Читать книгу Milly Darrell - Мэри Брэддон, Мэри Элизабет Брэддон - Страница 10
VIII. Kapitel.
Auf der Wacht.
ОглавлениеDie Reisenden kamen nach Thornleigh im August zurück, als die Tage drückend heiß waren und das Laub bereits begonnen hatte, nach einem ungewöhnlich trockenen Sommer seine Frische zu verlieren. Milly und ich waren sehr glücklich mit einander gewesen und ich glaube, daß wir mit einer gewissen unbestimmten Furcht der bevorstehenden Unterbrechung unseres bisherigen Lebens entgegensahen. Sie liebte ihren Vater noch ebenso sehr wie immer und sehnte sich lebhaft danach, ihn wiederzusehen; aber sie wußte so gut wie ich, daß unsere Unabhängigkeit bei seiner Rückkehr enden mußte.
»Wenn er allein zurückkommen würde.« sagte sie — »wenn diese Heirath ein Traum wäre und er käme allein zurück — wie glücklich würde ich sein! Ich weiß, daß er aus eigenem Antrieb niemals sich irgend einem meiner Wünsche entgegenstellen würde; aber ich weiß nicht, wie er unter dem Einflusse seiner Frau handeln würde. Du kannst Dir gar nicht denken, welche Gewalt sie über ihn hat. Und wir werden das alte falsche Leben wieder beginnen, sie und ich — voll Widerwillen und Mißtrauen gegen einander in unsern Herzen — während wir uns äußerlich den Anschein des Gegentheils geben. O Mary, Du kannst Dir nicht denken, wie sehr ich es hasse.«
Wir hatten während unserer glücklichen Einsamkeit nichts von Julian Stormont gesehen, aber an dem für die Rückkehr von Mr. und Mrs. Darrell bestimmten Tage kam er nach Thornleigh, kummervoller als jemals aussehend. Da ich den Zustand seiner Gefühle in Betreff Millys kannte, so bemitleidete ich ihn ein wenig, indem ich wirklich glaubte, daß er sie mit seltener Innigkeit liebte und geneigt war, die Veränderung, die mit ihm vorgegangen, seiner vereitelten Hoffnung in dieser Beziehung zuzuschreiben.
Milly sagte ihm, wie übel er aussehe und er äußerte etwas über schwere Arbeit und späte Nachtstunden mit einem kleinen bitteren Lächeln.
»Es liegt ja Niemanden etwas daran, ob ich gut oder übel aussehe, Milly,« sagte er. »Wer würde sich darum bekümmern, wenn ich in einer dunkeln Nacht auf meinem Wege vorn Bureau nach meiner Wohnung nach meinem harten Tagewerk über den Quai stürzte und nicht mehr lebend gesehen würde?«
»Wie unrecht ist es von Dir, so zu sprechen, Julian! — Es gibt viele Leute, die sich bekümmern würden, — Papa voran.«
»Ich glaube wohl, daß mein Onkel sehr betrübt sein würde. Er würde einen guten Geschäftsmann verlieren und kaum geneigt sein, in das Bureau zurückzukehren und all die trockenen Details des Handels noch einmal auf sich zu nehmen.«
Kurz darauf trafen die Reisenden ein. Mr. Darrell begrüßte seine Tochter mit vieler Zärtlichkeit; aber in Mrs. Darrells Umarmung bemerkte ich eine Art von Gleichgültigkeit, die sehr verschieden von ihrer Aufnahme Millys bei der ersten Begegnung war, von der ich vor länger als einem Jahre Zeugin gewesen. Es schien mir, daß ihre Macht über ihren Mann jetzt ihren Höhepunkt erreicht habe und daß sie es nicht der Mühe werth hielt, den äußern Schein einer Zuneigung für sein einziges Kind aufrechtzuerhalten.
Sie war im gewähltesten Geschmack gekleidet und jener gedämpfte Zauber, welcher kaum Schönheit genannt werden kannte, aber die Stelle derselben einnahm, zog mich heute wie damals an, wo wir uns zum ersten mal begegneten. Es lag eine besondere Distinction, eine Originalität in dem zarten blassen Gesichte, in den dunkeln gewölbten Brauen und den grauen Augen — Augen, die zu Zeiten sehr glänzend waren.
Sie blickte ohne das geringste Zeichen von Interesse oder Bewunderung um sich, als sie mit ihrem Gemahl auf der Terrasse verweilte, während unzählige Reisesäcke, Shawls, Bücher, Zeitungen und Pakete von dem Wagen nach dem Hause gebracht wurden.
