative Aussagen mit nicht: p und nicht: q symbolisiert):

Wenn p, q Wenn nicht: p, q Wenn p, nicht: q Wenn nicht: p, nicht: q.

Nimmt man die Kombinationsmöglichkeiten zusammen, ergeben sich so 32 Unterarten elementarer Syllogismen.340

Nach Diogenes Laertius geht die kanonische Liste von fünf ‚Indemonstrablen‘ auf Chrysipp zurück. Galen vertritt dieselbe Ansicht.341 Cicero berichtet,342 die Logiker (dialectici) würden zu den fünf noch zwei weitere hinzufügen: „Nicht: sowohl dieses als auch jenes. Nun aber dieses. Also nicht jenes“ und „Nicht: sowohl dieses als auch jenes. Nicht aber dieses. Also jenes“.343 Die Liste von sieben ‚Indemonstrablen‘ dürfte nachchrysippisch sein. Cicero begründet mit ihr eine einmütige lateinische Tradition.344 Die Beispiele für den sechsten ‚Indemonstrablen‘ sind: „Nicht: sowohl Tag als auch Nacht. Nun aber ist es Tag. Also ist es nicht Nacht“. „Nicht: sowohl bei Verstand als auch schwachsinnig. Nun aber ist er bei Verstand. Also ist er nicht schwachsinnig“. Als Beispiele für den siebten ‚Indemonstrablen‘ werden angeführt: „Nicht: sowohl Tag als auch Nacht. Nun aber ist es nicht Tag. Also ist es Nacht“. „Nicht: sowohl Tag als auch Nacht: Nun aber ist es nicht Nacht. Also ist es Tag“.

Die erweiterte Liste bereitet Verständnisprobleme, da prima facie der sechste Modus eine Dublette des dritten Chrysippschen darstellt, und der siebte Modus ungültig ist: Aus der schlichten Negation einer Konjunktion kann man nicht, wenn eines der Glieder falsch ist, auf die Wahrheit des anderen schließen.345 Michael Frede führt die zusätzlichen Modi auf die Einführung der subdisjunktiven Aussage (siehe oben S. 56) zurück, die neue Schlussmodi ergeben habe.346 Katerina Ierodiakonou weist nach,347 dass die beiden zusätzlichen Modi der lateinischen Texte nicht identisch sein können mit den Modi, die sich auf der Basis der subdisjunktiven Aussage konstruieren lassen. Ein überzeugendes Beispiel für einen Schluss aus einer subdisjunktiven leitenden Prämisse liege bei Galen vor: „Die Verteilung der Nahrung des Bauches auf die anderen Teile des Körpers geschieht durch ihren Ausstoß aus dem Bauch, oder durch die Zirkulation des Blutes, oder durch die Verdauung des Magens, oder aufgrund der Anziehung durch die Teile des Körpers oder durch die spontane Zirkulation der Nahrung. Nun aber ist es nicht der Fall, dass der Bauch die Nahrung ausstößt. Also geschieht die Verteilung der Nahrung des Bauches auf die anderen Teile des Körpers durch die Zirkulation des Blutes, oder durch die Verdauung des Magens, oder aufgrund der Anziehung durch die Teile des Körpers oder durch die spontane Zirkulation der Nahrung“.348 Die zusätzlichen Modi, die sich aus der Einführung der subdisjunktiven Aussage konstruieren lassen, hätten folgende Form: (6) „Das Erste oder das Zweite oder das Dritte oder das Vierte. Nun aber nicht das Erste. Also das Zweite oder das Dritte oder das Vierte“ und (7) „Das Erste oder das Zweite oder das Dritte oder das Vierte. Nun aber nicht das Zweite, nicht das Dritte, nicht das Vierte. Also das Erste“.349 Die zwei zusätzlichen Modi der lateinischen Texte verdankten sich vielmehr dem Umstand, dass bestimmte Autoren der Überzeugung waren, die (ausschließenden) Disjunktionen ließen sich in der Form negierter Konjunktionen ausdrücken. Infolgedessen seien sie nichts weiter als Äquivalente des vierten und fünften Chrysippschen Modus.350

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