Читать книгу Milly Darrell - Мэри Брэддон, Мэри Элизабет Брэддон - Страница 4
II. Kapitel.
Ein Besuch bei Milly.
ОглавлениеEs kam nicht oft vor, daß ich einen freien Nachmittag für mich hatte, denn Miß Susan Bagshot schien sich ein Vergnügen daraus zu machen, auch an den sogenannten Spieltagen immer etwas für mich zu thun zu finden; so oft ich aber bei diesen Gelegenheiten über meine Zeit verfügen konnte, brachte ich dieselbe in der Gesellschaft von Milly Darrell zu, in der ich vollkommen glücklich war. Ich hatte sie nach und nach so lieb gewonnen, wie ich Niemanden, der nicht von meinem eigenen Fleisch und Blut war, lieben zu können vermeint hatte und, indem ich sie so liebte, erwiderte ich nur die Zuneigung, die sie selbst für mich fühlte.
Ich bin überzeugt, daß es hauptsächlich meine Freundlosigkeit und meine untergeordnete Stellung in dieser Schule waren, welche mir das edelmüthige Herz dieses Mädchens zugewandt hatten und ich würde in der That ganz ohne Gefühl gewesen sein, wenn ich nicht dadurch gerührt worden wäre. Sie wurde mir denn auch sehr bald unaussprechlich theuer. Sie war von meinem eigenen Alter, fähig mit jedem meiner Gedanken und Ansichten zu sympathisieren, das aufrichtigste und offenherzigste Geschöpf, vielleicht ein wenig stolz auf ihre Schönheit, wenn sie von denjenigen, die sie liebte, gepriesen wurde, aber niemals stolz auf ihren Reichthum und niemals hochmüthig gegen diejenigen, deren Gaben geringer waren als die ihrigen.
Ich pflegte an diesen seltenen und glücklichen Nachmittagen in ihrem Zimmer meine Briefe nach Hause zu schreiben, während sie an einer Staffelei in der Nähe des Fensters malte. Das Zimmer war klein, aber besser möbliert als die gewöhnlichen Gemächer im Hause und mit allerlei hübschen Dingen ausgestattet — mit schöngebundenen Büchern, Gemälden und Nippsachen — welche Miß Darrell vom Hause mitgebracht hatte. Ueber dem Kamin hing eine große Photographie von ihrem Vater und über ihrem Bette ein etwas mehr geschmeicheltes Porträt desselben in Wasserfarben, von Milly selbst gemalt. Es war ein ausdrucksvolles und sehr hübsches Gesicht; aber mir kamen die Züge, selbst in Millys Porträt etwas hart und kalt vor.
Sie malte gut und besaß eine wahre Liebe für die Kunst. Ihre Studien zu Albury Lodge waren von ziemlich flüchtiger Beschaffenheit, indem sie keiner Klasse angehörte, obschon sie Unterricht von einem halben Dutzend Lehrern erhielt — im Deutschen, Italienischen, Zeichnen und in der Musik, aber sie war eine sehr vortheilhafte Pensionärin. Sie that so ziemlich, was ihr beliebte und ich glaube, daß Miß Bagshot eine wahre Zuneigung für sie hegte.
Ihr Vater reiste um diese Zeit in Italien und schrieb nur selten an sie, was ihr, wie ich wußte, häufig Kummer machte, aber sie schüttelte denselben in der heitern hoffnungsvollen Weise, die ihr eigen war, stets wieder ab, indem sie die Verzögerung seiner Briefe immer wieder zu entschuldigen suchte. Sie liebte ihn auf‘s innigste und die Trennung von ihm war ihr sehr schmerzlich; aber die Aerzte hatten ihm Ruhe, Luft und Ortsveränderung empfohlen und der Gedanke, daß er ihren Rath befolgte, tröstete sie.