»Wie trocken und verbrannt sieht Alles aus,« sagte sie.
»Hast Du keine bessere Begrüßung als diese, meine liebe Augusta?« fragte Mr. Darrell in verwundertem Tone. »Ich hatte geglaubt, es würde Dich freuen, den alten Platz wieder zu sehen.«
»Thornleigh Manor ist keine Passion von mir,« antwortete sie. »Ich hoffe, Du wirst mit dem Beginn des nächsten Jahres ein Haus in der Hauptstadt nehmen.«
Sie trat in das Haus, nachdem sie mich mit einer möglichst kalten Darreichung ihrer Hand beehrt hatte. Wir sahen nichts mehr von ihr, bis es nahezu Zeit zum Diner war, wo sie herunter in das Wohnzimmer kam, weiß gekleidet und köstlich blaß und kühl in der schwülen Witterung aussehend. Milly hatte den Nachmittag damit zugebracht, daß sie ihren Vater auf seinem Rundgang durch die Gärten und die anstoßende Farm begleitete und so das Vergnügen gehabt, seine Gesellschaft einige Stunden allein und ungestört zu genießen. Jetzt aber mußte sie ihn der Mrs. Darrell überlassen, die ihm für die übrigen Theil des Abends ihre ganze Aufmerksamkeit widmete, während Julian Stormont, Milly und ich im Garten verweilten.
Mr. Egertons Name wurde nicht eher erwähnt, als am folgenden Morgen, obschon er seit der Ankunft von Mr. Darrell immer in meinen Gedanken war und, wie ich nicht zweifle, auch in denen von Milly. Wir befanden uns nach dem Frühstück im Wohnzimmer, unschlüssig, was wir mit dem Tag anfangen sollten, als Mr. Darrell zu einem Spazierritt mit seiner Frau gerüstet, ins Zimmer kam. Er trat ans Fenster, wo Milly stand.
»Du hast das Reiten ganz aufgegeben, meine Liebe, wie ich von Ellis erfahren habe,« sagte er.
»Ich habe keine Lust zum Reiten gehabt, während Du fort warst, Papa, da Mary nicht reitet,« antwortete sie.
»Miß Crofton hätte reiten lernen können; es würde stets ein Pferd zu ihrer Verfügung stehen.«
»Wir ziehen das Gehen vor,« antwortete Milly, ein wenig erröthend. »Du weißt, ich pflegte öfters vom Wege abzukommen, wenn ich mit Dir und Mrs. Darrell ausritt.«
»Das war Dein eigener Fehler,« sagte er mit einem mißbilligenden Blicke.
»Ich gebe dies zu; aber ich glaube, es erging Augusta zuweilen ebenso. O, beiläufig gesagt, Papa, ich habe Dir gestern, als wir zusammen waren, noch nicht alle die Neuigkeiten erzählt.«
»So!«
»Nein; ich vergaß zu erwähnen« daß Mr. Egerton hierher zurückgekehrt ist.«
»Angus Egerton?«
»Ja; er kam im letzten Winter zurück.«
»Du hast nichts davon in Deinen Briefen erwähnt.«
»Nicht? Ich glaube, es geschah deshalb, weil ich wußte, daß Du ein Vorurtheil gegen ihn hast und man ein solches in einem Briefe nicht wohl widerlegen kann.«
»Du würdest es sehr schwer finden, meinen Widerwillen gegen Angus Egerton in oder außer einem Brief mir auszureden. Hast Du ihn häufig gesehen?«
»Ziemlich häufig. Er war öfters im Pfarrhause anwesend, wenn Mary und ich dort eingeladen waren. Die Collingwoods hegen eine große Zuneigung für ihn. Ich bin überzeugt — ich glaube — daß Du ihm ebenfalls nicht abgeneigt sein wirst, wenn Du ihn näher kennen lernst. Er wird Dir einen Besuch abstatten.«
»Er mag kommen, wenn er will» antwortete Mr. Darrell mit gleichgültiger Miene. »Ich werde nicht unhöflich gegen ihn sein; es thut mir aber leid, daß er einen so günstigen Eindruck auf Dich gemacht hat, Milly.«
Sie blickte verlegen auf den Boden, ihre dunkeln Augen durch die langen Wimpern verschleiert.
»Ich habe das nicht gesagt, Papa,« murmelte sie schüchtern.
