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Vicky

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S

arah genoss es, auf ihrem Schoß zu sitzen. Glucksend schaute sie zu ihrer Tante auf.

„Sie steht dir Vicky.“ Lächelnd schaute Kathy zwischen ihrer Tochter und ihrer Schwägerin hin und her.

„Das sagst du mir immer wieder, liebe Kathy, dafür fehlt mir aber immer noch der passende Mann.“ Wie man es gewohnt war, hatte Vicky sofort die passende Antwort parat.

Vicky dagegen beobachtete Kathy verstohlen. Von Tag zu Tag wurde ihre Schwägerin hübscher. Die jahrelangen Misshandlungen sah man ihr nicht mehr an. Als Vicky sie vor über 2 Jahren kennengelernt hatte, war ihr sofort aufgefallen, dass mit Kathy etwas nicht stimmte. Nach und nach war ihre Freundschaft tiefer geworden und der Verdacht hatte sich erhärtet, dass Kathy von ihrem Vater missbraucht wurde.

Als Jace, Vickys Bruder und jetzt Kathys Ehemann, mal wieder in White Beach aufgetaucht war, hatte das Schicksal seinen Lauf genommen.

Mittlerweile waren Jace und Kathy fast 1 ½ Jahre verheiratet und hatten Sarah, ihre knapp einjährige Tochter. Vicky liebte dieses kleine Wesen und ging in ihrer Rolle als Tante und Patin total auf. Dabei würde das keiner denken, wenn man sie so sah. Auf den ersten Blick wirkte Vicky gerne wie eine verwöhnte Schickimicki-Tussi. Sie stammte von einen der reichsten Familien aus White Beach ab und zog sich auch gerne chic an. Dazu hatte sie lange blonde Haare, die immer top gepflegt waren und große Brüste. Wobei diese nicht operiert waren, viele es aber annahmen.

Kathy war am Anfang auf diesen Schein auch hereingefallen, und hatte gedacht, dass sie eine oberflächliche Zicke sei. Schnell war ihre Meinung allerdings revidiert worden und sie waren beste Freundinnen geworden.

Vicky ließ ihre Nichte auf dem Schoß auf und ab hüpfen und die Kleine quiekte freudig.

Kathy bewunderte es, wie Vicky mit Kindern umgehen konnte. Daher hatte es sie auch nicht verwundert, dass Vicky nach dem High-School-Abschluss nicht auf die Uni zum Studieren gegangen war, sondern sich seit fast zwei Jahren um Straßenkinder kümmerte.

„Sind deine Eltern immer noch dagegen?“, fragte Kathy nun. Sie wusste, dass Vickys Eltern ihr die Pistole auf die Brust setzten.

„Ja, leider“, seufzte Vicky. „Ich kann mir jeden Tag anhören, dass ich etwas Anständiges aus meinem Leben machen soll. Immerhin sind wir eine angesehene Familie und da geht es mal gar nicht, dass die Tochter nicht auf eine der besten Universitäten im Land geht, sondern auf der Straße lebenden Kindern hilft. Charité wird zwar bei uns großgeschrieben, aber das sind dann steife Tanz- und Essveranstaltungen, wo Geld für verschiedene Projekte gesammelt wird. Keiner von den feinen Leuten würde doch einen Fuß dorthin setzen, wo ich jeden Tag hingehe.“ Vicky hatte sich wieder in Rage geredet. Ihre Eltern waren aus allen Wolken gefallen, als sie ihnen vor 2 Jahren eröffnet hatte, dass sie sich lieber für die Streetkids einsetzen wolle, als auf die Uni zu gehen. Daraufhin wurde ihr von ihrem Vater ein zeitliches Limit gesetzt. Wenn Vicky nicht innerhalb von drei Jahren anfing, sich einen Studiengang auszusuchen, und auch auf die Uni ging, oder einen Job fand der ihr Geld einbrachte, würde er ihr den Geldhahn zudrehen.

Er wollte nicht noch ein Kind, das auf die schiefe Bahn geriet. Jace, einst ein Auftragskiller, ging zwar mittlerweile legalen Geschäften nach, aber auch er war kein studierter Mann. Reich war er schon, aber man konnte auf keiner Teegesellschaft angeben, dass er in Harvard oder Yale gewesen war.

„Meine Eltern sind so engstirnig. Meine Mutter ist oberflächlich und würde in Ohnmacht fallen, wenn sie wüsste, mit was für Kids ich jeden Tag zu tun habe. Und mein Vater hat immer nur Angst um sein Ansehen.“

„Eltern wollen halt immer nur das Beste für ihre Kinder“, wandte Kathy ein.

