Читать книгу Milly Darrell - Мэри Брэддон, Мэри Элизабет Брэддон - Страница 8
VI. Kapitel.
Eine neue Bekanntschaft.
ОглавлениеEs war kurz nach meiner Ankunft in Thornleigh, als ich zum ersten mal den Mann sah, dessen Geschichte ich zuerst in dem Studierzimmer der Priorei von Cumber vernommen hatte. Es war an einem schönen hellen Tage zu Ende Januar, als wir eines Nachmittags zu einem Spaziergang in unsern Lieblingswald aufbrachen, Milly mit Bleistift und Skizzenbuch, um irgend einen der alten blätterlosen Bäume, der ihr Interesse erregte, abzuzeichnen. In ihrem Enthusiasmus für die Kunst achtete sie zuweilen wenig auf die gerade herrschende kalte Witterung und setzte sich trotz meiner Bitten nieder, um einen Gegenstand zu skizzieren.
Wir blieben länger aus als gewöhnlich und Milly war ein- oder zweimal stehen geblieben, um eine rasche Skizze zu entwerfen, als sich der Himmel plötzlich schwarz umzog und dicke Regentropfen zu fallen begannen. Auf diese folgte sehr bald ein heftiger Schlagregen untermischt mit Schnee und Hagel. Da das Wetter ganz schön gewesen war, als wir vom Hause weggingen, so hatten wir weder Regenschirme noch sonst einen Schutz gegen den Sturm.
»Es wird das Beste sein, uns auf die Beine zu machen und zu laufen, was wir können,« sagte Milly.
»Aber wir können doch nicht vier Meilen laufen; wäre es nicht besser, wenn wir nach Cumber gingen und in dem Dorfe so lange warteten, bis sich das Wetter änderte oder zu versuchen, ob wir nicht irgend ein Fuhrwerk erhalten können.«
»Nun ich glaube auch, es würde das Beste sein. Aber es ist fast eine Meile von hier nach dem Dorfe.«
»Immer noch besser, als bei einem solchen Wetter durch den Wald zurückkehren,« sagte ich.
Wir befanden uns in diesem Augenblicke ganz nahe am Saume des Holzes und nur eine kurze Strecke von den Thoren der Priorei entfernt. Während wir noch unentschlossen im strömenden Regen dastanden, kam zwischen den blattlosen Bäumen eine Gestalt auf uns zu — die Gestalt eines Gentleman, wie wir an seiner Kleidung und Haltung sehen konnten. Wir waren früher in dem Walde nur Landleuten und Arbeitern begegnet und über diese Erscheinung ein wenig erstaunt.
Er kam rasch auf uns zu, seinen Hut abnehmend, als er in unserer Nähe war.
»Vom Sturme überrascht, meine Damen,« sagte er, »und wie ich sehe, ohne Regenschirme. Haben Sie weit zu gehen?«
»Ja« wir haben bis nach Thornleigh zu gehen,« antwortete Milly.
»Das ist in solchem Wetter ganz unmöglich. Wollen Sie in die Priorei kommen und warten, bis der Sturm vorüber ist?«
»In die Priorei! Ganz gewiß!« antwortete Milly. »Ich habe nicht daran gedacht. Ich kenne die Haushälterin sehr gut und bin überzeugt, daß sie uns dort unterstehen läßt.«
Wir schlugen den Weg nach den Thoren der Priorei ein, während der Fremde uns begleitete. Ich hatte keine Gelegenheit, ihn während des strömenden Regens zu betrachten, aber ich war neugierig, wer er war, daß er in einem so vertrauten Tone von der Cumber Priorei sprach.
Eines von den Thoren stand offen und wir traten ein.
»Nicht wahr, ein wüster Platz?« sagte der Fremde, »düster genug auch ohne die Verschönerung eines Wetters wie dieses.«
Er geleitete uns nach der Hausthüre und öffnete sie ohne Umstände, indem er dann auf die Seite trat und uns den Vortritt ließ. In der Vorhalle angelangt, führte er uns in ein Zimmer, in welchem ein Feuer brannte und dessen ganze Anordnung uns ersehen ließ, daß es bewohnt wäre.
