Читать книгу Milly Darrell - Мэри Брэддон, Мэри Элизабет Брэддон - Страница 11
IX. Kapitel.
Angus Egerton ist abgewiesen.
ОглавлениеDas erwartete Gewitter kam am folgenden Tage und Milly und ich wurden davon überrascht. Wir hatten einen Spaziergang über das Moor gemacht und befanden uns glücklicher Weise in einer kurzen Entfernung von Mrs. Thatchers Wohnung, als der erste Blitzstrahl durch die grauen Wolken zuckte und das erste langgezogene Rollen des Donners die stille Luft erschütterte. In vollem Laufe eilten, wir nach dem kleinen Hause der Mrs. Thatcher und langten dort athemlos an.
Die Kräutersammlerin war nicht allein. Eine hohe dunkle Gestalt stand zwischen uns und dem kleinen Fenster, als wir eintraten.
Milly stieß einen schwachen Ruf der Ueberraschung aus und als sich die Gestalt umdrehte, erkannte ich Mr. Egerton.
Bei allen unsern Besuchen unter den Armen hatten wir ihn früher niemals getroffen.
»Wieder vom Regen überrascht« junge Damen!« rief er lachend; »wie ich sehe, sind Sie beide noch nicht wetterkundiger geworden. Glücklicher Weise befinden Sie sich diesmal unter Dach, ehe der Sturm ausgebrochen ist. Es wird indeß bald genug mit Heftigkeit eintreten. Wie verwundert sehen Sie aus, mich hier zu finden, Miß Darrell! Becky ist eine sehr alte Freundin von mir. Ich erinnere mich ihrer, solange ich denken kann. Sie war eine Zeit lange im Dienste meines Großvaters.«
»Das war ich, Mr. Egerton und es gibt nichts, was ich nicht für Sie und die Ihrigen thun würde — wenigstens für Sie, denn Sie sind der Einzige, der noch übrig ist. Aber ich vermuthe, daß sie demnächst heirathen werden; denn Sie werden doch den alten Namen von Egerton nicht aussterben lassen wollen?«
Angus Egerton schüttelte mit trauriger Miene den Kopf.
»Ich bin zu arm, um zu heirathen, Mrs. Thatcher,« sagte er. »Was vermöchte ich einer Frau zu bieten, als ein düsteres altes Haus und einen beständigen Kampf, um zu bewirken, daß Hunderte die Stelle von Tausenden vertreten. Ich bin zu stolz, um das Mädchen, das ich liebe, zu bitten, mir seine Zukunft zu opfern.«
»Cumber Priory ist gut genug für irgend eine Frau, sei sie wer sie will,« antwortete Rebecca Thatcher. »Es kann Ihnen mit dem was Sie sagen, nicht Ernst sein, Mr. Egerton. Sie wissen wohl, daß der Name, den Sie tragen, in dieser Gegend mehr gilt als Geld.«
Er lachte und änderte die Unterhaltung.
»Ich hörte die jungen Damen gestern Abend viel von dem Feste von Pensildon sprechen,« sagte er.
»Wirklich?« sagte Milly; »Sie schienen indeß kein großes Interesse an unserer Unterhaltung zu nehmen.«
»Kam ich Ihnen zerstreut vor? Es ist eine Gewohnheit die ich zuweilen habe; aber ich kann Ihnen Versichern, daß ich zwei oder drei Unterhaltungen zugleich hören kann. Ich glaube, ich habe Alles gehört, was Sie und die Miß Collingwoods gesprochen haben.«
»Sie werden doch wahrscheinlich auch die Partie von Lady Pensildon am 31. besuchen?« sagte Milly.