»Aber Dein Benehmen überzeugt mich davon. Hat er etwas für die Verbesserung seiner Besitzung gethan?«
»O ja; er hat die Dächer ausbessern lassen und man sagt, das Land sei jetzt in besserem Zustand und die Gärten würden in guter Ordnung gehalten.«
»Lebt er allein in der Priorei?
»Ganz allein.«
»Er muß das Leben dort sehr langweilig finden.«
»Mr. Collingwood sagt, er habe eine besondere Neigung zum Studieren und besitze eine wundervolle Sammlung von alten Büchern. Er ist, wie ich glaube, auch ein großer Raucher, geht viel spazieren und hat den ganzen Winter gejagt. Man sagt, er sei ein gewaltiger Reiter.«
Augusta Darrell kam in dem Augenblicke herein, zum Ausreiten bereit. Ihre schlanke geschmeidige Gestalt nahm sich in dem enganliegenden Reitkleid sehr gut ans und der kleine Filzhut mit einer rothen Feder gab ihrem Gesicht einen koketten Ausdruck. Sie berührte ihren Gatten mit ihrer Reitpeitsche am Arm.
»Nun, William, wenn Du bereit bist.«
»Meine Liebe« ich habe in der letzten halben Stunde auf Dich gewartet.«
Sie begaben sich zu ihren Pferden. Milly folgte ihnen auf die Terrasse und sah ihnen nach, als sie fortritten.
Wir brachten den Vormittag im Freien mit Skizzieren zu, während Julian uns begleitete. Um zwei Uhr kamen wir sämtlich zum zweiten Frühstück zusammen.
Nach demselben gingen Milly und ich ins Wohnzimmer, während Mrs. Darrell und Mr. Stormont sich auf die Terrasse begaben. Meine Freundin legte heute eine gewisse Unruhe an den Tag und ging von einer Beschäftigung zur andern über, bald sich ans Clavier setzend und einige Accorde spielend, bald ein Buch ergreifend und es dann mit einem Seufzer wieder weglegend. Endlich setzte sie sich an einen Tisch und begann die Skizzen ihres Portfolio zu ordnen. Während sie so beschäftigt war, meldete ein Diener Mr. Egerton an. Sie erhob sich rasch, erröthend wie ich sie vorher nie erröthen gesehen und nach dem nächsten offenen Fenster blickend, als ob sie die Absicht hätte, die Flucht zu ergreifen. Es war das erste mal, daß Angus Egerton nach Thornleigh Manor kam, seit sie ein kleines Kind gewesen.
»Melden Sie Papa, daß Mr. Egerton hier ist,« Filby,« sagte sie zu dem Bedienten. »Sie werden ihn wahrscheinlich in der Bibliothek finden.«
Sie hatte ihre Selbstbeherrschung wieder einigermaßen erlangt, als sie den eintretenden Besucher begrüßte und in wenigen Minuten unterhielten wir uns in der gewöhnlichen freundschaftlichen Weise.
»Sie sehen, Miß Darrell, daß ich keine Zeit verloren habe, Ihrem Papa meinen Besuch abzustatten,« sagte er. »Ich bin nicht zu stolz, ihm zu zeigen, wie sehr ich wünsche, seine Freundschaft wieder zu erlangen, wenn ich sie in der That jemals besessen hatte.«
Während dem trat Mr. Darrell ins Zimmer und obschon er sich vorgenommen haben mochte, den Gebieter der Priorei möglichst kalt zu empfangen, so wurde doch sein Benehmen bald milder und herzlicher. Angus Egerton hatte einen gewissen Zauber in seinem Wesen, der sich nicht leicht beschreiben läßt und der, wie ich glaube, einen mächtigen Einfluß auf alle Diejenigen ausübte, die ihn kannten.
Ich bildete mir ein, daß Mr. Darrell diesen Einfluß ebenfalls fühlte, dagegen kämpfte und ihm zuletzt nachgab. Ich sah, daß er seine Tochter aufmerksam, ja selbst ängstlich beobachtete, während sie mit Angus Egerton sprach, als ob er bereits über den Zustand ihrer Gefühle in Bezug auf ihn Verdacht hätte. Mr. Egerton hatte das offene Portfolio erblickt und darauf bestanden, die Skizzen zu betrachten, obschon es keineswegs die ersten waren, die er von Millys Hand zu sehen bekam. Ich bemerkte das ernste, fast zärtliche Lächeln, womit er die kleinen künstlerischen Stücke aus dem Cumberholz besichtigte. Die ganze Zeit über, während er diese Skizzen betrachtete setzte er seine Unterhaltung mit Mr. Darrell fort, von der Umgegend und den Veränderungen, die in den letzten Jahren vorgegangen, und ein wenig von der Priorei und den Verbesserungen, die er in derselben vorzunehmen gedachte, sprechend.