»Ich will Mrs. Milly kommen lassen und sie soll Ihre nassen Shawle abnehmen, um sie zu trocknen,« sagte der Fremde, eine Glocke ziehend und ich denke, wir Beide begannen jetzt zu begreifen, daß er der Gebieter des Hauses sein müsse.
»Sie sind sehr gütig,« antwortete Milly, ihren triefenden Shawl abnehmend. »Ich wußte nicht, daß die Priorei bewohnt wäre, ausgenommen von den alten Dienern. Ich fürchte, Sie haben mich für sehr unbescheiden gehalten, als Sie mich so kaltblütig davon sprechen hörten, daß wir hier Schutz suchen wollten.«
»Ich bin im Gegentheil sehr erfreut darüber, daß Sie eine Zuflucht in dem alten Platz gefunden haben.«
Er rückte ein paar schwere geschnitzte Stühle an den Kamin und bat uns, Platz zu nehmen ; aber Milly zog es vor, in dem schönen, alten gothischen Fenster zu stehen und in den Regen hinauszusehen.
»Sie werden zu Hause besorgt um uns werden,« sagte sie, »wenn wir, ehe es finster wird, nicht heimkommen.«
»Ich wollte, ich besäße einen geschlossenen Wagen, um Ihnen denselben zur Verfügung zu stellen. Ich kann mich aber nur des Besitzes eines kleinen Korbwagens rühmen, wenn Sie sich nicht scheuen, in einem solchen gemeinen Fuhrwerk zu fahren. Er würde Ihnen wenigstens den Schmutz ersparen.«
Milly lachte fröhlich.
»Ich bin auf dem Lande ausgewachsen,« sagte sie »und scheue mich keineswegs, in einem Korbwagen zu fahren. Ich bin oft genug mit meinem Vater, ehe er heirathete, in dem seinigen ausgefahren.«
»Dann« wenn der Sturm vorüber ist, werde ich das Vergnügen haben, Sie nach Thornleigh zu fahren, wenn Sie mir die Ehre erweisen wollen.«
Milly sah ein wenig verlegen über dieses Anerbieten ans und machte einige Entschuldigungen über die Mühe, die Dies verursachen würde.«
»Ich glaube wirklich, wir können recht gut nach Hause gehen, nicht wahr, Mary, sagte sie und ich stimmte ihr darin bei.
»Es wäre Ihnen unmöglich, bevor es finster wird, nach Thornleigh zurückzukehren,« entgegnete der Gentleman. »Es würde mich beleidigen, wenn Sie die Benutzung meines Korbwagens ablehnten und darauf bestanden, nasse Füße zu bekommen. Wahrscheinlich sind Ihre Füße jetzt schon naß.«
Wir überzeugten ihn von der Dicke unserer Schuhe und gaben unsere Shawls der Mrs. Milly, die sie zum Trocknen in die Küche trug und den Befehl zum Anspannen des Korbwagens in den Stall zu bringen versprach.
Ich hatte jetzt Zeit, unsern neuen Bekannten näher anzusehen. Es war mir nicht schwer, in ihm das Original des Porträts, das Augusta Darrell in so seltsamer Weise betrachtet hatte, wieder zu erkennen. Er war viel älter als zur Zeit, wo das Porträt gemalt wurde — wenigstens zehn Jahre, wie ich glaubte. Auf dem Gemälde sah er wenig über zwanzig aus und jetzt hätte ich ihn für einen hohen Dreißiger gehalten.
Er war noch immer hübsch; aber das kräftige Gesicht hatte eine Art von rauhem Aussehen, dicke Brauen überschatteten die schwarzen Augen und ein starker, wildaussehender Bart umgab den Mund, konnte aber nicht ganz den halb cynischen, halb melancholischen Ausdruck desselben verbergen, der in den Winkeln der vollen festen Lippen sich ausprägte. Er sah wie ein Mann aus, dessen vergangenes Leben entweder eine traurige oder sündhafte Geschichte aufzuweisen hatte.
Wie ich ihn so betrachtete, rief ich mir die letzte bittere Unterredung mit seiner Mutter zurück und konnte mir denken, wie hart und grausam ein solcher Mann unter dem Einfluß einer unverzeihlichen Beleidigung sein mochte. Gleich Mrs. Darrell war ich geneigt, mich mehr auf die Seite der unglücklichen Liebenden als auf die der Mutter zu stellen, welche das Glück ihres Sohnes ihrem Geschlechtsstolz geopfert hatte.