An einem meiner freien Nachmittage um die Mitte des Sommers wurden wir durch ein ungewöhnliches Ereigniß in der Gestalt eines Besuchs von einem Verwandten Millys überrascht — einem jungen Manne, der eine wichtige Stellung in dem Geschäftshause ihres Vaters einnahm und von dem sie nur zuweilen, aber nicht viel, gesprochen hatte. Sein Name war Julian Stormont und er war der einzige Sohn von Mr. Darrell‘s längst verstorbenen Schwester.
Es war ein schwüler Nachmittag und wir saßen in einer Laube am Ende eines breiten Wegs, der den großen Garten durchzog. Milly hatte ihre Materialien zum Zeichnen auf dem Tische vor sich, aber dieselben noch nicht benutzt. Ich selbst beschäftigte mich mit einer Stickerei, welche mir Miß Susan Bagshot zur Anfertigung übergeben hatte. Wir saßen so da, als Sarah, die Hausmagd, herankam, um einen Besuch für Miß Darrell anzumelden.
Milly sprang empor, von Aufregung geröthet. »Es muß mein Papa sein» rief sie freudig.
»O nein, Miß, regen Sie sich doch nicht so auf. Es ist nicht Ihr Papa, sondern ein junger Gentleman.«
Sie gab Milly eine Karte.
»Mr. Stormont,« rief das Mädchen mit enttäuschtem Gesicht, »mein Cousin Julian. Ich werde gleich zu ihm kommen, Sarah. Aber ich wünschte, Sie hätten mir die Karte gleich gegeben.«
»Wollen Sie nicht zuvor hineingehen und etwas an Ihrem Haare ändern, Miß? die meisten jungen Damen thun dies.«
»O ja« ich weiß es; es giebt Mädchen, welche sich erst die Zeit nehmen ihr Haar in griechische Flechten zu ordnen, wenn ihr theuerster Freund im Besuchszimmer auf sie wartet. Mein Haar ist gut genug, Sarah. — Komm, Mary, willst Du nicht mit mir ins Haus zurückkehren?«
»Dort kommt der Gentleman, Miß,« sagte Sarah, und entfernte sich auf einem Seitenpfad.
»Es wird besser sein, wenn ich Dich verlasse, damit Du allein mit ihm sprechen kannst, Milly,« sagte ich; aber sie gebot mir in bestimmtem Tone zu bleiben und ich blieb.
Sie ging dem Herrn eine kleine Strecke entgegen. Er schien erfreut, sie zu sehen; aber sie empfing ihn, wie es mir vorkam, ziemlich kalt. Ich hatte aber nicht Zeit, lange darüber nachzudenken, denn sie brachte ihn gleich darauf nach der Laube und stellte ihn mir vor.
»Mein Cousin Julian — Miß Crofton.«
Er verbeugte sich ziemlich steif. Dann setzte er sich neben seine Cousine und legte seinen Hut auf den Tisch. Ich hatte Zeit genug ihn zu betrachten, während er über Allerlei, was mit Thornleigh und den Freunden von Miß Darrell in jener Gegend zusammenhing, sprach. Er war ein sehr hübscher Mann, blond und blaß, mit regelmäßigen Zügen und schönen blauen Augen, aber ich bildete mir ein, daß diese klaren Augen einen kalten Blick hätten und daß um seinen Mund und in dem kräftigen hervortretenden Kinne der Ausdruck eines eisernen Willens liege. Der obere Theil des Gesichte war gedankenvoll und auf der hohen weißen Stirne, von welcher das lichtbraune dünne Haar sorgfältig zurückgestrichen war, zeigten sich bereits einige Furchen. Es war, wie es mir schien, das Gesicht eines sehr gescheidten Mannes; aber ich war nicht ganz mit mir einig, ob es das Gesicht eines Mannes war, der mir gefiel, oder dem ich Vertrauen schenken mochte.
