Читать книгу Back to Italy und der Wahnsinn beginnt erneut! - Melanie Huber - Страница 10
ОглавлениеKapitel 4
Was finden Männer nur an Plastikmöpsen?
„Also DAS … glaube ich jetzt nicht!“ „Mia? … OH NEIN! Schnuckel … Hase, was machst DU hier?“
Im ersten Moment glaubte ich wirklich, er hätte etwas verloren und war auf der Suche danach.
„… Ich … ich … wollte … dich überraschen und jetzt … überraschst du mich!“
Gestern früh, keine Ahnung, was mich da wieder ritt, kam ich auf die Blitzidee, meinem Ehemann in spe einen Überraschungsbesuch im Büro abzustatten. Ich hatte am Abend noch alles ausführlich zwischen Sushi und Acht Schätzen mit Ben bei Wang-Li, unserem Lieblingsasiaten, besprochen. Wobei der an und für sich gerne für Überraschungen zu haben war, aber diesmal meine Idee schon im Voraus für doof hielt.
Ben hatte den Mund voll, war sozusagen beschäftigt mit Essen und hatte daher zu wenig Zeit seine Gegenargumente zu verdeutlichen und verpasste die Chance, mich von meinem Plan abzubringen. Gleichzeitig essen und denken überforderte ihn total.
Pech – multitaskingfähig waren schwule Männer dann wohl ebenfalls nicht.
Außerdem war ich jedes Mal darüber erstaunt, welche Mengen an Essen er in sich hineinstopfen konnte und wie kurz die Zeit war, die er brauchte, um seinen Teller leer zu räumen.
Wir aßen meistens vom Buffet, das war für ihn wesentlich günstiger. Noch dazu waren ja Vorspeise, Hauptmenü, Salat und Nachspeise inkludiert. Als Draufgabe gab es dann auch noch Eis und Früchte vom Schokoladenbrunnen. Und wenn Ben ‚all-you-can-eat‘ las, befand er sich mit funkelnden Augen, schwebend im siebten Himmel, direkt neben dem Schlaraffenland. Mittlerweile war schon die ganze Speisekarte auf seinem Superman-Outfit verteilt, und ich wusste schon, wie unser Abend enden würde – eigentlich wie immer nach einem Restaurantbesuch. Wir würden uns bei ihm zu Hause ein Glas Rotwein gönnen, alte Filme gucken und nebenbei die Fleckenteufel-Kollektion, die ich ihm zum letzten Geburtstag geschenkt hatte, durchprobieren. Mittlerweile war ich schon ein richtiges Ass darin, hartnäckige Flecken zu entfernen, und ich liebte die Herausforderung! Ben war nicht oft bei mir zuhause. Nicht, dass ich jetzt Angst gehabt hätte, er würde mir den Freund ausspannen. Ganz im Gegenteil, denn er mochte Niklas nicht, und da waren wir auch schon beim Grund. Er fühlte sich in seiner Wohnung nicht wohl, vermutlich auch wegen der sterilkühlen Einrichtung. Da herrschte akuter Zickenalarm! Meistens wurde er ganz hibbelig, bekam Flecken im Gesicht und hyperventilierte. Ehrlich gesagt, mit einem entspannten Gummibärchen konnte ich besser umgehen. Ich wusste ja selbst, dass Niklas über einen straffen Terminplan verfügte und kleine, ungeplante Unterbrechungen über alles hasste. Aber nichts konnte mich davon abbringen ihn zu besuchen, schließlich ging es ja um eine wichtige Sache. Um unsere Hochzeit eben!
Obwohl ich Aufzüge noch nie wirklich leiden konnte, düste ich fröhlich in den siebten Stock in dem hochmodernen, grauen Bürogebäude, hatte am frühen Nachmittag schon mit meiner Arbeit aufgehört. Ich war nicht oft hier, aber jedes Mal, wenn ich dieses kühle Gebäude betrat, schauderte es mich. Zu viele graue Wände, zu viele schwarze Möbel, zu viel glänzendes Metall. Die würden dringend mal etwas Farbe gebrauchen. In allen Ecken konnte man förmlich das knallharte Geschäft spüren und es roch nach Money. Für einen kreativen Menschen wie mich, ein absolutes No-Go.
