Читать книгу Zwischen Auftrag und Liebe - Melanie Weber-Tilse - Страница 6
Vicky
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ie immer, ließ Vicky die Kids durch die Halle laufen und sich warm machen. Sie beobachtete jeden von ihnen. Die meisten kannte sie und wusste, wen sie besonders im Auge behalten musste. Wer gerne auch mal ein wenig stänkerte, wenn er meinte, nicht beobachtet zu werden.
Dabei fiel ihr Blick auf einen Mann, den sie hier noch nie gesehen hatte. Die Männer, die sonst nachmittags hier waren, kannte sie mittlerweile alle. In einer schnellen Abfolge schlug er auf seinen Sandsack ein. Seine Muskeln arbeiteten unter der Haut und sie hatte noch nie erlebt, dass der Anblick eines halbnackten Mannes sie so aus der Bahn warf.
Seine Schläge waren geschmeidig und sein Körper durchtrainiert. Jeder Schlag war präzise und Vicky erkannte sofort, dass sie keinem Amateur zusah. Das hier war ein Profi. Obwohl er weiter weg war, konnte sie den Schweißfilm auf seiner Haut erkennen. Er trainierte heute schon länger, denn die Sehnen und Muskeln traten stark hervor.
Zwischen ihren Beinen fing es an zu kribbeln, und sie musste sich zusammenreißen, dass sie diese nicht aneinander rieb. Verdammt, machte der Typ sie heiß.
Lautes Brüllen und Tumult ließen Vicky zusammenzucken. Wie konnte sie sich nur so gehen lassen? Schnell sprintete sie zur gegenüberliegenden Seite der Halle, wo sich eine große Traube von Kids gebildet hatte.
Sofort wurde ihr ein Gang zu den zwei Streithähnen gebildet. Unten lag Steve, ein aufbrausender aber herzensguter 14-jähriger Junge. Auf ihm saß ein neuer Junge, der übersät war mit Tätowierungen. Wobei sie sich nie von Äußerlichkeiten täuschen ließ. Einige der Kinder waren teilweise am ganzen Körper tätowiert, waren aber im Umgang total nett, wenn man sie erst einmal kannte.
Der neue Junge drosch auf Steve ein, der keine Chance gegen den größeren und schwereren Jungen hatte.
„Sofort aufhören“, brüllte Vicky.
Der Junge dachte gar nicht daran. Vicky trat ganz nah heran und brüllte noch einmal: „Ich. Sagte. Aufhören!“
Der Junge ließ von Steve ab und fixierte sie mit zusammengekniffenen Augen. „Du Schlampe hast mir gar nichts zu sagen.“
Sie kannte die meist derbe Ausdrucksweise der Kids und störte sich normalerweise nicht daran. Allerdings gingen Beleidigungen bei ihr gar nicht.
„Du hast eine Chance, dich zu entschuldigen. Bei Steve und bei mir.“
Höhnisch lachte der Junge auf. „Was sonst?“
„Sonst muss ich dir leider die Regeln ein wenig deutlicher zeigen.“
„Du Hure hast mir gar nichts zu sagen. Und an Regeln …“
Bevor er nur fertig sprechen konnte, hatte ihn Vicky am Kragen gepackt und von Steve hochgezerrt. In einer schnellen Bewegung fasste sie seinen Arm, drehte ihn herum, ließ ihn über ihr angewinkeltes Bein fallen.
Das alles passierte blitzschnell. Nun lag der Junge mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden und Vicky fixierte ihn mit nur einer kleinen Bewegung dort unten.
„Jetzt ganz langsam für dich. Es gibt hier keine Schlägereien, keine Beleidigungen. Es wird nach Regeln gekämpft. Wir vergreifen uns nicht an Kleineren oder Schwächeren, außer sie fühlen sich bereit, gegen dich anzutreten. Wir behandeln uns mit Respekt. Dazu gehört auch, dass man sich entschuldigt, wenn man Mist gebaut hat.“ Vicky hatte mit lauter aber ruhiger Stimme gesprochen.
In der Halle war es still geworden. Sogar die Männer hatten aufgehört zu trainieren und folgten der Szene. Es war nichts Neues, das Vicky sich immer wieder durchsetzen und Respekt verschaffen musste, aber noch nie hatte sie so extrem handgreiflich werden müssen.
„Es ist nämlich äußerst demütigend, unten zu liegen und sich nicht wehren zu können. Das siehst du doch hoffentlich ein. Haben wir uns verstanden?“ Noch immer hielt Vicky den Jungen am Boden.
„Leck mich, du Schlampe“, grummelte dieser allerdings.
„Tut mir leid, aber ich halte mich an das Gesetz und werde mich ganz sicher nicht an Minderjährigen vergehen.“
Leises Kichern war aus der Menge zu hören.
„Wollen wir nun hier die ganze Stunde so bleiben? Ich meine, mich stört das nicht, ich sitze relativ gemütlich.“ Vickys Stimme war sanft geworden. Kein Spott oder Hohn war zu hören.