Mr. Stormont hatte eine tiefe wohllautende Stimme und eine angenehme Weise zu sprechen. Die Art, wie er seine Cousine behandelte, war halb ehrerbietig, halb scherzhaft; aber einmal als ich von meiner Arbeit plötzlich emporfuhr, fing ich einen Blick von tieferer Bedeutung in seinen kalten blauen Augen auf — einen Blick von eigenthümlichem Feuer, auf Millys schönes Gesicht gerichtet.
Was auch dieser Blick zu bedeuten hatte, sie selbst besaß keine Ahnung davon; sie plauderte fröhlich weiter von Thornleigh und ihren dortigen Freunden.
»Ich möchte so gerne nach Haus kommen, Julian,« sagte sie. »Glaubst Du, daß diesen Sommer eine Hoffnung für mich vorhanden ist?«
»Ich glaube, daß alle Hoffnung dazu da ist. Ich holte es sogar für ziemlich gewiß, daß Du nach Hause kommen wirst.«
»O Julian, wie froh bin ich!«
»Aber gesetzt, es stände Dir eine Ueberraschung bevor, wenn Du nach Hause kommst, Milly — eine Veränderung, die Dir Anfangs nicht ganz angenehm wäre?«
»Welche Veränderung?«
»Hat Dein Vater Dir nichts gesagt?«
»Nichts; er hat in den letzten sechs Monaten nur sehr selten geschrieben und nur über seine Reise.«
»Er war wahrscheinlich zu sehr beschäftigt und es sieht ihm ganz gleich« daß er nichts darüber gesagt hat. Wie würde Dir eine Stiefmutter gefallen, Milly?«
Sie stieß einen schwachen Schrei aus und wurde plötzlich bleich.
»Papa hat wieder geheirathet!« sagte sie.
Julian Stormont zog ein Zeitungsblatt aus der Tasche und legte es ihr vor, auf folgende Anzeige unter den Heirathsnachrichten in einer der Spalten deutend.
»Am 18. Mai in der englischen Gesandtschaft zu Paris William Darrell Esq. von Thornleigh, Yorkshire, mit Augusta, Tochter von Theodore Chester Esq. von Regents Park.«
Er las dies laut und sehr langsam vor, indem er dabei Millys blasses Gesicht beobachtete.
»Es ist kein Grund vorhanden, weshalb Du Dich darüber betrüben solltest, mein liebes Kind,« sagte er. »Es war ja nur zu erwarten; daß Dein Vater früher oder später wieder heirathen würde.«
»Ich habe ihn verloren,« rief sie in kläglichem Tone.
»Ihn verloren!«
»Ja; er kann mir nie mehr derselbe sein« der er gewesen ist. Seine neue Frau wird zwischen uns treten. Nein, Julian, ich bin nicht eifersüchtig. Ich mißgönne ihm nicht sein Glück, wenn ihn seine neue Frau glücklich machen kann. Ich fühle nur, daß ich ihn für immer verloren habe.«
»Meine liebe Milly, dies ist ganz unvernünftig. Dein Vater hat mir ganz besonders aufgetragen, Dich seiner unveränderten Liebe zu versichern, wenn ich Dir die Nachricht von dieser Heirath mittheilte. Er hat sich natürlich ein wenig gescheut, es selbst zu thun.«
»Du darfst ihn nichts davon merken lassen, was ich gesagt habe, Julian. Er wird niemals einen Ausdruck des Bedauerns von mir vernehmen, und ich werde mich bestreben, meine Pflicht gegen diese fremde Dame zu erfüllen. Hast Du sie schon gesehen?«
»Nein, sie sind noch nicht heim gekommen. Als ich das letzte mal von ihnen hörte, befanden sie sich in der Schweiz, aber sie werden in einer oder zwei Wochen erwartet. Komm, Milly, sieh nicht so ernsthaft aus. Ich bin überzeugt, daß diese Heirath ebenso sehr zu Deinem eigenen, als zu Deines Vaters Glück ausschlagen wird. Verlaß Dich darauf, Du wirst keine Veränderung in seinen Gefühlen gegen Dich finden.«
»Ich weiß, daß er stets freundlich und gütig gegen mich sein wird,« entgegnete sie traurig. »Es ist ihm nicht möglich, anders zu sein; aber ich kann nicht mehr seine Gefährtin sein wie sonst. Damit ist es ganz zu Ende.«
»Du konntest ja doch nicht annehmen, daß dies Dein ganzes Leben hindurch dauern würde, Milly. Es ist zu hoffen, daß irgend eine andere Person einen Anspruch auf Deine Gesellschaft haben wird, ehe viele Jahre vergehen.«
»Du meinst wohl, ich würde heirathen,« sagte sie, ihn mit der größten Gleichgültigkeit ansehend.
