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Mia

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Langsam nahm die Umgebung wieder Formen und Farben an. Geräusche drangen leise an ihr Ohr und vorsichtig hob sie ihren Kopf, der auf ihrer Brust gelegen hatte. Sie saß auf einem Stuhl und war an diesen gefesselt. Die Situation war alles andere als toll.

Kurz musste sie die Augen schließen, weil sich das Zimmer, in dem sie sich befand, leicht drehte.

„Der Schwindel wird gleich nachlassen“, hörte sie die tiefe Stimme von ihrem Entführer.

Sie riss die Augen wieder auf. Er stand ans Fenster gelehnt und beobachtete sie.

„Sie können mich doch nicht einfach entführen“, keuchte sie auf.

Er kam näher, setzte sich verkehrt herum auf einen Stuhl ihr gegenüber und zog eine Augenbraue hoch. „Warum nicht? Wen sollte es interessieren? Die Polizei vielleicht?“

Beschämt senkte sie den Kopf. Natürlich gab es keinen, den es interessierte, ob sie entführt wurde. Bis auf die Kredithaie, die ihr Geld haben wollten. Was sollte sie der Polizei erzählen? Sie war erst bei ihrem angeblichen Vater gewesen, dann war sie hinter deren Tochter und Schwiegertochter hergestiefelt und dann? Ja, dann war sie dabei erwischt worden.

„Schau mich an.“ Seine ruhige Stimme ließ sie aufschauen. „Sehr gut. Beantworte mir nur ein paar Fragen, und ich lasse dich vielleicht wieder frei.“

Vorsichtig nickte sie. „Ok.“

„Ich habe deine Personalien überprüft. Dein Name scheint wirklich Mia Skye zu sein. Du stammst aus Kansas?“

Am besten kooperierte sie, damit sie so schnell wie möglich von ihm wegkam. Er schüchterte sie mit seiner dominanten Art ein. „Die Angaben stimmen, ich habe nicht gelogen. Ich komme aus Fairport in Kansas.“

„Was hat das mit der Halbschwester auf sich? Und diesmal keine Märchen“, befahl er streng.

„Das waren keine Märchen. Es ist eine lange Geschichte.“

Er stützte die Arme auf die Stuhllehne und legte seinen Kopf darauf ab. Bei jedem anderen hätte es beruhigend ausgesehen, bei ihm sah es eher aus, als ob er auf der Lauer lag. „Ich habe Zeit, Mia.“

„Dürfte ich Sie um etwas bitten?“

Jetzt sah er sie misstrauisch an. „Was?“

„Ein Schluck Wasser, bitte.“

Er stand auf und ging ins Nebenzimmer. Sie hörte, wie er hantierte, dann einen Wasserhahn rauschen. Er kam zurück, stellte ein Glas auf den Tisch und ließ ein Messer aufschnappen.

Sie wich zurück und keuchte auf.

„Ich möchte dir nur die Fesseln aufschneiden, keine Angst, Mia.“ Er trat vor sie und beugte sich über sie.

Sein Bauch drückte sich an ihr Gesicht und sie atmete seinen Geruch ein. Er roch fantastisch. Eine Mischung aus Sandelholz, Sonne und Zitrone.

Während er ihre Hände losschnitt – sie fragte sich lieber nicht, warum er nicht direkt hinter sie getreten war – roch sie ihn nicht nur, sondern spürte ihn auch. Seine harten Bauchmuskeln bewegten sich und nur zu deutlich konnte sie die Erektion an ihren Brüsten spüren.

Eigentlich sollte ihr die Situation Angst machen, aber das hier gerade, der enge Körperkontakt, die warme Berührung und der sinnliche Geruch, vernebelten ihr komplett die Sinne. Am liebsten hätte sie ihr Gesicht an ihm gerieben und ihre Nase noch tiefer vergraben.

Als ihre Hände frei waren, löste er sich nur langsam von ihr und sie musste all ihre Kraft aufbringen, um nicht nach ihm zu greifen.

Verdammt Mia, schalt sie sich in Gedanken, du sollst Angst haben und die nicht von ihm angezogen fühlen.

Er setzte sich wieder auf den Stuhl und sie nahm das Glas Wasser. Ihre Hände zitterten leicht und sicher bemerkte er es. Nachdem sie einen Schluck getrunken und das Glas zurück auf den Tisch gestellt hatte, traute sie sich ihn erneut anzuschauen. Sie rechnete schon damit, dass er gehässig grinsen würde, stattdessen musterte er sie nachdenklich.

„Vielen Dank für das Wasser. Ich könnte Ihnen dann …“

„Ich heiße Ryan“, unterbrach er sie barsch. „Und sag du.“

„In Ordnung“, stotterte sie überrascht.

