Читать книгу Back to Italy und der Wahnsinn beginnt erneut! - Melanie Huber - Страница 8

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Kapitel 2

Die wahre Liebe ... oder steuerliche Gründe ...

Unser Team war komplett. Schnell versteckte ich die ausgebreiteten Einladungskarten unter meiner Handtasche. Mit meinem Chef wollte ich absolut nicht über meine bevorstehende Hochzeit diskutieren.

„Morgen ihr zwei.“

„Morgen“, kam es gleichzeitig aus uns beiden geschossen.

„Ben, bringst du mir bitte einen doppelten Espresso in mein Büro?“ Er war kurz angebunden, das hieß, er war im Stress und brauchte absolute Ruhe. Mit einem Blick checkte Ben Mikes bevorstehende Termine auf seinem Tischkalender. Volles Programm.

„Selbstverständlich!“ Da sprang Gummizwerg, wie ich ihn oft liebevoll nannte, in die Teeküche und brühte den weltbesten Espresso für unseren Boss.

Erleichtert kramte ich meine Sachen zusammen und übersiedelte damit in mein Büro, das sich direkt gegenüber von Bens Schreibtisch befand. Mein kleines aber feines Reich bestand im Wesentlichen aus einem Glaskasten. Wollte ich nicht gestört werden, ließ ich die Rollos runter und machte meine Tür zu. Die stand an den meisten Tagen jedoch weit offen. Ich mochte es, Ben hören zu können und ihn um mich zu haben. Mikes Büro war ein Stück weiter weg. So hatte er Ruhe vor uns und wir die benötigte Ruhe vor ihm. Unser Boss war keine wandernde Heuschrecke, nein, er war ein guter Chef. Mike war schon ziemlich lange im Geschäft und mittlerweile auch schon ein sehr bekannter und äußerst erfolgreicher Fotograf in der Szene. Glücklicherweise war er dabei bodenständig geblieben, behandelte uns fair und bezahlte uns nebenbei auch noch anständig.

Wir hatten von Anfang an einen guten Draht zueinander, denn seine hübsche Frau Isabel kam genau wie ich aus Mondsee, so gingen uns die Gesprächsthemen nie aus. Er sah attraktiv aus, war Mitte vierzig und hat schwarze, kurze Haare, die an den Schläfen schon ein wenig grau zu werden begannen. Außerdem hatte er zwei Söhne, die beide studieren. Alles in allem wirkte er sehr zufrieden mit seinem Leben. Mike war einer der wenigen Menschen, die ich kannte, bei denen ich mir immer dachte: „Der hat es echt geschafft!“