»Ich glaube nicht. Ich habe die Absicht, für den Herbst ins Ausland zu gehen. Ich bin jetzt schon ziemlich lang in Cumber gewesen und fürchte, daß die herumziehende Lebensweise mich wieder ergreift. Ich gehe indeß doch nicht gerne fort, denn ich hatte mir vorgenommen, Sie beständig in Bezug auf Ihre Kunststudien zu quälen. Sie besitzen wirklich bedeutendes Talent für Landschaft, Miß Darrell. Sie bedürfen nur zuweilen einer Leitung durch eine strenge Kritik, wie ich sie übe. Ist Ihr Cousin, Mr. Stormont ein Künstler?«
»Keineswegs.«
»Das ist Schade. Er scheint ein gescheidter junger Mann zu sein. Wahrscheinlich wird er jetzt, wo Mr. und Mrs. Darrell zurückgekehrt sind, viel bei Ihnen sein?«
»Er kann jedes mal nicht lange bleiben, da er in dem Geschäftshause von Papa eine Hauptstellung einnimmt.«
»Er sieht ein wenig so aus, als ob Geschäftssorgen auf ihm lasteten.«
Er blickte Milly ziemlich sonderbar an, als er von Mr. Stormont sprach. Ich hätte wissen mögen, ob er wirklich die Absicht habe, abzureisen, oder ob die Drohung eine Liebeslist sei.
Der Regen trat mittlerweile mit aller Heftigkeit, wie sie einem Gewittersturm eigen zu sein pflegt, ein. Wir waren länger als eine Stunde Gefangene in Mrs. Thatchers Wohnung — eine glückliche Stunde, wie ich glaube, für Milly, trotz der Schwüle der Luft und des Arzneigeruches der Kräuter. Angus Egerton stand die ganze Zeit über neben ihrem Stuhl, aus ihr sonniges Gesicht niederbückend und mit ihr sprechend, während Mrs. Thatcher eine lange Liste ihrer Leiden und Sorgen in mein aufmerksames Ohr murmelte.
Einmal als diese-Beiden von Mr. Egertons beabsichtigter Abreise sprachen, hörte ich diesen sagen:
»Wenn ich dächte, daß Jemand etwas daran läge, ob ich bleibe, wenn ich nur glauben könnte, daß mich Jemand ein wenig vermissen würde, so würde ich keine Eile haben, Yorkshire zu verlassen.«
Natürlich sagte ihm Milly, daß es viele Leute gebe, die ihn vermissen würden — z. B. Mr. Collingwood und die ganze Familie im Pfarrhause. Er beugte sich daraus zu ihr nieder und sagte etwas mit sehr leiser Stimme, etwas, das ein lebhaftes Erröthen auf ihrem Gesichte hervorrief und einige Minuten daraus gingen sie nach der Thüre, um nach dem Wetter zu sehen und blieben dort im Gespräche miteinander stehen bis ich die letzten Klagen der Mrs. Thatcher angehört hatte und mich ihnen anschließen konnte. Ich hatte niemals Milly so reizend gesehen, als gerade damals mit ihren niedergeschlagenen Augen und einem Lächeln aus ihrem feingeformten Munde.
Mr. Egerton begleitete uns aus dem ganzen Heimwege. Das Gewitters war ganz vorüber, die Sonne schien wieder und die Luft war voll von jener kühlen Frische, die sich nach Regen einzustellen pflegt. Wir sprachen von allen möglichen Gegenständen. Mr. Egerton hatte sich, wie er uns sagte, so gut wie entschlossen, den Herbst in Cumber zuzubringen. Er wollte auch zu dem Pensildon-Feste gehen und im Croquet die Partie auf Millys Seite zu wählen. Er schien auf diesem Heimwege in einer fast knabenhaften Stimmung zu sein.
Als wir an diesem Abend in unsere Zimmer hinaufgingen, folgte mir Milly in das meinige. Es lag hierin nichts Neues, wir brachten öfters noch eine halbe Stunde in glücklichen müßigen Geplauder zu, ehe wir zu Bette gingen; aber nach dem Benehmen meiner Freundin war ich überzeugt, daß sie mir etwas mitzutheilen habe. Sie trat an ein offenes Fenster und stand dort, ihr Gesicht von mir abgewandt und nach der entfernten, vom Mondlicht beschienenen See ausblickend.