„Hallo Sylvie, na wie geht’s?“, begrüßte ich die nette, junge, zierliche Blondine am Empfang. Sie war erst seit einem Jahr als Assistentin von Niklas persönlicher Sekretärin beschäftigt, und wir lernten uns auf einer Cocktailparty kennen. Ich fand sie nett, erfrischend und wir verstanden uns. Warum die Schnepfe (die persönliche Sekretärin) noch eine Assistentin brauchte, war mir schleierhaft. Ehrlich gesagt machte sie nie den Eindruck, als würde sie hart für ihr Geld arbeiten müssen. Würde es nach mir gehen, hätte ich die Schnepfe ins Archiv verbannt und Sylvie den Job erledigen lassen, den sie ja ohnehin schon machte. Aber nach mir ging es ja nicht in diesem Laden!
„Oh, hallo Mia! Danke mir geht’s gut – schön dich zu sehen!“
„Ist Niklas zufällig da, ich müsste ihn dringend sprechen“, lächelte ich sie freundlich an.
„Ja, er ist im Büro, du kennst den Weg ja.“ Und da war ich auch schon weg. Gespannt ging ich den mir bekannten schmalen Flur entlang. An der schwarzen Wand neben mir waren riesige, silberne Buchstaben mit dem Firmennamen BECKMANN angebracht. An meiner linken Seiten ermöglichte mir ein schmales Fenster, das sich den ganzen Gang entlang zog, die atemberaubende, wunderschöne Aussicht auf einen grauen Himmel und auf rauchende Fabrikschlote zu genießen. Ich sah Niklas Büroabteilung, an seinen Fenstern waren sämtliche Jalousien runtergezogen, was nicht ungewöhnlich für ihn war. Ich klopfte leise und da mich niemand hereinbat, öffnete ich die Tür. Nur vage vernahm ich Sylvies Stimme im Hintergrund, die immer wieder meinen Namen rief. Das Szenario, das sich mir zwischen Tür und Angel bot, ließ mich regelrecht einfrieren. Mein Blut stockte und mein Herz hörte für einen kurzen Moment zu schlagen auf. Erstaunlicherweise stand ich noch immer aufrecht, befand mich aber geistig im Nirwana. Ich bekam nur am Rande mit, wie mir mein Kuvert aus der Hand glitt und sich die Hochzeitseinladungen, unsere schönen Muster, die so wichtig waren, auf den Boden verteilten. Keine Ahnung wann und wie, aber irgendwann fand ich meine Stimme wieder. „Geht´s noch! Die Frage müsste eher lauten, … was DU hier treibst … und was SIE mit ihren Händen in … DEINER Hose zu suchen hat!“, zischte ich aufgebracht! Vor mir saß diese blöde Schnepfe auf Niklas´ Schreibtisch, ihr Rock war so weit nach oben gerutscht, dass ich ihren schwarzen Strumpfhalter sehen konnte und in ihrem aufgeknöpften, knallroten Oberteil, tief in ihren Plastikmöpsen versunken, steckte der Kopf meines Zukünftigen fest. Nebenbei bemerkt sah ihre Unterwäsche wie richtige Unterwäsche aus, absolut nicht so wie meine eigene. Sein Hemd war aufgeknöpft, seine Hose ebenfalls offen und die Schnepfe hatte alle Hände voll zu tun. Beide starrten mich mit leicht geröteten Wangen an, hörten aber höflicherweise mit dem auf, was sie gerade taten.
Ich hatte wohl die Stimmung versaut.
Sorry mein Fehler.
Niklas nahm sofort seine Hände von ihr, zog sich aufgebracht die Hose nach oben und versuchte tollpatschig, das Hemd darin zu verstauen. Die Schnepfe lehnte sich etwas zurück, als schien ihr das Ganze nichts auszumachen, und grinste mir auch noch überlegen ins Gesicht.
„Mia? … Schnuckelhase? Es ist nicht so wie du denkst …“, stammelte er kurzatmig und verlegen. Grotesk hüpfend, weil er sein Hemd immer noch nicht vollständig in seine Hose bugsiert hatte, kam er näher.
Wie ich denke?
[…]
Ich war überfordert!
Denken war in diesem Augenblick überhaupt nicht möglich!
Zuwenig Luft!
Der Raum – allemal viel zu klein dafür, und dann auch noch viel zu viel nackte Haut vor meinen Augen.
Seine Schritte wurden schneller, Panik machte sich in mir breit und trotzdem blieb ich wie angewurzelt stehen. Dann wollte er mich am Arm nehmen, vielleicht eine lieb gemeinte Geste, doch ich zuckte zusammen und bevor er mich auch nur ansatzweise berühren konnte, riss ich meinen zur Seite. An seinem Hals klebten Lippenstiftreste, was ich ziemlich widerlich fand.
