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2. Sonderfall: Fehlerhafte Rechtsanwendung

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Vor dem Hintergrund der Objektivierung kann sich ein Amtswalter nicht auf mangelnde Rechtskenntnisse berufen. Mangelhafte Gesetzeskenntnis oder Unkenntnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist fahrlässig.[107]

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Anders ist die Lage, wenn ungeklärte Zweifelsfragen zu lösen sind, und der Amtswalter nach sorgfältiger Prüfung zu einem vertretbaren Ergebnis gelangt, selbst wenn es durch die nachfolgende Rechtsprechung nicht bestätigt und sich dadurch als falsch erweist.[108]

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Das Verhalten des amtspflichtwidrig handelnden Amtswalters stellt sich auch anders dar, wenn sein Verhalten durch ein Kollegialgericht als rechtmäßig beurteilt worden ist. Zur Begründung wird angeführt, dass ein einzelner Amtswalter nicht bessere Rechtskenntnis haben kann als ein mit mehreren Rechtskundigen besetztes Kollegialgericht.[109] Diese Auffassung hat die Rechtsprechung mittlerweile dahin korrigiert, dass der Billigung des amtspflichtwidrigen Verhaltens durch ein Kollegialgericht nur noch die Funktion einer Richtlinie zukommt.[110] Insbesondere findet sie keine Anwendung, wenn das Kollegialgericht in einem Eilverfahren entschieden hat.[111] oder bei seiner Entscheidung von einem falschen Sachverhalt ausgegangen ist, bzw. wesentliche rechtliche Aspekte übersehen hat.[112]

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Die Literatur lehnt den Ansatz zum Teil grundsätzlich ab. Die Entschuldigung eines amtspflichtwidrigen Verhaltens über eine kollegialgerichtliche Entscheidung hat die merkwürdige Konsequenz, dass ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung von vorneherein aussichtslos ist.[113] Zu beachten ist zudem, dass die kollegialgerichtliche Entscheidung selbst rechtwidrig ist, wenn sie die Amtspflichtverletzung entschuldigt. Der geschädigte Bürger ist einer zweifachen Rechtswidrigkeit ausgesetzt und bleibt auf seinem Schaden sitzen.[114] Schließlich ist zu sehen, dass die kollegialgerichtliche Entscheidung als Entschuldigungsgrund für die Amtspflichtverletzung eine Ausnahme im Anwendungsbereich des § 839 BGB darstellt. Sie kann deshalb auch mit Blick auf Art. 20 Abs. 3 GG als unzulässige gesetzeskorrigierende richterliche Rechtsfortbildung angesehen werden.[115]

JURIQ-Klausurtipp

Aufgrund der starken Einschränkung der Bedeutung, die eine kollegialrichterliche Entscheidung als Entschuldigungsgrund für eine Amtspflichtverletzung nunmehr hat, wird von Ihnen an diesem Punkt keine vertiefte Kenntnis erwartet. Im Ergebnis lehnen Sie sie ab und verweisen dabei auf die Rechtsprechung, die selbst nur noch von einer Leitlinie spricht. Das Verschulden des Amtswalters ist dann zu erörtern.

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Ebenfalls vor dem Hintergrund der Objektivierung ist das amtspflichtwidrige Verhalten von Mitgliedern in kommunalen Vertretungskörperschaften, z.B. Gemeinderatsmitgliedern, zu beurteilen.

Zum einen ist der Geschädigte nicht verpflichtet, die Gemeinderatsmitglieder namentlich zu benennen, die für einen amtspflichtswidrigen Ratsbeschluss, z.B. Bebauungsplan, gestimmt haben. Zum anderen gilt kein milderer Sorgfaltsmaßstab. Der Einwand, Gemeinderatsmitglieder seien häufig keine Juristen und entschieden nach laienhaftem Ermessen, greift nicht durch. Fehlt eine notwendige Sachkunde für eine Entscheidung, so müssen die Gemeinderatsmitglieder sich zuvor von der Verwaltung oder auch von externen Sachverständigen beraten lassen.[116] Andernfalls wird das Schadensrisiko in unzumutbarer Weise auf den geschädigten Bürger verlagert.[117]

2. Teil Amtshaftung, § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GGB. Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen › VI. Kausaler Schaden

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