»Mary,« sagte sie nach einer sehr langen Pause, »glaubst Du, daß die Menschen bestimmt sind, in dieser Welt vollkommen glücklich zu sein?«
»Meine liebe Milly, wie kann ich eine solche Frage beantworten? Ich glaube, daß viele Menschen ihr Schicksal in der eigenen Hand haben und daß es nur an ihnen liegt, glücklich zu sein. Auch gibt es viele Charaktere, die durch Unglück erhoben und geläutert werden. Ich vermag nicht zu sagen, was das Beste für uns ist, oder worin die wahre Bedeutung dieses Lebens besteht.«
»Es liegt etwas im Vollgenusse des Glücke, das Einen erschreckt, Mary. Man hat ein Gefühl, daß es nicht von Dauer sein könne. Wenn ich nur an diese glauben könnte, so würde ich die Hoffnung hegen, daß mein Leben vollkommen glücklich sein wird.«
»Warum sollte es anders sein, meine liebe Milly. Ich glaube, Du hast in Deinem Leben noch nicht viel Kummer gekannt.«
»Nicht, seit meine Mutter gestorben ist — und ich war damals nur ein Kind — aber dieser alte Schmerz hat mich nie ganz verlassen und Papas Heirath hat mir mehr Kummer verursacht, als Du vielleicht glaubst, Mary. Dieses Haus ist mir seitdem nie mehr als meine wahre Heimat erschienen. Nein, Liebe, es ist ein neues Leben, das mir aufgegangen ist und, o ein so schönes!«
Sie schlang ihre Arme um meinen Hals und verbarg ihr Gesicht an meiner Schulter.
»Kannst Du errathen, was Angus Egerton heute zu mir gesagt hat?« fragte sie mit leiser, zitternder Stimme.
»Wer es etwas sehr Wunderbares, Liebe? oder etwas, das so alt ist wie die Welt, in der wir leben?«
»Nicht alt für mich, Mary, sondern über alle Maßen neu und wundervoll. Ich glaubte nicht, daß er sich etwas aus mir machte, ich hatte es nie zu hoffen gewagt ; denn ich habe ihn seit langer Zeit ein wenig geliebt, obschon Du wahrscheinlich keine Ahnung davon hattest.«
»Mein liebes Mädchen, ich habe es von Anfang an gewußt. Es gibt nichts so Durchsichtiges in der Welt als es mir Deine Gedanken über Angus Egerton gewesen sind.«
»O Mary, wie konntest Du das! Und ich war doch so sorgsam, nichts davon zu sagen!« rief sie vorwurfsvoll. »Aber er liebt mich, Liebe. Er hat mich, wie er sagt, seit langer Zeit geliebt und mich um meine Hand gebeten.«
»Was, nach allen diesen Betheuerungen, daß er niemals von einer Frau verlangen werde, seine Armuth zu theilen?«
»Ich Mary und es ist ihm Ernst mit dem was er spricht. Er sagte mir, wenn ich ein armes Mädchen gewesen wäre, so würde er mir schon längst seine Hand ungetragen haben. Und er wird morgen mit Papa sprechen.«
»Glaubst Du, daß Mr. Darrell zu einer solchen Heirath jemals seine Zustimmung geben würde, Milly?«
»Warum sollte er es nicht thun? Er kann keine schlimme Meinung von Angus hegen, wenn Jedermann gut von ihm denkt. Du wirst bemerkt haben, wie sehr sich seine Gesinnung gegen ihn gemildert hat, seit sie einander persönlich näher getreten sind. Mr. Egertons alte Familie und Stellung wiegen vollkommen mein Vermögen auf, welches auch dieses sein mag. O Mary, ich glaube nicht, daß Papa seine Zustimmung verweigern kann.«
»Ich zweifle sehr daran, Milly. Etwas Anderes ist es, Mr. Egerton als Gast gern bei sich zu sehen und etwas ganz Anderes, ihn als Schwiegersohn anzunehmen. Offen gesagt, meine Liebe, ich fürchte, Dein Vater wird gegen die Heirath sein.«
»Mary,« rief Milly vorwurfsvoll, »ich sehe, was es ist, Du bist gegen Mr. Egerton eingenommen.«
»Ich bin nur für Deine Wohlfahrt besorgt, Liebste. Ich kann Mr. Egerton sehr wohl leiden. Es ist auch für Jedermann schwer, ihm nicht geneigt zu sein; aber ich gestehe, daß ich mich nicht dazu bringen kann, ihm mein volles Vertrauen zu schenken.«
»Warum nicht?«
»Ich war nicht geneigt, ihr den Hauptgrund für mein Mißtrauen mitzutheilen — jene geheimnißvolle Beziehung zwischen Angus Egerton und Mrs. Darrell. Der Gegenstand war ein sehr ernster, fast ein gefährlicher und ich besaß keinen positiven Beweis für meine Vermuthung.
