Читать книгу Back to Italy und der Wahnsinn beginnt erneut! - Melanie Huber - Страница 11
ОглавлениеKapitel 5
BATMAN vs. SUPERMAN
In Niklas´ Wohnung angekommen, knallte ich erstmal, aufgebracht wie ich war, die Wohnungstür ins Schloss. Eine unbeschreibliche Wut stieg in mir hoch. Ich ballte meine Hände zu Fäusten und schlug mehrmals schreiend gegen die Seitenwand im Vorraum. Meine Hände schmerzten, aber es war mir sowas von egal. Von mir aus konnte jeder hier im Haus mitbekommen, wie sauer ich gerade war. Mein ganzes Leben lag in Trümmern.
„Argh!!!!! Dieser verdammte Scheißkerl!“, schrie ich. Aus Angst zu fallen, lehnte ich meinen Hinterkopf an die Wohnungstür. Von draußen hörte ich, wie Türen geöffnet wurden, Stimmen und Getuschel, ich war definitiv zu laut gewesen, aber wie gesagt, es war mir egal.
SCHEISSEGAL!!!
Langsam rutschte ich an der Tür hinunter, winkelte meine Knie an und steckte den Kopf zwischen die Beine. Die Geräusche vom Flur verebbten. Zusammengekauert wie ein Häufchen Elend versuchte ich mich, zu sammeln, aber es gelang mir nicht. Einzelne Gedankensplitter kamen mir in den Sinn.
Ein Jahr!
Wie konnte das möglich sein?
Ich hatte doch nie etwas gemerkt; oder wollte ich gar nichts merken?
„Dieser gottverdammte Scheißkerl!“, schrie ich nochmals durch den leeren Flur. Ein paar Kleinigkeiten in seinem Verhalten waren schon anders geworden. Und zugegeben, in letzter Zeit hatten wir kaum miteinander geschlafen. Ich dachte ja immer, er wäre durch seinen Job ziemlich ausgelastet. Dass es aber eine ganz andere Auslastung betraf, kam mir ehrlich gesagt nicht in den Sinn.
„Diese Arschgeigeeeee!!!!!!“
Ich wollte weinen, ich versuchte zu weinen, ich zwang mich sogar zum Weinen, aber ich konnte nicht. Dann grübelte ich nach, worüber ich eigentlich weinen sollte. Über Niklas? Ich war vollkommen durcheinander. Vier Jahre Beziehung in Schutt und Asche, und keine einzige Träne wollte mir über die Wangen laufen. Vielleicht war ich ja einfach zu wütend, um zu weinen. Alles krampfte sich in mir zusammen. Keine Ahnung wie lange ich da saß, grübelte und mich ärgerte. Am meisten wohl über mich selbst.
Was war bloß los mit mir?
Was stimmte nicht mit mir?
Bin ich bei meiner Geburt etwa auf den Kopf gefallen?
Ich dumme, naive Kuh!
Wie konnte ich ein Jahr lang nichts ahnend neben ihm einschlafen? Wie konnte er mich nur so hintergehen – mich so dermaßen belügen? Bilder schossen mir durch den Kopf; wie er zuerst bei ihr war und dann zu mir ins Bett kroch. Der Gedanke ließ mich erschauern. Ich zog mir meine Regenjacke aus, schüttelte meine vom Regen durchnässten Haare durch, streckte meine Beine lang und fuhr mir mit den Händen durchs Gesicht. Es ergab alles keinen Sinn, warum wollte er mich denn dann überhaupt heiraten?
