Читать книгу Klippenfall - Meike Messal - Страница 7

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Die Zeit verstrich, wurde zu einem langen Band, das sich ausdehnte und mit jedem Herzschlag länger wurde.

Nach einigen Minuten zurück auf dem Bett, in der ihr die Angst jegliche Luft zum Atmen genommen hatte, war sie erneut aufgestanden, um sich eine Vorstellung von dem Raum zu verschaffen, in dem sie eingesperrt war. Langsamer diesmal, gründlicher. Sylke war in alle Richtungen gegangen, hatte die Schritte gezählt und trotz der Dunkelheit war ein Bild in ihrem Kopf entstanden. Das Zimmer war zwar niedrig, doch relativ groß, um die fünfzehn Quadratmeter, schätzte sie. Von der Tür aus stand rechts an der Wand das Bett, links befand sich die kleine Abgrenzung zum »Bad«, dahinter Regal, Sessel und Tisch mit Stuhl.

Sylke hatte sich gereckt und jeden Zentimeter der Wände abgefahren. An der Decke hatte sie schließlich etwas gefunden, dass sich wie eine Neonröhre angefühlt hatte. Nur der Lichtschalter dazu fehlte.

Sie hatte auch den Boden abgetastet, war auf allen vieren gekrochen. Vor dem Sessel war der Untergrund nicht glatt und trocken, sondern flauschig. Dort lag ein Teppich, ein Flokati vielleicht.

Schließlich war sie zu dem Stuhl gerobbt, hatte sich auf ihn gesetzt und versucht, ihre flatternden Gedanken zu beruhigen, die aus der schwarzen Enge fliehen wollten. Auf keinen Fall durfte sie wehrlos auf dem Bett liegen, wenn er hereinkäme.

»Denk nach«, ermahnte sie sich. »Wer ist dieser Mann? Er kommt dir bekannt vor!« Sie ging alle Kunden durch, an die sie sich erinnern konnte. Ihre Freunde, Bekannte, Emmis Mitschüler aus der Inselschule und deren Eltern. Doch so sehr sie auch ihr Gehirn zermarterte, es gelang ihr nicht, sein Gesicht mit einer konkreten Person in Verbindung zu bringen. Frustriert schlug Sylke mit der Faust auf den Tisch. Sie hatte absolut keine Ahnung, wer sie gefangen hielt. Und warum. Und wo zur Hölle ihre Tochter war.

Langsam richtete sie sich auf, drehte den Kopf in alle Richtungen. Nirgends ein Spalt, durch den ein bisschen Licht schimmern würde. »Ich weiß nicht, ob du mich hörst«, sagte sie laut. »Ich möchte nur zu meiner Tochter. Bitte lass mich zu Emilie, dann mach ich alles, was du willst. Nur bitte, lass sie aus dem Spiel!«

Sie bemühte sich, ihrer Stimme einen festen Klang zu geben, doch beim letzten Satz wurde sie brüchig. Sylke räusperte sich. Mit einem Mal war sie froh über die Dunkelheit, denn so konnte er wenigstens die Tränen nicht sehen, die über ihre Wangen liefen. Angespannt horchte Sylke in das Schwarz. Kam von draußen eine Antwort?

Sie wartete und wartete. Saß stocksteif und gerade auf dem Stuhl. Bewegte sich nur von Zeit zu Zeit, wenn eines ihrer Beine einzuschlafen drohte. Doch irgendwann überkam sie trotz der schrecklichen Angst eine tiefe Müdigkeit. Ihr Kopf sackte auf die Brust. Anfangs wurde sie davon wach, richtete sich immer wieder auf, schließlich versank sie für ein paar Stunden in einer Welt zwischen Wachsein und Traum. Darin zogen dunkle Schatten an ihr vorbei, die an ihr zerrten.

Sie zuckte erschrocken zusammen, als es plötzlich hell wurde. Das grelle Licht brandete über sie wie eine Flutwelle. Reflexartig kniff sie die Augen zu einem schmalen Schlitz zusammen, sie begannen sofort zu tränen. Vorsichtig versuchte Sylke sie wieder zu öffnen. Das Zimmer verschwamm vor ihren Augen. Die Neonröhre an der Decke tauchte den Raum in ein gnadenlos hellweißes Licht.

Jemand hatte auf den Schalter gedrückt. Jemand außerhalb ihres Gefängnisses.

Klippenfall

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