»Wir können nichts für die Zweifel, die sich uns zuweilen aufdringen, Liebe,« sagte ich, »wenn Du aber Mr. Egerton Vertrauen schenken kannst und wenn ihm Dein Vater vertrauen kann, so ist, was ich denken mag, von sehr geringer Bedeutung. Ich kann mich nicht zwischen Dich und Deine Liebe stellen — ich weiß das sehr wohl.«
»Aber Du kannst mich durch Deine Zweifel sehr unglücklich machen, Mary,« sagte sie.
Ich küßte sie und that mein Bestes, sie zu trösten; aber das war keine leichte Sache und sie verließ mich in halb ärgerlicher, halb bekümmerter Stimmung. Sie sagte nur, sie sei so sehr von meiner Theilnahme überzeugt gewesen, und statt ihr Glück zu theilen, habe ich sie durch meine eingebildeten Zweifel und durch meine schlimmen Phrophezeihungen elend gemacht. Als sie sich entfernt hatte, saß ich noch lange Zeit am Fenster, über ihre Trostlosigkeit nachdenkend und mir über meine Offenherzigkeit Vorwürfe machend. Aber ich hatte die feste Ueberzeugung, daß Mr. Darrell sich weigern werde, Angus Egerton als Eidam anzunehmen und daß diese Liebesangelegenheit nicht bestimmt sei, einen glatten Verlauf zu nehmen.
Das Ergebniß bewies, daß ich Recht hatte. Mr. Egerton hatte am folgenden Morgen in der Bibliothek eine lange Unterredung mit Mr. Darrell, in der sein Antrag ganz entschieden verworfen wurde. Milly und ich wußten, daß er im Hause war und mein armes Mädchen ging während der ganzen Zeit, wo diese Beiden unten beisammen waren, in unserem Wohnzimmer mit bleichem Gesicht und voll Unruhe auf und ab.
Als sie darauf Angus Egerton wegfahren hörte, wendete sie sich mit kläglichem Blicke zu mir.
»O Mary, welches wird mein Schicksal sein?« fragte sie. »Ich fürchte, er ist abgewiesen worden. Ich glaube nicht, daß er sich entfernt hatte, ohne mich zu sehen, wenn die Unterredung glücklich geendet hätte?«
Ein Diener kam um uns Beide in die Bibliothek zu bescheiden. Wir gingen miteinander hinunter, während ich Millys kalte Hand in der meinigen hielt.
Mr. Darrell war nicht allein.
Seine Frau saß, mit dem Rücken gegen ein Fenster gekehrt, an einem Tische, sehr blaß und mit einem zornigen Feuer in ihren Augen.
»Setzen Sie sich, Miß Crofton,« sagt Mr. Darrell sehr kalt, »und Du, Milly, komm her.«
Sie ging mit langsamem wankenden Schritt auf ihn zu und sank in den Stuhl, auf den er deutete, ihn die ganze Zeit über mit einem flehenden Blick, der wie ich glaubte, ihm zu Herzen gehen müßte, ansehend. Er stand mit seinem Rücken an dem leeren Kamin und blieb während der ganzen Unterredung stehen.