So beeindruckend Mike als Mensch auch war, so war es ebenso auch seine Arbeit und besonders sein Atelier! ‚Altes trifft auf Neues‘ lautete das Motto. Dieses abgewohnte und doch hochmodern eingerichtete Gebäude war voller spannender Eindrücke. Immer wieder entdeckte ich neue Winkel, neue Perspektiven. Früher diente das aus Backsteinen gemauerte Gebäude als Lederfabrik. Teilweise waren auch im Inneren die orangeroten Ziegel sichtbar. Ein paar alte Maschinen erinnerten noch daran, dass hier auch tatsächlich mal hart gearbeitet wurde. Manchmal kamen sie noch zum Einsatz, wenn wir Aktaufnahmen machten. An den kahlen Wänden hingen Mikes Bilder – tolle Kunstwerke, bunt eingerahmt. Seine ausdrucksvollen Fotografien zeigten Szenen zwischen Wirklichkeit und Imagination und schafften es, mich jedes Mal in den Bann zu ziehen. Mittlerweile waren auch schon einige von meinen Fotos mit dabei, was mich schon ein bisschen stolz machte. In der Zeit, in der mein Rechner hochfuhr, ordnete ich meinen Schreibtisch, entfernte ein paar Krümel und warf bekritzelte Notizzettel in den Papiereimer. Kaum erstrahlte mein Bildschirm, öffnete ich auch schon seufzend sämtliche Programme und begann Fotos von einem neuen Bio-Restaurant zu bearbeiten, das Ben und ich vorige Woche abfotografiert hatten. Der Laden sah ganz gut aus, die Einrichtung war hauptsächlich in warmen Cremetönen gehalten und wurde mit apfelgrünen Eyecatchern aufgefrischt. In ein paar Wochen würde der neue Laden in München öffnen. Sie boten Köstlichkeiten aus der Region sowie Exotisches an, führten zusätzlich noch ein kleines Restaurant, und für die, die nicht so viel Zeit zum Essen übrig hatten, gab es auch Bio-Fast-Food. Ich nahm mir fest vor, mit Ben einmal dorthin zu gehen. Ein kurzer Blick aus dem Fenster ließ mich frösteln. Sogleich zupfte ich meine bunt geringelte Strumpfhose zurecht und kuschelte mich etwas fester in meinen Pulli. Dicke Regentropfen fielen schwer vom Himmel und trommelten laut gegen die Fensterbänke. Das Wetter war trübe und es regnete immer noch. Geknickt starrte ich aus dem Fenster. Viele kleine Fensterteile mit schwarzen Rahmen bildeten zusammen ein riesiges Fenster, was das Tropfenschauspiel faszinierend wirken ließ. Trotzdem – ich sehnte mich nach Wärme, nach Sonne. Heute fiel es mir besonders schwer, die nötige Konzentration aufzubringen. Daran trug nur Niklas Schuld. Meine Augen schweiften abermals von meinem Bildschirm nach draußen, aber dieses Mal zu Ben. Gemütlich saß er in seinem Bürosessel, den Telefonhörer zwischen Ohr und Schulter eingeklemmt, und wie so oft schaukelte er gefährlich hin und her. Bis er sein Gleichgewicht verlor und tollpatschig nach vorne plumpste. Er würde es wohl nie lernen! Gerade noch rechtzeitig konnte er sich mit seinen kurzen Beinen abstützen. Suchend blickte er um sich, ob vielleicht jemand, sprich meine Wenigkeit, sein Missgeschick gesehen hatte. Vorausahnend duckte ich mich hinter meinen Bildschirm und kicherte in mich hinein. Unser Gummizwerg war eben urkomisch.

Es vergingen geschlagene zwei Stunden, was eine gefühlte Ewigkeit für Ben sein musste, bis er endlich Zeit hatte, um mir einen kurzen Besuch abzustatten.

Wie ein Pfau stolzierte er vor mir auf und ab und beobachtete mich mit zusammengekniffenen Augen. Dann duckte er sich unter meinen Schreibtisch. Geduldig schaute ich mir seine komische Darbietung eine Zeitlang an, bis es mir aber dann doch zu bunt wurde. Ich rückte mit meinem Sessel ein Stück nach hinten, und schaute ebenfalls unter meinen Schreibtisch. Schließlich wollte ich wissen, was es da Interessantes zu sehen gab.

„Na Ben, hast du etwas verloren?“

„Äh … nein.“

„Was ist los mit dir?“

„Genau dieselbe Frage stelle ich mir über dich.“ Ben und ich führten eine für Außenstehende sehr verhaltensauffällige Freundschaft, hatten so manches komische Ritual, aber Frage-und-Antwort-Spiele unter einem Schreibtisch zu spielen, das war neu.

„Bitte?! … Könntest du vielleicht etwas deutlicher werden …“

„Ähm … bist du vielleicht schwanger?“

SCHWANGER?!“ Bei dem Wort alleine zuckte ich zusammen und stieß mir heftig den Kopf an der Tischplatte. Beide richteten wir uns wieder auf und starrten uns gegenseitig perplex an. Ben wollte meinen Bauch auf eine eventuelle ungewöhnliche Wölbung inspizieren. Er war bekannt für seine blühenden Phantasien, aber das ging zu weit. Ich fand als Erste das Wort wieder. „Wie kommst du denn darauf? Habe ich etwa zugenommen?“ „Nein, das ist es ja! Du bist gertenschlank wie immer! Ich würde behaupten kein Gramm.“ „Ja, und kannst du mir vielleicht erklären, wie du dann darauf kommst?“ „Wegen eurer plötzlichen Hochzeit, vielleicht ist ja ein Braten in der Röhre …!“ „Es ist k-e-i-n Braten in der Röhre. Wir heiraten einfach so, weil … naja …“ „Doch nicht etwa aus steuerlichen Gründen?“ „Ben! Du musst das Ganze jetzt nicht emotionalisieren. Wir heiraten weil … wir uns … na, weil wir eben schon lange zusammen sind.“ Genervt widmete ich mich wieder meiner Arbeit, und hämmerte etwas zu energisch in die Tasten. Für Niklas war ein kleiner Schreihals kein Thema und würde es auch nie werden. Er mochte Kinder nicht besonders, Kinder ihn auch nicht. Keine Ahnung, ob ich jemals Kinder wollte; ehrlich gesagt habe ich daran das letzte Mal gedacht, als ich noch mit Puppen spielte. Zuerst war da kein richtiger Partner und dann … hmm … höchstwahrscheinlich zu wenig Zeit. Überhaupt hatte ich schon Schwierigkeiten damit, meine Haustiere am Leben zu erhalten. „Ganz ehrlich Mia, Hand aufs Herz, glaubst du wirklich, dass Niklas d-e-i-n Mann fürs Leben ist?“ „Ja?“, gab ich fragend von mir, und war äußerst irritiert über seine Andeutung. Er schüttelte seinen Kopf, als wüsste er mehr als ich. „Nein?“, sagte ich dann verwirrt. „Ach Ben … ich weiß es doch auch nicht. Das weiß man doch nie! … Oder? Sonst würde es ja auch keine Scheidungen geben.“ „Aber hör dich doch mal selbst reden, dann würdest du dir auch nicht glauben.“