Mit meinen Füßen zappelte ich wie ein Kleinkind herum, stützte meine Hände am Boden ab und hob plötzlich innehaltend meinen Kopf. Ich sah mich in Niklas´ geliebtem Spiegel, der in seinem goldenen, prunkvollen Rahmen vor mir an der Wand hing. Mir gefiel nicht, was ich sah. Meine Locken hingen lasch an mir herunter und tropften leise vor sich hin. Mein Gesicht war rot angelaufen, meine Augen voller Zorn! Blindwütig schreiend rappelte ich mich auf, packte den großen, länglichen Spiegel und schmetterte ihn mit aller Kraft auf den Boden. Große und kleine Scherben verteilten sich überall auf den Fliesen. Wütend stampfte ich auf den Splittern herum und rannte schnurstracks ins Schlafzimmer weiter. Der erste Blick fiel auf unser Bett. Erneut überfiel ein Schauer meinen Körper. Ich war nur noch angeekelt, hätte mich am liebsten heiß geduscht, meinen ganzen Körper desinfiziert. Fragte mich, ob er sich überhaupt geduscht hatte, wenn er von ihr zu mir kam. Boah hey! Wie grauenhaft! Ich ekelte mich nicht nur vor mir selber, nein auch vor unserem Bett, aber am meisten vor Niklas und seiner Schnepfe. In meinem Hals schien alles enger zu werden, ich konnte kaum richtig atmen und hatte den Eindruck, ich bekäme viel zu wenig Luft. Dieses Gefühl war mir vertraut. Früher hatte ich ständig solche Panikattacken. Zum Beispiel wenn ich in den Fahrstuhl stieg. Ich stürmte zum Fenster und öffnete es. Feuchte, kühle Luft kam mir entgegen und ich atmete tief durch. Ich musste hier schnellstmöglich raus. Aber bevor ich das alles hinter mir lassen konnte, musste ich noch ein paar Dinge erledigen. Es war erst vier Uhr nachmittags, vor halb acht kam Niklas meistens nicht nach Hause, außer er würde heute eine Ausnahme machen … Im Badezimmer wurde ich fündig. Ich streifte mir ein paar Gummihandschuhe über die Hände, schnappte mir Polster und Bettlaken und warf das Knäuel aus dem geöffneten Fenster. Einfach auf die Straße nach unten. Ein alter Obdachloser, der manchmal vorm Hauseingang herumlungerte, freute sich über sein vom Himmel gefallenes Geschenk. Suchend schaute ich mich um, was ich noch aus dem Fenster werfen könnte. Alles was mir von Niklas in die Hände gelangte, flog in hohem Bogen vier Stockwerke tief. Seine Hosen, seine Socken, seine Hemden, seine Krawatten und auch sein neuer Laptop fanden sich auf der Straße wieder. Sein erst kürzlich gekauftes, heißgeliebtes Spielzeug, ein iPad, ertränkte ich zusammen mit seiner elektronischen Zahnbürste in der Klomuschel. Um sicher zu gehen, spülte ich noch mit einem Eimer Wasser hinterher. Meine Wut war kaum in Worte zu fassen. Wieder zurück im Schlafzimmer, stand ich vor meinem Schrank. Da Niklas Wert darauf legte, alles penibel in Ordnung zu halten, fand ich in der ganzen Wohnung keinen einzigen Pappkarton. Sowas wurde auf der Stelle entsorgt. Folglich suchte ich mir sämtliche Reisekoffer zusammen, meine und auch seine. Sollte sich dieser Schwachmatikus doch neue besorgen. Wahllos stopfte ich die Koffer mit meinen Klamotten, Schuhen, all die teuren Cocktailkleider, CDs und dem Zeug, das von mir sonst noch so herumlag, randvoll. So viel war es ohnehin nicht. Leider stellte sich heraus, dass es noch mühevoller war meine Koffer zu schließen, als zu packen. Einpacken war eben noch nie meine Stärke gewesen, wütend erst recht nicht! Mit Anlauf sprang ich auf die Koffer, presste sie mit meinem ganzen Gewicht zusammen, um die Dinger mit aller Gewalt zu schließen. Sie mussten ja nicht ewig