»Ich kann nur im Schneckenschritt vorgehen,« sagte er, »da ich entschlossen bin, mich nicht in Schulden zu stürzen und verkaufen will ich auch nicht.«
»Ich wundere mich, daß sie niemals den Versuch gemacht haben, die Priorei in den Jahren, die Sie im Ausland zugebracht, zu vermiethen,« warf Mr. Darrell ein.
Mr. Egerton schüttelte lächelnd den Kopf.
»Ich konnte mich nicht dazu bringen,« sagte er, »obschon ich nothwendig genug Geld bedurfte. Es war nie ein fremder Gebieter zu Cumber« seit es den Egertons gehört. Es ist wahrscheinlich eine törichte Sentimentalität von meiner Seite; aber ich glaube, ich würde lieber den alten Platz langsam verfallen lassen, als in dem Besitz von Fremden sehen.
Er stand am Tische, wo das offene Portfolio lag, mit Milly zur Seite und eine ihrer Skizzen in der Hand, als Mrs. Darrell durch das zunächst dieser Gruppe befindliche Fenster eintrat und, aus der Schwelle stehen bleibend, ihn erblickte. Ich glaube, ich war die einzige Person, die ihr Gefühl in diesem Augenblicke sah. Es war ein so plötzlicher Ausdruck, der darauf erschien, ein Ausdruck halb des Schreckens, halb des Schmerzes, und er verschwand so schnell wieder, daß ich kaum Zeit hatte, ihn zu fassen, als er schon wieder verschwunden war; aber es war ein Ausdruck, der mir die fast vergessene Scene in dem kleinen Studirzimmer der Priorei wieder ins Gedächtniß zurückrief und meine Verwunderung darüber erregte, was es wohl sein könnte, daß den Angus Egerton, entweder im Fleisch oder im Bild, zu einem Gegenstand der Aufregung für Millys Stiefmutter machte.
Im nächsten Augenblick stellte Mr. Darrell seinen Besuch seiner Frau vor und als dies geschah, heftete ich meinen Blick auf Mr. Egertons Gesicht. Es war bleicher als gewöhnlich und der Ausdruck in Mrs. Darrells Gesicht schien sich gewissermaßen darin wiederzuspiegeln. Ich hielt es nicht für möglich, daß dieser beiderseitige Ausdruck ohne eine Bedeutung war. Ich hegte vielmehr die Ueberzeugung, daß diese beiden Leute sich bereits früher gekannt haben müßten.
Von dem Augenblicke an, wo diese Verstellung stattfand, trat eine Veränderung in Mr. Egertons Benehmen ein. Er legte ohne ein weiteres Wort Millys Skizze nieder und stand unbeweglich da, die Augen mit einem sonderbaren, halb verwirrten Blick auf Augusta Darrells Gesicht gerichtet, wie ein Mann, der dem Zeugniß seiner eigenen Sinne nicht traut.
Mrs. Darrell dagegen schien jetzt ihre ganze Selbstbeherrschung wieder erlangt zu haben und plauderte fröhlich über des Vergnügen der Reise in Tyrol im Vergleich zu der Einförmigkeit des Lebens in Thornleigh.
»Ich hoffe, daß Sie ein wenig Leben hier in die Gesellschaft bringen werden, Mr. Egerton,« sagte sie. »Es ist wirklich eine angenehme Ueberraschung, einen neuen Nachbarn zu finden.«
»Ich sollte mich durch diese Bemerkung sehr geschmeichelt fühlen; aber ich zweifle an meiner Fähigkeit, etwas zur Belebung der Geselligkeit dieses Theils der Welt beitragen zu können. Und ich glaube nicht, daß ich länger in Cumber bleiben werde.«
Milly sah ihn mit einem überraschenden Blick an.