Hatte er vielleicht recht?

Liebte ich Niklas genug, um mit ihm mein restliches Leben zu teilen?

Ein echt mulmiges Gefühl krabbelte mir in die Venen.

„Bitte nerv mich jetzt nicht, … ich soll diese Bilder heute noch fertig bearbeiten! Wir reden später … okay?“

„Na gut, ich lass dich mal wieder, … Tschüssli!“

Gedankenverloren beobachtete ich ihn dabei, wie er wieder aus meinem Büro trippelte und zum Leuchttisch ging, der neben seinem Schreibtisch stand. Mit wild umherfuchtelnden Armen gestikulierte er bei ein paar Fotos mit einem Fadenzähler herum. Dabei fasste er sich immer wieder an die Stirn und schüttelte den Kopf. Offensichtlich dachte er über etwas ernsthaft nach und wirkte dabei sehr aufgebracht. Mir war klar – mit den Fotos konnte seine Reaktion absolut nichts zu tun haben.

Ein leises ‚Ping‘, das von meinem Computer kam, riss mich von Ben weg, und ich schaute nach, wer mir wohl eine E-Mail geschrieben hatte. Es war Malou, meine beste Freundin. Freudig öffnete ich ihre Nachricht.

Von: malou.salvatore@grand-hotel-paradiso.it

An: mia.becker@mikes-fotostudio.de

Datum: 14. August 2014

Betreff: dein Bild

Hey Süße!

Stell dir vor, endlich ist unser Wohnzimmer fertig! JUHU! Auch dein Bild hängt schon über unserem Kamin. Hast du heute Abend Zeit zum Skypen?

Und nein, wir haben immer noch keine Türen.

Leider!

Sonnige Grüße – Malou

Sie hatte wirklich mein Bild, das ich vor vielen Wochen mit noch einem Weiteren geschickt hatte, aufgehängt. Das freute und berührte mich auf eine bestimmte Art und Weise sehr. Kurz lugte ich auf meine Armbanduhr. Für eine ausführliche Antwort hatte ich fast keine Zeit. Also meldete ich mich nur kurz zurück, in der Hoffnung, sie würde noch vor ihrem Laptop sitzen.

Von: mia.becker@mikes-fotostudio.de

An: malou.salvatore@grand-hotel-paradiso.it

Datum: 14. August 2014

Betreff: re: dein Bild

Hi!

Schön, ein Lebenszeichen von dir zu erhalten. 20.00 Uhr würde passen, hab viel Arbeit …

Freue mich schon – mia =)

Mit neuem, frischem Elan fing ich wieder an, meine Fotos weiterzubearbeiten. Es war bereits nach Mittag, als ich den fertigen Bilderkatalog zufrieden und mit einem guten Gefühl an unsere Kundschaft weiter mailte. Ich lehnte mich entspannt zurück und kramte aus meiner braunen Ledertasche mein Salamisandwich hervor. Genauso, wie sich niemand wirklich über meine morgendliche Unpünktlichkeit aufregte, war es für mich kein Problem, dass meine Pausen manchmal zu kurz kamen oder dass es abends ab und an mal länger dauerte. Das brachte der Job ebenso mit sich, und dazwischen war immer ein bisschen Platz für Kaffee und einen wichtigen Tratsch mit Ben. Jetzt fand ich auch die benötigte Ruhe, den Inhalt meines wichtigen Kuverts genauer zu betrachten, legte mein Sandwich ab, putzte mir meine Schmierfinger an meinem Jeansrock ab und trank noch einen Schluck aus meiner Mineralwasserflasche. Mit gemischten Gefühlen nahm ich die Einladungen aus dem Kuvert.