Wir beobachteten alle Drei ein kurzes Schweigen, während Milly und ich am Fenster standen und Mr. Egerton am Kamin lehnte, mit einem zerstreuten Ausdruck in seinem Antlitz den Regen beobachtend. Endlich ermunterte er sich und trat an das Fenster, wo wir standen.
»Es sieht jetzt zwar sehr trostlos aus,« sagte er, »aber ich werde Sie im Handumdrehen nach Thornleigh bringen und so dürfen Sie nicht ängstlich sein. Nicht wahr, Sie wohnen im Herrnhause zu Thornleigh?«
»Ja.« antwortete Milly. »Mein Name ist Darrell und diese junge Dame ist Miß Crofton, meine sehr theure Freundin.«
Er verbeugte sich.
»Ich hatte mir’s gedacht — nämlich, daß Ihr Name Darrell ist. Als ich noch ein junger Bursche war, hatte ich die Ehre, Mr. Darrell recht wohl zu kennen und ich habe eine unbestimmte Erinnerung an ein kleines Kind in weißem Kleide, das, wie ich glaube, Sie gewesen sein müssen. Ich bin erst eine Woche hier, sonst würde ich mir das Vergnügen gemacht haben, meinen Besuch bei Ihrem Vater abzustatten.«
»Papa ist in Paris,« antwortete Milly, »mit meiner Stiefmutter.«
»Ah, er hat wieder geheirathet, wie ich höre — eine der vielen Veränderungen, die sich zugetragen haben, seit ich nicht mehr in Yorkshire gewesen bin.«
»Sind Sie für immer zurückgekehrt?«
»Das weiß ich selbst nicht,« antwortete er mit sorglosem Lächeln. »Ich bin selten lange desselben Sinnes; aber ich habe es herzlich satt, mich noch länger in der Welt herumstoßen zu lassen und ich kann das Leben hier kaum leerer und langweiliger finden, als ich es in Plätzen gefunden habe, welche die Leute unterhaltend nennen.«
»Ich kann mir nicht denken, daß Jemand eines solchen Platzes, wie die Priorei überdrüssig werde,« sagte Milly.
»Steinerne Mauern machen noch kein Gefängniß, noch eiserne Gitter einen Käfig. — An uns selbst liegt es, wenn wir so oder so sind. Können Sie sich nicht einen Mann denken, der seiner selbst und seiner Gedanken vollkommen überdrüssig wird? Vielleicht nicht. Das Lieben eines jungen Mädchens scheint ganz Sonnenschein zu sein. Was sollten auch solche glückliche Wesen von jener öden Vergeudung von Jahren wissen, die jenseits des dreißigsten Geburtstags eines Mannes liegen, wenn seine Jugend keine glückliche war? Ah, dort klärt sich der Himmel auf; der Regen wird sogleich vorüber sein.«
Der Regen hörte in der That auf, wie er prophezeit hatte. Der kleine Korbwagen wurde von einem Manne, der halb Stallknecht, halb Gärtner zu sein schien, an die Thüre gebracht und Mr. Egerton fuhr uns nach Hause. Sein Pferd war sehr gut und die Fahrt dauerte nur eine Viertelstunde, während welcher unser neuer Bekannte sich mit uns Beiden sehr lebhaft unterhielt.
Ich konnte nicht vergesse, daß ihn Mr. Darrell einen schlechten Menschen genannt hatte, aber trotzdem vermochte ich mich nicht dahin zu bringen, ohne ein gewisses Interesse an ihn zu denken.
Natürlich war Mr. Egerton diesen Abend der Gegenstand aller unserer Gespräche und wir waren beide geneigt, ihn wegen seines zerstörten Lebensglücks zu bedauern und des Benehmen seiner Mutter, so wenig wir die Einzelheiten kannten, zu verdammen. Unser Leben war so ruhig, daß dieser kleine Vorfall fast ein Ereigniß in demselben bildete, auf das unsere Unterhaltung immer wieder zurückkam .