»Etwas derartiges, Milly.«
»Ich habe immer geglaubt, daß ich mein ganzes Leben mit Papa zubringen würde. Ich habe es niemals für möglich gehalten, daß ich eine Zuneigung für einen Andern als für ihn hegen könnte.«
Julian Stormonts Gesicht verfinsterte sich ein wenig und er saß einige Minuten schweigend da, sich mit dem Zeitungsblatt zu schaffen machend.
»Du bist nicht besonders schmeichelhaft für Deine Bewunderer zu Thornleigh,« sagte er endlich mit einem kurzen heiseren Lachen.
»Wer ist dort zu Thornleigh? Habe ich wirklich Bewunderer dort?«
»Ich denke« ich könnte deren ein halbes Dutzend nennen.«
»Reden wir jetzt nicht weiter von ihnen. Ich wünschte vielmehr Alles zu erfahren, was Dir über meine Stiefmutter bekannt ist.«
»Das ist sehr wenig von Belang. Ich kann Dir nichts weiter sagen, als daß sie die Tochter eines Gentleman, sehr gebildet, ohne Geld und vierundzwanzig Jahre alt ist. Sie reiste als Gesellschafterin mit einer ältlichen Dame, als sie Dein Vater in einer Gemäldegalerie zu Florenz traf. Er kannte, wie ich glaube, die alte Dame und durch sie machte er die Bekanntschaft der jüngeren.«
»Nur vierundzwanzig! Nur vier Jahre älter als ich!«
»Nicht wahr, sehr jung? Aber wenn ein Mann im Alter Deines Vaters eine zweite Ehe eingeht, so nimmt er gewöhnlich eine junge Frau. Dies ist natürlich ganz eine vollkommene Liebesheirath.«
»Ja« ganz eine Liebesheirath,« wiederholte Milly mit einem Seufzer.
Ich wußte, daß sie sich bei dem Gedanken, wie sehr sie und ihr Vater früher einander Alles in der Welt gewesen, eines schmerzlichen Gefühls von Eifersucht nicht erwehren konnte. Sie hatte mir ja so oft von ihrem glücklichen zusammenleben, von dem vollkommenen Vertrauen, das zwischen ihnen bestand, erzählt.
Julian Stormont blieb ohngefähr noch eine halbe Stunde da und plauderte mit ihr und gelegentlich auch ein wenig — sehr wenig mit mir und dann entfernte er sich. Milly sagte mir, er sei die rechte Hand seines Onkels im Geschäfte und nach dem Wenigen, was ich von ihm gesehen, konnte ich mir denken, daß er in jeder Lebenssphäre eine hervorragende Rolle spielen würde.
»Papa hegt eine sehr hohe Meinung von ihm,« sagte sie, als wir, nachdem er uns verlassen, über ihn mit einander sprachen.
»Und Du hast ihn wahrscheinlich sehr lieb?«
»O ja, ich habe ihn mein ganzes Leben hindurch gekannt und wir sind fast wie Bruder und Schwester. Nur ist Julian eine jener gedankenvollen und zurückhaltenden Persönlichkeiten, mit denen man nicht so schnell vertraut wird.«