»Ich glaube, Du weißt, daß ich Dich liebe; Milly,« begann er, »und daß Dein Glück ein Hauptwunsch meines Herzens ist.«
»Ich bin davon überzeugt, Papa.«
»Und doch hast Du mich hintergangen.«
»Dich hintergangen? O Papa, in welcher Weise?«
»Durch Ermunterung der Hoffnungen eines Mannes, von dem Du wissen konntest, daß ich ihn niemals als Deinen Gatten annehmen würde und daß Du Dich, ohne mir ein Wort davon zu sagen und in einer Weise in Deinen Gefühlen fesseln ließest, von der Du wissen konntest, daß sie mir im höchsten Grade zuwider sei.«
»O Papa, ich wußte nichts davon; erst gestern hat sich Mr. Egerton gegen mich ausgesprochen. Es ist Dir nichts verborgen worden.«
»Nichts? Hältst Du Deine vertraute Bekanntschaft mit diesem Manne für nichts? Er mag eine wirkliche Erklärung bis nach meiner Rückkehr verschoben haben — mit einem arglistigen Anschein einer Rücksicht für mich; aber eine Art Liebesgeschichte muß die ganze Zeit über zwischen Euch Beiden bestanden haben.«
»Nein, Papa, wirklich nicht. Bis gestern war es nichts weiter als die gewöhnlichste Bekannschaft. Mary weiß —«
»Bitte, berufe Dich nicht aus Miß Crofton,« unterbrach sie ihr Vater heftig. »Miß Crofton hat sehr unrecht gehandelt, daß sie diese Sache unterstützt hat. Miß Crofton hatte meine Ansicht von Angus Egerton schon längst gehört.«
»Mary hat nichts gethan, um unsere Bekanntschaft zu ermuthigen. Sie war von Anfang bis zum Ende eine Sache des Zufalls. Was hast Du zu Mr. Egerton gesagt, Papa?«
Sie sprach dies mit einer ruhigen Festigkeit, ihn die ganze Zeit über muthig ansehend.
»Ich habe ihm gesagt, daß nichts mich dazu bestimmen könne, meine Einwilligung zu einer solchen Heirath zu geben. Ich habe ihm verboten, jemals wieder mit Dir zu sprechen.«
»Dies kommt mir sehr hart vor, Papa.«
»Ich dachte, Du kanntest meine Ansicht von Mr. Egerton.«
»Sie würde sich ändern« wenn Du ihn besser kennen lerntest.«
»Niemals. In geselliger Beziehung möchte ich vielleicht Gefallen an ihm finden; als Schwiegersohn aber würde ich ihn niemals annehmen. Außerdem habe ich andere Pläne mit Dir — lang gehegte Plane — die Du, wie ich hoffe, nicht enttäuschen wirst.«
»Ich weiß nicht, was Da damit meinst, Papa; aber ich weiß, daß ich nie einen Andern heirathen kann als Mr. Egerton. Ich werde vielleicht gar nicht heirathen, wenn Du Deinen Entschluß in dieser Beziehung nicht änderst; aber das weiß ich, daß ich niemals die Frau eines Andern sein werde.«
Ihr Vater sah sie zornig an. Jener harte Ausdruck in dem unteren Theile des Gesichts, den ich an seinem Porträt und an ihm selbst von Anfang an wahrgenommen hatte, trat heute sehr ausgeprägt hervor. Er hatte das Aussehen eines strengen entschlossenen Mannes, dessen Wille sich nicht durch die Bitten seiner Tochter erweichen ließ.
»Das werden wir bald sehen,« sagte er. »Ich werde meine Pläne nicht durch die Thorheit eines Mädchens vereiteln lassen. Ich war ein sehr nachsichtiger Vater, aber ich bin kein schwacher und nachgiebiger. Du wirst mir gehorchen, Milly, oder Dich bald durch Deinen eigenen Schaden von Deiner törichten Handlungsweise überzeugen.«
»Wenn Du damit meinst, daß Du mich enterben willst, Papa, so habe ich nichts dagegen einzuwenden,« antwortete Milly mit entschiedenem Tone. »Du glaubst vielleicht, Mr. Egerton sei es nur um mein Vermögen zu thun. Stelle ihn auf die Probe, Papa. Sage ihm, daß Du mir nichts geben wollest und daß er mich unter dieser Bedingung nehmen könne.«
»Augusta Darrell wandte sich gegen ihre Stieftochter mit einem Blick, der fast wie eine Flamme war.