halten. Zumindest so lange, bis sie in meinem Mini verstaut waren. Wütend stapfte ich weiter ins Wohnzimmer. Neben der weißen Leder-Couch stand ein kleiner Beistelltisch. Auf diesem Tisch stand das einzige Foto, auf dem wir gemeinsam abgebildet waren, in einem silbernen Rahmen. Es war, kurz nachdem wir uns kennengelernt hatten, bei einem Spaziergang aufgenommen worden. Beide schauten wir uns so verliebt an. Es war eins meiner Lieblingsfotos gewesen, aber jetzt trieb es mir die Galle hoch. Kurz innehaltend warf ich es auf den Boden und hörte wie, das Glas mit einem wohltuenden Knall zersprang. Ja, das tat gut! Dann schnappte ich mir Franzl, meinen Goldfisch, erklärte hiermit offiziell seine Trauerphase für beendet und nahm das Foto von seinem Goldfischglas ab. Wie eine Irre durchsuchte ich sämtliche Küchenschränke, bis mir eine passende Tupper-Dose, naja, eher eine Salatschüssel, in die Hände fiel. So gefühlvoll ich in meiner Situation gerade sein konnte, kippte ich Franzl samt Inhalt in die Schüssel. Er aber wiederum nahm es mir nicht übel und schwamm zufrieden ein paar Runden in seinem neuen Zuhause. In den Deckel stach ich mit einem Messer ein paar Löcher, damit er auch genug Luft bekam, und verschloss damit die Plastik-Schüssel. Sein nun leeres Goldfischglas verpackte ich in eine Kunststoffkiste, verknüllte Niklas wertvolle Superman-Comic-Hefte von 1950 und stopfte damit die Kiste aus. Die waren anscheinend schon eine Menge Geld wert. Pech, jetzt leider nicht mehr! Ich sagte es ihm ständig – es gab nur einen Helden in Strumpfhosen, und das war Batman! Denn der bekämpfte seine Feinde auch ohne Kryptonische Superkräfte. Ich packte noch genügend Fischfutter mit ein, und begab mich bewaffnet mit vier Koffern, einer Topfpalme und mit einem Rucksack voll mit meinen Toilettensachen zum Fahrstuhl. Einen Koffer platzierte ich beim Sensor, damit die Fahrstuhltür offenblieb, und schaffte mit der nötigen Ruhe alles in den Fahrstuhl. Dann kehrte ich nochmals zurück in seine Wohnung, ging in jeden Raum um mich zu vergewissern, dass ich auch nichts vergessen hatte; und auch um mich irgendwie von meinem ehemaligen Zuhause zu verabschieden. Obwohl es seine Wohnung war, war es in der letzten Zeit auch irgendwie mein Zuhause geworden. Als ich heute früh aufwachte, dachte ich nicht im Traum daran, heute auszuziehen, aber jetzt spürte ich es ganz deutlich; etwas Neues kam auf mich zu. Ich spürte innerlich diese Veränderung, fast schon einschüchternd. Aber ich war mir über eines im Klaren – hierher würde ich nicht mehr zurückkommen. Meine Gefühle in Worte zu fassen war nahezu unmöglich. Noch dazu war ich nicht grade der redselige Typ, lieber fraß ich alles in mich hinein, stopfte eine gehörige Portion Schokoladeneis über meine Sorgen, und die Welt war wieder heil. Aber so viel Schokoeis konnte ich jetzt gar nicht vertilgen. So hintergangen zu werden, so belogen zu werden, das war einfach eine Bombe! Klar, in erster Linie war ich echt sauer, außerdem fühlte ich mich verletzt und ziemlich verarscht. Komischerweise aber auch erleichtert, ihn jetzt nicht mehr heiraten zu müssen. Seufzend löste ich Niklas´ Wohnungsschlüssel von meinem Bund und legte ihn auf dem Beistelltisch ab, auf dem kurz davor noch unser Foto gestanden hatte. Dann knallte ich die Tür hinter mir und auch hinter meinem bisherigen Leben zu. Mit schweren Schritten ging ich zum Fahrstuhl, hievte den letzten Koffer in den engen Raum und drückte den EG-Knopf. Der