„Das mag ja sein, aber es wäre toll, wenn sie mich auch in Dingen unterstützten würden, die von ihrem Weltbild abweichen.“ Vicky reichte Sarah wieder an Kathy zurück. „Aber egal, mir bleibt noch ein wenig Zeit, um zu überlegen, was ich nach Ablauf der Frist mache. Ich kann mir immer noch nicht vorstellen zu studieren. Aber ohne Geld … mal schauen. Ich muss los Kathy. Bestell Jace schöne Grüße und er soll dich ja weiter gut behandeln, sonst bekommt er es mit mir zu tun.“

Die jungen Frauen grinsten sich an. Beide wussten, dass weder Vicky ihrem Bruder, noch Jace seiner Schwester irgendetwas antun würde. Auch wenn sie so unterschiedlich waren, beide kamen sehr gut miteinander aus und liebten sich heiß und innig. Wobei nichts an die Liebe zwischen Jace und Kathy herankam. Die beiden hatten sich wirklich gesucht und gefunden.

Vicky verabschiedete sich von Kathy und stieg in ihren Flitzer ein. Ihr Mutter wurde die Hände über den Kopf zusammenschlagen, wenn sie wüsste, dass sie mit ihrer Aufmachung und ihrem Auto in das schlimmste Viertel von White Beach fuhr. Allerding wusste Vicky, dass ihr dort nichts passieren würde.

An sich war aber ihr ganzes Vorhaben sehr schwierig gewesen. Sie wollte die Kids trainieren. Zwar kämpften sie auf der Straße, aber sie wollte ihnen ein faires Miteinander beibringen. Dafür brauchte es erst einmal eine Trainingshalle, wo sie die Kinder hatte trainieren können. Egal, in welchem heruntergekommenen Laden sie vorgesprochen hatte, keiner hatte ihr für nachmittags in seiner Halle Platz anbieten wollen. Dabei zahlte sie natürlich dafür.

Als sie diese Hürde genommen hatte, galt es, die härteste Nuss zu knacken: die Straßenkinder.

Am Anfang war nur eine Handvoll erschienen. Gammelig, kaugummikauend und jedem Klischee entsprochen, hatten sie auf Vicky gewartet.

Als dann Vicky in ihrem teuren und engen Sportdress die Halle betreten hatte, waren alle sprachlos gewesen. Kids, wie auch die dort trainierenden harten Kerle.

Keiner von ihnen ahnte, dass Vicky in vielen Kampfsportarten ausgebildet und zusätzlich noch bei Jace in die Schule gegangen war. Hier hatte sie etliche Streetfightelemente und auch teilweise Boxen gelernt.

Die allererste Stunde war sie wirklich von allen belächelt worden, danach hatten einige von den Männern die Halle humpelnd verlassen. Seither war ihr Kurs stetig mit Kids gewachsen. Und mittlerweile war auch fast jedes Alter von 9 bis 17 Jahre vertreten.

Vicky hatte sich einen hohen Status erarbeitet und erkämpft und jeder dort von ihnen würde sie mit seinem Leben verteidigen.

Daher freute sie sich wie jeden Tag auf ihre Trainingseinheit. Sie parkte den Flitzer auf dem Hof und betrat die Halle über den Hintereingang. Barney, der Besitzer, hatte ihr relativ schnell einen Schlüssel für die Tür gegeben, damit sie nicht zig Blocks entfernt parken musste. Dabei ging sie sehr gerne durch das Viertel spazieren. Man kannte sie und respektierte sie. Oft brachte sie den kleinen Kindern etwas Süßes mit.

Sie hatte sich schon bei Kathy umgezogen. Auch wenn sie hier in der Umkleidekabine keiner anpacken würde, so ekelte sie sich immer noch vor diesen Räumen. Wie oft hatte sie Barney nun angeboten, dass sie die Renovierung dafür zahlen würde. Da hier kaum Frauen hinkamen – mittlerweile durch die Kinder aber doch – waren die Umkleidekabinen und Duschen bisher nur von Männern benutzt worden. Da Barney aber nicht so viel von putzen hielt, sah es entsprechend dort aus.

Vicky betrat die Halle und wurde – wie immer – mit einem lauten Hallo von allen begrüßt. Schon wieder war die Gruppe größer geworden und ein Strahlen ging über ihr Gesicht.

Zwischen Auftrag und Liebe

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