»Hältst Du ihn denn für so uneigennützig?« fragte sie. »Setzest Du ein so großes Vertrauen in seine Liebe?«
»Volles Vertrauen.«
»Und glaubst Du nicht, daß uneigennützige Rücksichten bei ihm in die Wagschale fallen? Du denkst also nicht daran«,daß er seine zerstörten Vermögensverhältnisse wieder herzustellen sucht? Du bildest Dir, wohl ein, er sei ganz Treue und Liebe? Er ist ein blasierter Weltmann von dreiunddreißig Jahren, ein Mann, der die Möglichkeit von Etwas, wie wirkliche Liebe überlebt hat, ein Mann, der den ganzen Vorrath seiner Gefühle in seiner Jugendneigung vergeudet hat.«
Sie sagte alles Dies sehr ruhig, aber mit einer unterdrückten Bitterkeit. Ich glaube, sie bedurfte aller ihrer Kraft, um sich von einem leidenschaftlichen Ausbruch, der das Geheimniß ihres Lebens verrathen hätte, zurückzuhalten. Ich war nun mehr als jemals überzeugt, daß sie Angus Egerton früher gekannt und geliebt hatte.
»Ich fürchte nicht das Geringste davon, wenn er auf die Probe gestellt wird,« sagte Milly stolz.
»Ich weiß, daß er vor langer Zeit eine Andere geliebt hat. Er hat mir das gestern selbst erzählt, aber auch zugleich gesagt, daß seine alte Liebe längst in seinem Herzen erstorben sei.«
»Er hat Dir eine Lüge gesagt« rief Mrs. Darrell. »Solche Dinge sterben nie aus. Sie schlafen vielleicht wie die Thiere, die ihren Winterschlaf halten, aber mit einem Hauch der Vergangenheit flammen sie zu neuem Leben auf.«
»Es fällt mir nicht bei, die Treue Deines Geliebten aus so törichte Probe zu stellen, sagte Mr. Darrell. »Ob er durch Rücksichten auf Dein Vermögen geleitet wird oder nicht, kann keinen Unterschied in meiner Entscheidung machen. Nichts wird mich jemals dazu bewegen können, meine Zustimmung zu dieser Heirath zu geben. Du kannst mir allerdings, wenn Du willst, hierin Trotz bieten, da Du großjährig und Deine eigene Gebieterin bist; aber an dem Tage, wo Du Angus Egertons Weib wirst, hörst Du auf, meine Tochter zu sein.«
»Papa» rief Milly, »Du wirst mir das Herz brechen.«
»Unsinn, Kind, Herzen werden nicht so leicht gebrochen. Laß mich nichts mehr von dieser unglücklichen Geschichte hören. Ich habe deutlich mit Dir gesprochen, damit kein Mißverständniß zwischen uns entstehen kann und ich baue auf Deine Ehre, daß keine geheimen Zusammenkünfte zwischen Dir und; Angus Egerton stattfinden. Auch auf Sie, Miß Crofton verlasse ich mich und mache Sie, für zufällige Begegnungen auf ihren Spaziergängen verantwortlich.«
»Du brauchst keine Besorgniß zu haben, Papa,« sagte Milly trostlos. »Wahrscheinlich wird Mr. Egerton, wie er gestern gesagt, Yorkshire verlassen.«
»Ich hoffe es,« sagte Mr. Darrell.
Milly erhob sich, um das Zimmer zu verlassen.
Auf dem halben Wege nach der Thür blieb sie indeß stehen und wandte ihr blasses Gesicht mit einem Blicke der Verzweiflung noch einmal ihrem Vater zu.