Aufzug fing wie gewohnt zu rattern an, machte aber dann eigenartige Quietsch-Geräusche. Leichte Panik schoss in mir hoch und ich fürchtete, der Fahrstuhl würde wegen Überlastung stecken bleiben. Zu meiner Erleichterung fuhr er zwar langsamer als sonst, aber dennoch artig weiter. Die Ziffern der Leuchttafelanzeige zeigten mir, wo ich war. Vierter, dritter, zweiter, erster Stock und schließlich Erdgeschoss – endlich raus hier. Erlöst stieg ich aus und zerrte einen Koffer nach dem anderen wieder heraus. Der nette Hausmeister, der mich mit einem erstaunten Blick beobachtete, kam mir gleich zu Hilfe geeilt. „Liebe Frau Mia, wollen Sie verreisen oder haben Sie etwa vor uns zu verlassen?“ „Verlassen trifft es ganz gut, aber glauben Sie mir, es liegt nicht an Ihnen“, stöhnte ich und zerrte meine schweren Koffer neben mir her. Er packte gleich mit an und half mir, alle vier Koffer raus auf den Parkplatz zu schaffen und sie in meinem roten Miniflitzer zu verstauen. Die Rückbank legte ich um, damit auch alles Platz hatte. Den Rucksack und die Topfpalme stellte ich im Fußraum auf der Beifahrerseite ab. Franzl kam auf den Beifahrersitz – selbstverständlich angegurtet. Denn wer sein Haustier liebt, schnallt es an! Kaum war alles drin und der Kofferraumdeckel zu, schauten mein Lieblingshausmeister und ich uns mit einem beklommenen Gefühl an. Ich suchte noch nach etwas Kleingeld in meiner Tasche und dann übermannte (blödes Wort, eigentlich müsste es überfraute heißen) mich ein Gefühlsausbruch, den selbst ich nicht erwartet hätte. Er drückte mich fest an sich, und klopfte mir leicht auf den Rücken, wie man es bei einem Kleinkind tut, wenn es sich das Knie verletzt hat. Zum Abschied wünschte er mir noch alles Gute. Ich bedankte mich noch für seine Hilfe und drückte ihm einen Zehneuroschein in die Hand. Im ersten Moment wollte er ihn nicht annehmen, doch ich ließ nicht locker und steckte ihm den Schein in die Seitentasche seines grauen Mantels. Dann schwang ich mich auch schon hinters Lenkrad und düste planlos davon. Ich hatte bloß keine Ahnung wohin.
Ich war schon ein paar Minuten unterwegs, redete mit Franzl und bedauerte zum ersten Mal, dass Fische absolut keinen Mucks von sich geben konnten. Diese Ruhe im Auto war fast unerträglich, also stellte ich mir das Radio an. Der erste Song, der mir entgegen trällerte, war ‚Say Something‘ von ‚A Great Big World & Christina Aguilera‘.
Ein ziemlich schwerfälliger Lovesong.
Wie passend!
Den Kloß in meinem Hals versuchte, ich runter zu würgen, und drückte weiter.
Am zweiten Sender lief Schlager – absolut mein Ding! ‚Fliegerlied vom Donikkl‘ – trifft so ziemlich genau meinen Musikgeschmack!
A‘ so a‘ Bierzeltgaudi!!!
Konnte nur mehr besser werden.
Der dritte, der neueste Hit von ‚Sam Smith – I‘m not the only one‘.
Geht’s noch?
Mit offenem Mund starrte ich das Radio an.
Dann arbeitete ich mich vor zum vierten Sender – Klassik.
Schubert oder Mozart, hatte echt keine Ahnung, ließ es aber dabei, weil es mich ein bisschen entspannte.
Tief seufzend blieb ich an der nächsten roten Ampel stehen. Beobachtete wie schwere Regentropfen laut gegen meine Windschutzscheibe prasselten, fast wie im Zeitlupentempo, als würde jemand die Zeit anhalten. Meine Hände beide fest am Lenkrad, stellte ich meine Zeigefinger auf und machte im gleichen Rhythmus die Wischbewegung meiner quietschenden Scheibenwischer nach. Eine doofe Angewohnheit, wenn ich nervös oder ungeduldig im Auto saß.
Ich musste nachdenken.