Wie vereinbart waren es fünf Layout-Muster und zwei verschiedene Papiermuster-Streifen. Der Grafiker hatte sich echt Mühe gegeben. Alle fünf Einladungen im quadratischen Format waren ein Unikat. Im ersten Moment war ich überfordert, wusste nicht einmal, was mir auf Anhieb besser gefallen würde. Alleine die Entscheidung für M & N oder Mia & Niklas fiel mir schwer. Ich beschloss, alle fünf Einladungen nebeneinander auf meinem Schreibtisch aufzulegen und jede einzelne auf mich wirken zu lassen. Die Schriftwahl war echt toll. Mit meinen Fingern fuhr ich die Konturen nach. Dabei ging mir verschiedenes durch den Kopf. Was würde meine Mom sagen, mein Bruder, naja, eigentlich meine ganze Familie, und natürlich auch Malou, meine beste Freundin? Würde sich überhaupt jemand mit mir freuen, oder wären sie alle der gleichen Meinung wie Ben?

Freue ICH mich eigentlich?

Ich meine, hey – ich, Mia Becker, werde heiraten. Eigentlich müsste ich der glücklichste Mensch auf Erden sein – zumindest in meiner kleinen Welt. Aber ich war es nicht. Das Gefühl wollte sich einfach nicht einstellen. Bekam ich jetzt schon die berüchtigten kalten Füße?

Ben hatte absolut recht. Wie sollte mir jemand glauben, wenn ich es selbst nicht einmal tat. Das war echt deprimierend.

Kritisch schaute ich mir die Einladungen genauer an. Mmh … welche Meinung würde wohl Niklas zu den Karten haben?

Niklas musste immer sofort loswerden, was er dachte, egal, worum es ging. Er überrumpelte mich oft mit seiner Schnelligkeit und zwang mir dann, vermutlich unbewusst, seine Meinung auf. In solchen Momenten ging der Manager in ihm durch. Dann entschieden wir uns meistens für das, was er wollte. Seinen Egoismus schob ich manchmal darauf, dass er ein Einzelkind war.

Mir gefiel die Einladung mit einer weißen Calla-Blume und mit silbernen Initialen am besten. Es hatte so etwas von Reinheit, war schlicht und dezent. Unbewusst hallten mir Niklas´ Worte im Kopf nach: „Also, die Karte finde ich viel zu weiß. WIR brauchen etwas mit mehr Pepp!“ Genau sowas in der Art würde er von sich geben. Jetzt waren wir vier Jahre zusammen und manchmal dachte ich, ich würde ihn besser kennen als er sich selbst. Wir waren beide von Grund auf verschiedene Typen, aber Gegensätze ziehen sich bekanntlich an und sollten sich doch auf eine bestimmte Art und Weise irgendwie ergänzen.

Das war doch gut – oder?

Obwohl er für seinen strengen Terminplan nichts konnte, war ich noch immer stocksauer auf ihn, was sich aber bestimmt bis übermorgen, wenn er wieder da war, legen würde. Ich war kein nachtragender Mensch. Der Ärger verging meistens so schnell, wie er kam. Zumindest meistens. Und außerdem wollte ich unsere Wochenendbeziehung, die wir führten, seit er diesen Managerjob angenommen hatte, nicht überstrapazieren. Ich hatte wirklich keine Lust, die wenigen freien Tage, die uns blieben, mit streiten zu verbringen.

Meistens musste er kurzfristig in den Flieger steigen, um einen Deal für ein neues Projekt klarzumachen. Das kam in letzter Zeit häufiger vor.

Es war immer ein wichtiger Deal, ein neues Projekt und vor allem s-u-p-e-r-d-r-i-n-g-e-n-d.

Die Wochenenden waren dann auch noch oft mit diversen Cocktailpartys samt Charity-Events verplant. War der Vorwand auch ein ganz anderer, ging es dann doch hauptsächlich ums Geschäft. In einer lockeren Atmosphäre Kunden geschickt näher an sich zu binden, neue Deals abzuschließen – nebenbei noch die gute Sache, Spenden für Bedürftige zu sammeln.