»Ich werde Dir gehorchen, Papa,« sagte sie. »Ich könnte es nicht ertragen, Deine Liebe zu verlieren, selbst um seinetwillen. Aber ich glaube, Du wirst mir des Herz brechen,«
Mr. Darrell ging auf sie zu und küßte sie.
»Ich handle nur zu Deinem Besten, Milly; davon darfst Du überzeugt sein,« sagte er in freundlicherem Tone als zuvor. »Gehe jetzt und sei glücklich mit Miß Crofton, meine Liebe, und laßt uns Alle darin übereinstimmen, diese Sache sobald als möglich zu vergessen.«
Dies war unsere Entlassung. Wir kehrten in unser gemeinschaftliches Wohnzimmer zurück. Milly setzte sich aus einen niedrigen Stuhl zu meinen Füßen und begrub ihren Kopf in meinen Schooß, allen Trost verweigernd. So saß sie fest eine Stunde lang da, im Stillen weinend und dann erhob sie sich plötzlich und wischte die Thränen aus ihrem bleichen Gesicht.
»Ich werde Dich deshalb kein elendes Leben führen lassen, Mary,« sagte sie. »Wir wollen von heute an, nicht mehr davon sprechen und ich will mich bestreben,« meine Pflicht gegen meinen Papa zu thun und mein Leben ohne diese neue Glückseligkeit, die es mir so freundlich erscheinen ließ, zu ertragen. Glaubst Du, Mary, daß Mr. Egerton die Enttäuschung sehr schwer empfinden wird?«
»Ganz gewiß, wenn er Dich liebt, wie es meinem Erachten nach der Fall ist.«
»Und wir hätten so glücklich mit einander sein können! Glaubst Du, Mary, daß er abreisen wird?«
»Ich halte es für sehr wahrscheinlich.«
»Und ich werde ihn nie mehr sehen. Ich könnte Papas Liebe nicht verlieren, Mary.«
»Es, wäre allerdings eine harte Sache, wenn es , um eines Fremden willen geschähe.«
»Nein, nein, Mary, er ist kein Fremder für mich; Angus Egerton ist kein Fremder. Ich weiß, daß er edel und gut ist. Aber mein Vater war mir, seit Jahren Alles in der Welt. Ich könnte ohne seine Liebe nicht bestehen. Ich muß ihm gehorchen.«
»Glaube wir, Liebe, es wird dies das Klügste und Beste sein, was Du thun kannst. Du kannst nicht sagen, welche Veränderungen in Zukunft eintreten werden. Dein Gehorsam wird Dich Deinem Vater sehr theuer machen und es kann vielleicht die Zeit kommen, wo er besser von Mr. Egerton denken wird.«
»O Mary, wenn ich das hoffen dürfte!«
»Hoffe Alles, wenn Du Deine Pflicht erfüllst.«
Sie wurde daraus ein wenig heiterer und kam ihrem Vater beim Diner mit einem ruhigen Gesicht entgegen, obschon es noch immer sehr bleich war. Mrs. Darrell sah sie verwundert und wie ich glaubte, mit einem halbverächtlichen Ausdruck an, als ob ihr diese Liebe ihrer Stieftochter als eine sehr armselige Sache vorkomme.
Bevor die Woche verflossen war, vernahmen wir, daß Mr. Egerton Yorkshire verlassen habe. Wir gingen nicht zu der Partie nach Pensildon. Milly hatte einen Katarrh und hütete das Zimmer, sehr zum Bedauern der Miß Collingwoods, welche jeden Tag kamen um sich nach ihr zu erkundigen. Sie nahm diesen Katarrh, der in der That eine sehr geringfügige Sache war, zur Entschuldigung, um sich eine Woche der Einsamkeit zu überlassen und, nach Verlauf dieser Zeit kehrte sie wieder zu uns zurück ohne eine Spur ihres geheimen Kummers. Nur ich allein, die immer bei ihr war und sie vom Grund ihres Herzens kannte, hätte sagen können, wie schwer sie den Schlag, der sie getroffen, empfand und wie viel es ihr kostete, ihn so ruhig zu ertragen.