Wohin sollte ich als Nächstes fahren?
Was sollte ich überhaupt als Nächstes tun?
Alles der Reihe nach! So versuchte ich mich, selbst zu beruhigen.
Mein Verstand: Fangen wir doch zuerst mit den kleinen Entscheidungen an: Welche Abzweigung sollen wir nehmen?
Die Ampel – gelb.
Links oder rechts?
Nach Mondsee, nach Hause, oder wieder zurück nach München?
Meine Hände fingen zu schwitzen an und ich entschied mich für … rechts, nach Hause zu meiner Familie. Ich reihte mich zum Entsetzen der hinter mir fahrenden Autofahrer spontan wieder um. Meine Unentschlossenheit wurde mit lautstarkem Hupen kommentiert. Kaum war die Ampel grün, fuhr ich auch schon los. Natürlich Ben, schoss es mir da durch den Kopf. Er würde mich bestimmt eine Zeitlang bei sich aufnehmen, zumindest so lange, bis ich eine eigene Wohnung gefunden hatte. Fischallergie hatte er, soweit ich wusste, auch keine. Jedenfalls konnte er gekochten Fisch essen, ohne Ausschlag zu bekommen. (Nebenbei bemerkt konnte Ben alles essen.) Ich konnte meinen geliebten Job behalten und fast normal weitermachen. Die Lösung schlechthin!
Hundertfünfzig Meter später drehte ich wieder um, zurück in die entgegengesetzte Richtung – back to München! Ich komme.
Je näher ich meinem ehemaligen Zuhause kam, und die Gebäude und die Gegend immer vertrauter wurden, desto unwohler fühlte ich mich. Plötzlich erinnerte ich mich an einen meiner ehemaligen Lehrer der behauptete, schlechte Laune würde man mit einem Grinsen im Gesicht vertreiben können. Dem Gehirn würde die Information, dass im unteren Gesichtsbereich gerade gelächelt wurde weitergeleitet. Das würde die miese Laune vertreiben und Stresshormonen den Garaus machen.
Genau was ich jetzt brauchte! Adiós miese Laune!
Was einem in Ausnahmesituationen nicht alles wieder einfällt.
Ich raste wie eine Irre durch die bekannten Straßen, Bens Wohnung war ja nur ein paar Straßen entfernt von meinem … wollte sagen von Niklas´ Zuhause.
Ständig sah ich die beiden nackt vor mir, stellte mir vor, wie sie über mich höhnisch lachten und sich über meine Naivität köstlich mit Champagner in einem teuren Hotelzimmer amüsierten. Dazu Sylvies Stimme, die immer mit dem gleichen Text, wie in einem schlechten Rapsong, in meinen Kopf herum dröhnte … „Seit einem Jahr … seit einem Jahr!“
Ich konnte es immer noch nicht fassen!
Mensch Mia, reiß dich mal zusammen! So gut ich konnte, grinste ich gequält vor mich hin.
Ja … ich denke, es war wirklich Mozart – Requiem. Für alle die es nicht wissen, die Heilige Messe für Verstorbene. Das war mir dann doch ein bisschen zu melodramatisch.
Zögerlich drückte ich auf den fünften Knopf in der Hoffnung, es würde nicht noch schlimmer kommen.
‚Nothing compares 2U‘ von ‚Sinéad O‘Connor‘!
Argh!!!!! Stocksauer schlug ich mit der flachen Hand gegen das Armaturenbrett.
Hatten sich jetzt auch noch alle bayerischen Radiomoderatoren gegen mich verschworen?
Was ist mit ‚Männer sind Schweine‘ geworden? Diesen Song hörte man heutzutage überhaupt nicht mehr! Ich beschloss, in der nächsten Zeit beim Sender anzurufen.
Ich war so beschäftigt mit Nachdenken über meine beschissene Situation, dass mir nicht auffiel, dass während der ganzen Zeit ein rotes Rufzeichen an meinem Armaturenbrett aufleuchtete. Das Symbol stand für irgendeine Tür, die nicht richtig geschlossen war. Das Irgendeine betraf meinen Kofferraum, was mir aber erst viel später bitter bewusst wurde.