„Dann los.“

Sie faltete die Hände im Schoß, damit sie diese nicht nervös knetete, und holte tief Luft. „Vor sieben Jahren bekam meine Mutter die Diagnose Brustkrebs. Am Anfang reichte das Gesparte für die Behandlung, doch nach zwei Jahren war das Geld weg, aber ihr ging es so schlecht, dass sie nicht mehr arbeiten konnte. Sie nahm einen Kredit auf und ich ging von der Schule ab, um arbeiten gehen zu können. Was ich verdiente, reichte für Miete, Essen und die Kreditraten aus. Bis die Behandlungen immer kostspieliger wurden und der Kredit aufgestockt werden musste. Vor einem Jahr dann brauchten wir für eine Behandlung, die vielversprechend klang, weiteres Geld. Die Bank wollte aber nichts mehr geben und so wandte ich mich an jemand anderen, der mir schnelles Geld versprach. Ich konnte den Kredit bei der Bank auslösen und hatte auch für die Behandlung das Geld übrig. Mir wurde versprochen, dass es keine festgesetzten Ratenzahlungen geben würde, sondern so, wie ich abzahlen konnte.“

Sie schaute Ryan nicht an, denn natürlich wussten er und auch sie, wie naiv dass alles gewesen war. Doch er sagte nichts dazu, also erzählte Mia weiter. „Vor vier Wochen ist sie gestorben und ich brauchte noch einmal Geld für die Beerdigung. Zwei Tage nachdem meine Mutter nicht mehr da war, bekam ich einen Brief von ihr. Wer ihn geschickt hat, weiß ich immer noch nicht. In diesem stand, dass mein Vater nicht tot sei, sondern sie eine Nacht mit Richard Gold, einem reichen Mann aus White Beach, gehabt habe. Ich solle mich an ihn wenden, damit ich die Schulden loswerde. Normalerweise wäre ich nie hierhergekommen, wenn …“

Sie brach ab. An ihre Mutter zu denken und auch daran, warum sie weggegangen war, rissen sie aus der Bahn. Eine kleine Träne rann ihr übers Gesicht und wurde von Ryans Finger aufgefangen.

Unbemerkt war er nähergekommen und schaute sie durchdringend an. „Wenn, was?“

Sie entzog ihm ihr Gesicht und blickte auf ihre Hände. „Wenn die Typen nicht auf sofortige Rückzahlung bestanden hätten. Das, oder ich hätte das Geld in einem ihrer Clubs abarbeiten sollen“, flüsterte Mia.

Ein Knurren ließ sie aufschauen. Sein Gesicht war wutverzerrt. „Schweine. Wie viel schuldest du ihnen?“

„45000.“

Er schüttelte ungläubig den Kopf. „Wie lange hättest du da in einem Club wohl für sie anschaffen müssen?“

Zu lange, das wusste sie. Mia presste die Lippen fest aufeinander.

„Gut“, seufzte er nun auf. „Du kannst gehen. Aber bleib von Kathy und Vicky fern. Es ist mir egal, ob deine Mutter die Wahrheit gesagt hat, oder nicht. Fakt ist, ich habe auf Kathy aufzupassen und Jace wird es nicht gefallen, wenn eine angebliche Halbschwester auftaucht.“ Er sah sie aus zusammengekniffenen Augen an.

Sie nickte heftig. „Natürlich, ich hatte nicht vor, zu einem von ihnen zu gehen. Ich wollte keinen belästigen, das war nie meine Absicht.“

Er gab ihr ihre Handtasche. „Wo wohnst du?“

„Ich habe ein Zimmer im Spang Motel.“

Er hatte ihr gerade die Haustür öffnen wollen, als er innehielt und sie geschockt anschaute. „Das ist jetzt nicht dein Ernst!?“

„Doch, warum?“

„Warte, ich hole meinen Schlüssel.“

Er verschwand kurz und kam keine Minute später wieder zu ihr zurück. Dann hielt er ihr die Tür auf und führte sie zu seinem Wagen.

„Du musst mich nicht fahren, wirklich nicht.“

„Steig ein.“ Er öffnete die Beifahrertür und sein Tonfall duldete keinen Widerspruch.

Die Fahrt dauerte, trotz Auto, über eine halbe Stunde. Während der Zeit redete niemand ein Wort. Mia schaute aus dem Fenster und hing ihren Gedanken nach.

Sie war mit dem Schrecken davon gekommen. Allerdings war ihr Problem mit dem Geld immer noch nicht gelöst. Sie musste sich dringend einen Job suchen. Ansonsten würde sie sich auch das Motel ganz schnell nicht mehr leisten können.

Am Ziel angekommen, hielt Ryan an, und bevor er auch nur seinen Gurt lösen konnte, hatte Mia ihren bereits gelöst und riss die Tür auf.

Sie flüchtete regelrecht aus dem Auto, und ehe sie die Tür zuwarf, erklang noch ein „Danke.“ Dann war sie schon auf dem Weg ins Motel.

Mia, still yours!

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