„Du rührst mich nicht mehr an! Hörst du? N-i-e m-e-h-r w-i-e-d-e-r!!!“, schrie ich ihn an und taumelte einen Schritt zurück. „Schnuckelhase, lass uns doch heute Abend darüber reden … in Ruhe … ich muss jetzt gleich zu einem Meeting“, gab er versöhnlich von sich.
Ach ja – DAS war natürlich wichtig.
„Wir beide reden über gar nichts mehr, und nenn mich bloß nicht mehr Schnuckelhase! Es hat sich ausgeschnuckelt! Wir beide sind fertig miteinander. Du kannst mich mal – du Riesenarschloch!“
Dann stürmte ich in einem regelrechten Schockzustand aus dem Büro, hielt aber kurz inne, weil ich fast in Sylvie hineingerannt wäre, die komplett verdattert dastand. Sie hatte ebenfalls alles mit angesehen und blickte mich nur entsetzt an.
„Es tut mir so leid, Mia“, flüsterte sie mir leise zu.
Mit hochrotem Kopf, nichts ahnend welche fatalen Auswirkungen diese Offenbarung für meine Zukunft hatte, rannte ich, so schnell mich meine Beine trugen zum Fahrstuhl. Niklas lief mir hinterher, rief immer wieder meinen Namen, aber er schaffte es nicht, mich einzuholen. Fluchtartig verließ ich das Bürogebäude. Ab diesem Zeitpunkt verabscheute ich ihn.
Wütend hin und her stapfend, wartete ich unten auf meinen Bus, betete im Stillen, das er nicht nachkommen würde. Auf keinen Fall wollte ich mit ihm sprechen, ihn schon gar nicht sehen. Ich wollte alleine sein und meine Wunden lecken.
Dicke, graue Wolken hingen schwer vom Himmel, und es schüttete wie verrückt. Ich trug meine gelbe Regenjacke, dachte aber nicht daran meine Kapuze, überzuziehen. Diese Situation überforderte mich komplett. Wirres Zeugs schoss mir durch den Kopf, vielleicht war es ja nur ein Ausrutscher, vielleicht plagten ihn Zweifel, oder er bekam kalte Füße, so wie ich neulich? Fast schon flehend starrte ich auf die Busanzeigetafel, dann wieder zum Bürogebäude hinter mir. Nur noch fünf Minuten.
Was sollte ich jetzt tun?
Wohin sollte ich jetzt gehen?
Meine Beziehung.
Meine Arbeit.
Ben.
Mein Leben.
Vor wenigen Minuten plante ich noch im Winter zu heiraten, und jetzt war alles mit nur einem einzigen Schnips aus und vorbei.
„Mia?“, rief jemand. Ich zuckte zusammen. Es war Sylvie, die aus dem Bürogebäude kam. Mit einer Hand hielt sie einen Regenschirm, mit der anderen zog sie die Revers ihres Trenchcoats fest zusammen. Mit tränenerstickter Stimme stammelte sie, wie sehr ihr das Ganze leidtat, dabei drückte sie mich fest.
Es war schon komisch, eigentlich müsste ich diejenige sein, die weinte. Aber ich konnte nicht.
„Wusstest du Bescheid?“, fragte ich sie steif.
„Bitte glaub mir, ich habe es selbst erst vor kurzem per Zufall erfahren. Ich weiß, ich hätte es dir sagen müssen, aber er ist mein Boss, und ich arbeite noch nicht so lange in der Firma … Es tut mir alles so leid, aber ehrlich gesagt bin ich froh, dass du nun die Wahrheit kennst.“
„Tja … auch wenn es mir im Moment schwerfällt, aber ich denke, ich kann dich verstehen“, wir waren ja nicht befreundet, kannten uns ja selbst erst seit kurzem. „Aber kannst du mir vielleicht sagen, wie lange … das zwischen den beiden … schon läuft?“ Mein Blick wanderte nach oben, direkt zu den Fenstern, hinter denen ich Niklas mit seiner Schnepfe vermutete.
„Auch wenn es dich jetzt noch mehr verletzt, aber ich will dich nicht anlügen … Naja, es wird gemunkelt … dass die beiden seit einem Jahr eine Affäre haben.“ Sie sagte es so schonend, wie es gerade ging, aber jedes ihrer Worte versetzte mir einen weiteren Stich.
„Seit einem Jahr?!“ Ich riss die Augen auf und starrte sie ungläubig an.
Wie konnte ich ein ganzes Jahr lang nichts merken?
Dornröschen war wohl aus ihrem Tiefschlaf erwacht – die Realität, der reinste Albtraum!
Mein Bus kam.