Je nachdem, ob ich gerade in die Pedale trat oder stark bremste, klappte der Kofferraumdeckel immer wieder bedrohlich auf und dann beruhigend wieder zu. Der Verkehr war fließend und ich eilte die Hauptstraße entlang. Kopfschüttelnd, fassungslos über die Bilder in meinem Kopf wegen der Szene im Büro, überholte ich einen schwarzen Passat, der zwischen zwei Fahrstreifen herumirrte. Anscheinend gab es mehr von meiner Sorte. Energisch trat ich in die Pedale, düste vor zur Kreuzung und übersah beinahe die rote Ampel. Erschreckt trat ich fest auf das Bremspedal, sodass meine Reifen laut quietschten. Die Straße war nass, aber ich schaffte es dennoch stehen zu bleiben, und das alles ohne Kollateralschaden. Etwas Tongranulat hopste aus meiner Topfpalme, verteilte sich unschön auf meinem Beifahrersitz, und Franzl hatte wohl seinen ersten Looping in einer Tupperware-Salatschüssel hinter sich gebracht. Genervt zog ich meinen Kopf in den Nacken, erschrak aber gleich nochmals über ein lautes ‚Rums‘, das von hinten kam. Im ersten Moment meinte ich, es wäre mir hinten einer raufgefahren – aber das war nicht so. Betraf mich wohl doch nicht, dachte ich vorschnell. Erleichtert wollte ich schon aufseufzen, bis ich einen Blick in meinen Rückspiegel warf. Drei Koffer, die senkrecht übereinandergestapelt waren, rutschten mit schleifendem Geräusch aus meinem Kofferraum auf die Hauptstraße. Zwei davon sprangen auf, und das Innere kam zum Vorschein. Meine Klamotten quollen regelrecht aus den Koffern heraus, als hätten sie nur darauf gewartet, endlich befreit zu werden. Erstarrt und mit aufgeklapptem Mund beobachtete ich das Chaos in meinem Rückspiegel. Komplett in Trance drehte ich mich um und beobachtete nun alles von der Heckscheibe aus.
Waren das jetzt wirklich meine?
Oh ja … verdammt … das waren wirklich meine!
Zum Glück befanden sich in dem Moment keine Fahrzeuge hinter mir. Der schwarze BMW, der sich langsam näherte, sah bereits mein Zeugs auf der Straße liegen und hielt Abstand.
Verzweifelt parkte ich mein Auto am Straßenrand und nutzte die Zeit, die mir noch blieb, um meine Sachen aufzusammeln, bis die Ampel wieder auf grün schaltete. Der Regen war noch immer heftig. Es war ein Wettrennen gegen die Zeit, das unmöglich zu schaffen war. Ein paar Leute stiegen aus ihren Fahrzeugen, halfen mir beim Einsammeln, andere hupten lautstark und tippten sich mit dem Zeigefinger an die Stirn, bevor sie wild an mir vorbeiflitzten. Also manche Autofahrer befanden sich wirklich ständig auf der Flucht, zumindest benahmen sie sich so. Kaum hatte ich mich bei meinen Helfern bedankt, saß ich schon wieder hinter dem Steuer. Meine nun vom Regen eingeweichten Sachen, befanden sich wieder im Kofferraum. Zwar mit einem chaotischeren Verstau-System als noch vor zehn Minuten; aber es war wieder alles da, wo es hingehörte. Immer noch benommen, drehte ich den Zündschlüssel um.
Ben.
Mein Job.
München war nicht die Lösung – ich brauchte dringend so etwas wie einen Tapetenwechsel.
Im Radio gab nun ‚Norah Jones – Turn me on‘ zum Besten, besser könnte es gar nicht passen. Mit einem eingefrorenen Grinsen im Gesicht versuchte ich, mein Dilemma anzunehmen, und wendete nochmals. Ich musste weg von hier, so schnell und so weit wie nur irgendwie möglich.