Meistens, wenn so eine Party bevorstand, erfuhr ich es am gleichen Tag, indem mir mein Liebster ein Geschenk überreichte. In dem nett verpackten Karton war ausnahmslos stets ein ausgefallenes Cocktailkleid, was so gar nicht meinem Geschmack entsprach. Eines konnte man Niklas nicht vorwerfen, dass er geizig wäre – ganz im Gegenteil. Aber die Geschenke, die er mir machte, hatten meist einen Hintergedanken, und waren eher als Vorteil für ihn gedacht. Mit der Zeit studierte ich eine Überraschungs-Mimik ein. „Wow, toll, ein Kleid … wer hätte das gedacht?“ Auch wenn ich mich in den sündteuren Kleidern nie richtig wohl fühlte, weil sie einfach zu eng und zu kurz waren und viel zu viel Spitze hatten … Ich trug sie trotzdem, ich wollte ja nicht undankbar sein. Aber tief in mir brodelte es und ich hasste diese Partys mit diesen Angebern und ihren aufgemotzten Tussis, wo die Tragödie perfekt war, wenn ein lackierter Nagel abbrach.

Zwischen seinem Arbeitskollegen Udo und ihm herrschte stets ein unerbittlicher Konkurrenzkampf. Meistens hing Udo mit den Zahlen hinterher, was Niklas in ein besseres Licht rückte. Ich konnte Udo nicht leiden, schon aus dem einen Grund nicht, weil er fast keine Situation ausließ, um mich anzumachen. Und das auf eine sehr billige Art und Weise. So ganz nach dem Motto, wenn ich schon das eine nicht haben kann, dann eben das andere. Kaum war ich in seiner Nähe, erhob er augenzwinkernd sein Glas und lächelte mir schmierig zu. Hatte er die Gelegenheit, und wir waren tatsächlich für einen kurzen Augenblick alleine an einem Tisch, überhäufte er mich mit derben Anmachsprüchen. Er ekelte mich richtig an. Niklas nahm es gelassen. Natürlich bekam er mit, was da abging, aber wenn Udo mit mir beschäftigt war, hatte er keine Zeit Deals abzuschließen. Und dass ich eine treue Seele war, wusste er. Also, ich war wichtig, sozusagen auch für sein erfolgreiches Geschäft, und deshalb störte es ihn nicht wirklich.

Nach einigen Champagnergläsern war ich locker, vielleicht auch sarkastischer als sonst, aber ich scherzte gerne mit älteren Damen und Herren. Das waren mir sowieso die Liebsten auf solchen Partys. Niklas stellte mich immer sehr gerne als s-e-i-n-e Zukünftige vor, denn das Wort Lebensgefährtin konnte er partout nicht ausstehen, weil er sich auch ständig dafür rechtfertigen musste, warum er mir immer noch keinen Antrag gemacht hatte. Das Wort Zukünftige passte da wesentlich besser, denn das hieß ja, dass wir bald heiraten würden und dass es, wie so vieles, nur an terminlichen Gründen scheiterte. Hatte ich zu viel von dem leckeren, prickelnden Zeugs abbekommen, fuhren wir auch schon wieder zu seiner Wohnung zurück, bevor ich richtig loslegen konnte und es peinlich für ihn werden würde. Insgeheim schmunzelte ich, denn die Leute dachten bestimmt, ich hätte ein Alkoholproblem. Dabei wollte ich nur so schnell wie möglich wieder weg von der High Society. Niklas war sportlich – naja, zumindest vorm Fernseher. Er liebte Amerikanisches Football, war vier Jahre älter und etwas größer als ich. Besonders wenn es um seine blonden Haare ging, konnte er sehr eitel sein. Die Länge und auch der Style mussten immer passen, bei jeder Wetterlage. Ein Dreitagebart kam für ihn nicht in Frage, auch nicht im Urlaub. Wenn er wollte und er es für angebracht hielt, konnte er richtig charmant sein, besonders wenn es ihm einen Vorteil verschaffte. Obwohl er penibel auf sein Gewicht achtete, liebte er Pommes abgöttisch. Ehrlich gesagt wundere ich mich bis heute, dass er noch nie auf die Idee gekommen war, mir eine Fritteuse zum Geburtstag zu schenken.