Sie bemerkte den inneren Kampf, den der Junge gerade ausfocht. Sie hatte ihn immerhin vor der gesammelten Mannschaft gedemütigt. Aber manchmal musste man den unschönen Weg gehen, um etwas zu erreichen.
„Ich habe verstanden. Entschuldigung“, kam es da ganz plötzlich von dem Jungen. Vicky war sich allerdings nicht ganz sicher, ob er es ehrlich meinte. Aber da er sich entschuldigt hatte, ließ sie ihn sofort los und stand von ihm auf.
„Gut, dann wollen wir mal weiter …“
„Ich bring dich um“, brüllte es da hinter ihr und sie wirbelte blitzschnell herum. Doch sie kam gar nicht dazu, sich wehren zu müssen.
Wie der Fremde so schnell zu ihnen gekommen war, wusste Vicky nicht. Wahrscheinlich hatte er sich schon vorher genähert. Dieser hatte sich den Jungen gepackt und in den Schwitzkasten genommen.
„Du hast gehört, was die Lady gesagt hat“, knurrte er.
Vicky sah kurz zu dem Fremden und wandte dann dem Jungen ihre ganze Aufmerksamkeit zu. „Wenn du mit den Regeln hier nicht zurechtkommst und du auch keinen Bock drauf hast, solltest du besser gehen. Störenfriede haben hier nichts verloren.“
Der Junge spuckte ihr als Antwort vor die Füße.
„Gut, wenn das deine Antwort ist …“
Vicky sah nun den Fremden wieder an.
Er nickte ihr zu. „Komm mit, ich begleite dich mal nach draußen.“ Dann führte er den Jungen davon.
Vicky drehte sich zu ihrer Gruppe um.
„Genug gegafft, nun beginnt endlich das Training. Noch fünf Runden laufen, dann wie immer Stretchen.“
Ohne ein Murren setzten sich die Kids wieder in Bewegung.
Der Fremde trat neben sie und nun konnte sie ihn von Nahem betrachten. Seine kurzen Haare waren feucht und schimmerten dunkel. Er hatte ein kantiges Gesicht. Sein Blick war stechend und er hatte schmale Lippen. Ein Dreitagebart zierte sein Gesicht. An seinem Körper war kein Gramm Fett zu erkennen. Sein männlicher Duft betörte sie. Er roch nicht nach abgestandenem Schweiß, was sie von vielen der Männer hier kannte, sondern sein Geruch war männlich herb mit einer leichten süßlichen Note seines Duschgels. Seine Trainingshose saß ihm tief auf den Hüften und Vicky wäre gerne mit den Fingern der feinen Haarstraße gefolgt, die dort in der Hose verschwand.
Sie musste sich jetzt ganz schnell zusammenreißen, sonst würde sie ihn auf die Matte legen und diesmal aus ganz anderen Gründen. „Danke, auch wenn ich alleine mit ihm fertig geworden wäre.“
Sie hielt ihm die Hand hin und sein Händedruck war fest. „Natürlich hätten Sie die Situation geregelt. Ich wollte dem Jungen nur die weitere Demütigung ersparen, von einer Frau aufs Kreuz gelegt zu werden.“ Sein Lächeln war freundlich und doch enthielt es etwas, was Vicky frösteln ließ.
„Äh, ja Danke Mr. …?“
„Vincent. Nennen Sie mich bitte Vincent.“
„Also danke nochmal Vincent. Ich bin Vicky. Eigentlich Victoria, aber der Name ist mir zu steif.“
„Vicky passt zu Ihnen. Der Name ist sinnlich, so wie Sie es sind.“
Heilige Scheiße. Sie entzog ihm endlich ihre Hand, bevor ihr Höschen weiter feucht wurde und sie sich wie eine rollige Katze an ihm rieb.
„Wirklich nett von Ihnen.“ Nett? Sie war echt bescheuert. „Ich muss dann mal wieder zu meiner Gruppe.“
„Viel Spaß Vicky. Es hat mich außerordentlich gefreut.“
Das erste Mal war Vicky wirklich wegen eines Mannes total durcheinander. Normalerweise hatte sie immer einen lockeren Spruch auf Lager und plapperte meist sogar viel zu viel. Meistens hatte sie aber auch mit jüngeren Männern zu tun, die einmal nicht die Erfahrung aufweisen konnten, wie sicher Vincent es tat. Andererseits hielten sie neben Vincent ihr Milchbubi-Image aufrecht.
Vicky war lange keine Jungfrau mehr. Aber bisher waren ihre sexuellen Erfahrungen sehr frustrierend gewesen. Allerdings war sie beim Anblick eines Mannes auch noch nicht feucht geworden.
Bevor sie sich jetzt aber weiter darüber Gedanken machte, ging sie zu den Kids und fing endlich mit dem Training an.