»Mrs. Collingwood hat uns doch gesagt, Sie hätten sich gern in Cumber niedergelassen,« bemerkte sie, »und daß Sie die Absicht hegten, den Rest Ihrer Tages als Landedelmann zuzubringen.«
»Ich mag zuweilen einen solchen Traum geträumt haben, Miß Darrell; aber es gibt Träume, die nie zur Wahrheit werden.«
Er hatte sich jetzt wieder vollkommen ermannt , und sprach in seinem gewohnten Tone. Mr. Darrell , lud ihn für einen der nächsten Tage, wo, wie ich wußte, auch der Pfarrer mit seiner Familie geladen war, zum Diner ein und die Einladung wurde angenommen.
Julian Stormont war der Mrs. Darrell von der Terrasse ins Zimmer gefolgt und im Hintergrund geblieben, ein sehr aufmerksamer Zuhörer und Beobachter der darauffolgenden Unterhaltung.
»So, das ist Angus Egerton,« sagte er, als unser Besuch uns verlassen hatte.
»Ja, Julian. Jetzt fällt mir erst bei, daß ich vergessen habe, Dich ihm vorzustellen.« antwortete Mr. Darrell.
»Ich kann nicht sagen, daß ich besonders nach der Ehre geize, diesen Gentleman kennen zu lernen,« sagte Mr. Stormont in halbverächtlichem Tone.
»Warum nicht?« fragte Milly schnell.
»Weil ich nie etwas Gutes von ihm gehört habe.«
»Aber er hat sich geändert, wie es scheint,« sagte Mr. Darrell, »und er führt zu Cumber, wie mir die Collingwoods sagen, ein ganz solides Leben. Augusta und ich haben diesen Morgen im Pfarrhause einen Besuch abgestattet und der Pfarrer und seine Frau haben viel von ihm gesprochen. Ich gestehe, er hat mir so eben sehr gut gefallen.«
Milly blickte dankbar zu ihrem Vater empor. Das arme Kind! wie unschuldig und unbewußt verrieth sie ihr Geheimniß! und wie wenig dachte sie an die eifersüchtigen Augen, die sie beobachteten! Ich sah, wie Julian Stormonts Gesicht sich verfinsterte und ich wußte, daß er bereits den Zustand von Millys Gefühlen in Bezug aus Angus Egerton entdeckt hatte.
Er befand sich noch immer bei uns, als Mr. Egerton zwei Tage später zum Diner kam. Ich werde diesen Abend niemals vergessen. Der Tag war drückend heiß gewesen und im Laufe des Nachmittags hatte sich jene eigenthümliche Stille in der Luft eingestellt, die man öfters vor einem Gewitter bemerkte. Milly war den ganzen Tag über voll Leben und Beweglichkeit gewesen, indem sie mit einer Art freudiger Ruhelosigkeit von einem Zimmer zum andern flatterte. Sie verwendete für diese so einfache Partie eine ungewöhnliche Sorgfalt auf ihre Toilette und als sie in mein Zimmer kam, sah sie in ihrem weißen Gazekleid und ihren halbaufgeblühten Rosen im Haar wie Titania aus.
Mr. Egerton traf etwas später als die Gäste aus dem Pfarrhause ein und nachdem er Mr. Darrell begrüßt hatte, begab er sich sogleich zu dem Platze, wo Milly und ich saßen.
»Haben Sie, seit ich zum letzten mal mich hier befand, weitere Skizzen fertig gemacht, Miß Darrell?« fragte er.
»Nein; ich habe in den letzten Tagen nichts weiter gethan.«
»Ich habe seit meinem Besuche hier über ihre künstlerischen Arbeiten viel nachgedacht. Ich bin nämlich stärker in der Kritik, als im eigenen Schaffen. Ich glaube, ich war damals gerade im Begriff, Ihnen eine kleine Vorlesung über Ihre Fehler zu halten. War es nicht so?«
»Ja; aber Sie brachen sie so plötzlich in der Mitte ab, daß sie mir von keinem besonderen Nutzen war,« antwortete Milly in piquirtem Tone.
»Hab’ ich es wirklich gethan? O ja, ich erinnere mich jetzt. Ich war von Mrs. Darrells Erscheinung ganz überrascht. Sie gleicht so auffallend einer Dame, die ich vor langer Zeit gekannt hatte.«
»Das ist wirklich ein seltsames Zusammentreffen,« sagte ich.
»Worum ein Zusammentreffen?« fragte Mr. Egerton.
»Mrs. Darrell hat fast dasselbe von Ihrem Porträt gesagt, als wir eines Tags in Cumber waren. Es erinnere sie an Jemand, den sie vor langer Zeit gekannt habe.«
»Was für ein ausgezeichneten Gedächtniß Sie für kleine Begebenheiten haben, Miß Crofton,« sagte eine Stimme hinter mir.