Außerdem war er auch noch hübsch, was bestimmt auch noch ein paar andere Frauen bemerkten. Aber meine Oma meinte einmal, er würde mit dem Haufen mitrennen. Sie mochte ihn nicht so gern.

Eigentlich machte es mir nicht mehr so viel aus, ihn nicht ständig um mich zu haben. Man gewöhnt sich daran, schneller als einem lieb ist; und an den Tagen, an denen wir uns nicht sahen, konnte ich viele Dinge nur für mich tun – wie beispielsweise Bilder malen. Ich liebte die Kunst und die Malerei, ging wahnsinnig gerne auf Kunstausstellungen. Meine Leidenschaft galt besonders der abstrakten Kunst. Diese Bilder packten mich einfach bei der Hand und entführten mich in eine andere Welt. Für Niklas war Kunst einfach nur unnötiges Zeugs; er sah keinen Sinn darin. Er mochte zwar meine Fotografien, nicht aber meine Bilder, oder Bilder generell nicht. Bis zum heutigen Tag hängt noch kein einziges meiner Bilder in seiner Wohnung. Und das wird sich auch in absehbarer Zeit nicht ändern. Ich betonte immer ganz bewusst SEINE Wohnung, denn bis auf Klamotten, eine Topfpalme, ein paar Badeutensilien und Franzl, meinem mittlerweile vereinsamten Goldfisch, befand sich in dieser Wohnung nichts von mir.

„Juhu, Mia, ich habe da etwas für dich!“, jodelte Ben vor sich hin. Wenn Gummizwerg zu mir ins Büro kam, sah man als erstes seinen großen Bauch, dann lange nichts und irgendwann kam dann sein rundliches Gesicht zum Vorschein. Prompt stellte er mir eine Tasse Kaffee auf den Schreibtisch und setzte sich ebenfalls auf einen weiteren Bürosessel, der mitten im Raum stand.

Appetitlos kaute ich auf meinem Salamibrot herum, murmelte ein „Danke, das ist lieb von dir“, und packte dann die Einladungen wieder zurück ins Kuvert.

„Mensch Mia-Schatz, jetzt lass den Kopf nicht so hängen! Es wird bestimmt schon alles gut werden!“

„Wenn du es sagst“, ich schluckte einen Bissen Brot hinunter. „Weißt du … vielleicht hast du ja recht und wir überstürzen das Ganze.“ Etwas Hoffnungsvolles lag in seinem Ausdruck. Nachdenklich schlürfte ich an meiner Tasse. „Kann ich dich was fragen?“

„Alles was du willst, Süße.“ Ben schlug die Füße übereinander und nippte ebenfalls an seinem Kaffee.

„Findest du, dass wir gut zusammenpassen, ich meine … Niklas und ich?“ Da riss er seine hellblauen Augen auf und musste husten, weil ihm der Kaffee in die falsche Richtung schoss.

„Also, das ist absolut … zu direkt … sowas darf ich und kann ich nicht beurteilen!“

„Ach komm schon … wir sind Freunde, wir können uns doch alles sagen!“, mein Blick war leicht verzweifelt auf ihn gerichtet.

„NEIN“, platzte es auch schon aus ihm heraus und gleichzeitig hielt er sich die Hand vor den Mund.

„Nein … du willst es mir nicht sagen, oder nein, wir passen nicht zusammen?“, fragte ich nochmals vorsichtig nach.

Tief durchatmend erklärte er es mir. „Nein, ich denke, ihr passt nicht zusammen.“

Jetzt war ich zutiefst geschockt.

Mit NEIN hatte ich beim besten Willen nicht gerechnet.

Wie konnte er mir das einfach so ins Gesicht sagen, spinnt er?

„Tut mir leid Mia, aber es ist die Wahrheit, und die Wahrheit ist manchmal unschön … aber ich möchte auf keinen Fall, dass meine beste Freundin einen falschen Typen heiratet und den schlimmsten Fehler ihres Lebens begeht …“ Dabei tätschelte er liebevoll meine Oberschenkel.

„Warum sollte ich?“, stammelte ich vor mich hin.

„Ich weiß auch nicht, bei euch fehlt mir irgendwie die Liebe. Ich denke ihr beide seid zusammen, weil keiner so richtig alleine sein will.“

Das hatte echt gesessen.

Emotionslos trank ich meinen Kaffee aus.

„Danke … für deine Ehrlichkeit.“

Back to Italy und der Wahnsinn beginnt erneut!

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