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3. Versäumung von Rechtsmitteln

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Nach § 839 Abs. 3 BGB entfällt ein Amtshaftungsanspruch, wenn der Geschädigte es unterlassen hat, den Schaden durch Einlegung eines Rechtsmittels abzuwenden.

Ursprünglich hatte die Regelung des § 839 Abs. 3 BGB den Grund, den leistungsschwachen Beamten zu schützen. Dieser Grund ist mit der Haftungsüberleitung auf den Staat nach Art. 34 GG weggefallen.[149] Mittlerweile wird der Grund für diese Haftungsbeschränkung in einer Konkretisierung und Verschärfung des Gedankens des Mitverschuldens, § 254 BGB, bzw. des Grundsatzes von Treu und Glauben[150] gesehen.[151] Darüber hinaus drückt diese Regelung den Vorrang des Primärrechtsschutzes aus.[152]

Hinweis

Denken Sie daran: Primärrechtsschutz heißt, den rechtswidrigen hoheitlichen Eingriff durch Rechtsbehelfe bzw. -mittel abzuwehren. Ziel ist die Beseitigung der rechtswidrigen Maßnahme und damit die Wiederherstellung eines rechtmäßigen, dem Gesetz entsprechenden Zustandes. Der Sekundärrechtsschutz duldet den rechtswidrigen Zustand und verfolgt das Ziel, diesen rechtswidrigen Zustand durch Schadensersatz bzw. Entschädigung auszugleichen.

Bitte prägen Sie sich ein, im gesamten Staatshaftungsrecht gilt der Grundsatz vom Vorrang des Primärrechtsschutzes vor dem Sekundärrechtsschutz. Es gibt zwischen diesen beiden Möglichkeiten kein Wahlrecht.[153] Also kein „dulde und liquidiere“!

Machen Sie sich noch einmal bei der Gelegenheit klar, welche primären Rechtsschutzmöglichkeiten es gibt (Klagearten der VwGO).

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Rechtsmittel i.S.d. § 839 Abs. 3 BGB sind alle Rechtsbehelfe, die sich gegen die Amtspflichtverletzung wenden oder die Abwendung des Schadens zum Ziel haben.[154] Der Begriff umfasst neben den förmlichen auch die formlosen Rechtsbehelfe, Widerspruch, § 68 VwGO – soweit er noch nicht durch landesrechtliche Regelungen entfallen ist, z.B. § 6 AGVwGO NRW –, grundsätzlich alle Klagen nach der VwGO, Anträge im Eilverfahren, §§ 80 Abs. 5, 123 VwGO, sowie daneben Petitionen, Gegenvorstellungen und Dienstaufsichtsbeschwerden.[155] Nicht dazu gehören die Folgenbeseitigungsklage[156] und die Verfassungsbeschwerde.[157]

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Das Versäumnis, ein Rechtsmittel einzulegen, muss schuldhaft, zumindest fahrlässig sein. Davon ist auszugehen, wenn aus der Sicht des Geschädigten Anlass dazu bestand, vom Vorliegen einer Amtspflichtverletzung auszugehen. Das ihm hierzu möglicherweise die erforderlichen Rechtskenntnisse fehlen, steht der Annahme eines Verschuldens nicht entgegen.[158] Der Geschädigte muss im Zweifelsfall rechtskundige Beratung in Anspruch nehmen.[159] Ein Verschulden der dabei herangezogenen Personen – Rechtsanwälte – ist dem Geschädigten unter den Voraussetzungen des § 278 BGB zuzurechnen. Die hierfür erforderlichen Sonderverbindung ergibt sich aus der in § 839 Abs. 3 BGB enthaltenen Schadensminimierungspflicht.[160] Wird aber die Einlegung eines Rechtsmittels versäumt, weil der Geschädigte sich auf Aussagen und Erklärungen des Amtswalters verlässt, so ist das grundsätzlich nicht zu beanstanden, sprich die Beschränkung des § 839 Abs. 3 BGB greift nicht ein.[161]

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Schließlich muss für eine Haftungsbegrenzung nach § 839 Abs. 3 BGB eine Kausalität zwischen der Versäumung der Einlegung eines Rechtsmittels und dem eingetretenen Schaden vorliegen. Es ist unter Zugrundelegung eines hypothetischen Geschehensablaufs zu prüfen, wie sich die Dinge entwickelt hätten, wenn ein im konkreten Fall zur Verfügung stehendes Rechtsmittel eingelegt worden wäre. Die Ursächlichkeit ist damit dann gegeben, wenn die Nichteinlegung des Rechtsmittels kausal für den Schadenseintritt war, weil dieses versäumte Rechtsmittel tatsächlich Erfolg gehabt hätte.[162] Die Folge ist, dass der Amtshaftungsanspruch dann entfällt.

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