Es war die von Mrs. Darrell. Sie war unbemerkt von mir ins Zimmer und auf uns zu gekommen. Ob sie Angus Egerton gesehen hatte oder nicht, weiß ich nicht. Er erhob sich, um ihr die Hand zu reichen und fuhr dann fort, über Millys Skizzen zu sprechen.
Mr. Collingwood führte Mrs. Darrell in das Speisezimmer, während Mr. Egerton Milly seinen Arm gab. Beim Essen saß er neben ihr an der schön verzierten Tafel, welche um diese Jahreszeit stets mit einem Reichthum von Rosen geschmückt war. Ich sah die Blicke von Augusta Darrell während des Diners vielfach nach dieser Richtung wandern und fühlte, daß mein geliebtes Mädchen sich in einer Atmosphäre von Falschheit befand. Worin hatte die frühere Bekanntschaft zwischen Millys Stiefmutter und Angus Egerton bestanden? Und weshalb wurde sie von beiden schweigend verleugnet? Wenn es eine gewöhnliche Freundschaft war, so konnte kein Grund für diese Verheimlichung und Zurückhaltung gegeben sein. Ich hatte Angus Egerton niemals ganz getraut, obwohl ich ihm nicht abgeneigt war und ihn sogar bewunderte und diese geheimnißvolle Beziehung zwischen ihm und Mrs. Darrell war eine hinlängliche Ursache zu ernstem Mißtrauen.
»Ich wünschte, sie wäre weniger für ihn eingenommen,« sagte ich zu mir, als ich auf Millys heiteres glückliches Gesicht blickte.
Als wir nach dem Essen in das Wohnzimmer zurückkehrten, hatten die Miß Collingwoods viel mit Milly über eine große Croquet-Partie zu sprechen, welche zu Pensildon bei Sir John und Lady Pensildon vierzehn Meilen von Thornleigh entfernt, stattfinden sollte. Die Töchter des Pfarrers, welche einige Jahre älter waren, als Milly, liebten das Croquetspiel leidenschaftlich und waren über das bevorstehende Ereigniß voll Aufregung, indem sie sich darüber besprachen, was sie und Milly bei dieser Gelegenheit tragen sollten. Während sie in dieser Weise beschäftigt waren, erzählte mir Mrs. Collingwood eine lange Geschichte von einer ihrer armen Pfarrangehörigen — ein Thema, das bei ihr stets unerschöpflich war. Dieser Umstand ließ Mrs. Darrell unbeschäftigt und nachdem sie kurze Zeit am offenen Fenster gestanden, trat sie auf die Terrasse hinaus, die stets ihr Lieblingsaufenthalt in dieser Sommerwitterung war. Wenige Minuten später sah ich sie in ernster Unterhaltung mit Angus Egerton vor den Fenstern auf- und abgehen. Dies war einige Zeit vorher, ehe die andern Gentleman das Speisezimmer verließen und sie gingen noch immer langsam mit einander auf und ab, als! Mr. Darrell und der Pfarrer ins Wohnzimmer kamen. Das Gewitter hatte sich noch nicht eingestellt und es war heller Mondschein. Mr. Darrell ging hinaus und holte seine Frau mit einem sanften Tadel, daß sie sich in ihrem dünnen Musselinkleid der Nachtluft aussetze, herein.
Darauf kam Musik. Augusta Darrell sang einige alte englische Balladen, die ich bisher noch nicht von ihr gehört hatte. Es waren einfache rührende Melodien, welche, wie ich glaube, Thränen in unser Aller Augen brachten.
Mr. Egerton saß in der Nähe eines offenen Fensters mit seinem Gesicht im Schatten, während sie sang, und als sie das letzte dieser alten Lieder sang, erhob er sich mit einer halb ungeduldigen Geberde und ging aus die Terrasse hinaus. Wenn ich ihn und Andere in Bezug auf ihn um diese Zeit genau beobachteten, so geschah es aus keiner müßigen oder unbescheidenen Neugierde, sondern weil ich wußte, daß es sich um das Glück meiner theuren Freundin handelte. Ich bemerkte ihren enttäuschten Blick, als er am andern Ende des Zimmers blieb und den ganzen Abend sich mit den Herren unterhielt, statt daß er, wie er es immer während unserer angenehmen Abende im Pfarrhause gethan, auf irgend eine Weise in ihre Nähe zu kommen suchte.