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Schluss
ОглавлениеDürfen wir also Gellius recht geben, wenn er sagt, Cato habe in der Rhodierrede alle Mittel der Rhetorik eingesetzt? Nach Leo 63 geht aus der Darstellung des Gellius indirekt hervor, „dass die Rede nicht eine nach den Forderungen griechischer Rhetorik angelegte Disposition mit folgerechter Vorführung der in der Sache liegenden Fragepunkte besaß“.64 Ob für die Ausarbeitung im Einzelnen griechische Stillehre bestimmend war, bleibt für F. Leo65 sehr zweifelhaft. Was E. Norden66 an Griechischem bei Cato anführt, hat Leo also nicht überzeugt; noch heute bestreitet H. Kronasser67 den griechischen Einfluss auf die Sprache Catos; auch R. Till bringt seine Beobachtungen griechischer Elemente bei Cato nur mit Skepsis vor.68 Mit Recht wirft R. Till im Anschluss an F. Leo die Frage auf, ob nicht die spätere Rhetorik die frühe Kunst Catos in das ihr geläufige Schema zu zwängen versuchte.69
A. D. Leeman setzt sich mit dem Anfang der Rhodierrede vom Standpunkt der griechischen Rhetorik auseinander.70 Er ist bereit (vielleicht allzu bereit), die rhetorischen Denkkategorien des Gellius zu akzeptieren. Der Klassifikation der Rede als politische suasio im Sinne des genus deliberativum stimmt er zu. Er findet im exordium die Gesichtspunkte des utile, tutum und honestum miteinander verknüpft. Dies ermöglicht ihm, die Kritik Tiros zurückzuweisen: Tiro urteilt hier nach dem Gesichtspunkt des tutum, Cato jedoch nach dem des honestum. Das ist zwar richtig gesehen; aber: musste ein Praktiker die doch ganz alltägliche Erwägung, ob etwas ungefährlich beziehungsweise nützlich beziehungsweise anständig ist, aus einem Lehrbuch der Rhetorik lernen?
Leeman spricht wie Gellius von „Enthymemata“71 In Fragment 167 erkennt er eine Complexio72 und in Fragment 169 das Paradoxon verbunden mit Traductio. In dieser Beziehung hat unsere Interpretation größere Vorsicht nahegelegt. Die Funktion der Wortwiederholungen im Kontext weist darauf hin, dass es sich nicht um äußerlich angebrachte Schmuckmittel handelt. Wozu also die Etikettierung? Auch Leeman selbst geht trotz der Anwendung rhetorischer Terminologie an die Frage des Einflusses griechischer rhetorischer Technik auf Cato mit Behutsamkeit heran. Er ist jedoch bereit, zu den Büchern, in die Cato „hineingeschaut“73 hat, auch griechische rhetorische Werke zu rechnen; dem wird man zustimmen. Darüber hinaus findet er aber auch noch griechische politische Theorie in der Verbindung von und 74 Auf staatstheoretische Berührungen mit Polybios hatte schon D. Kienast hingewiesen.75 Da hier persönliche Bekanntschaft hinzukommt, kann man gegen diese Konstruktion nicht viel einwenden; nur ist der Gedanke so banal und naheliegend, dass es in diesem Falle wirklich keiner griechischen Quelle bedarf.
Unsere Interpretation erlaubt also zu der vielleicht manchmal überschätzten Frage nach griechischen Einflüssen auf Cato mit größerer Entschiedenheit als bisher festzustellen: Wenn Gellius behauptet, Cato führe alle Waffen der Rhetorik,76 so bedeutet das nach einem treffenden Wort F. Leos nicht mehr, als wenn über Homer dasselbe gesagt wird.77
Was den Stil der Rede betrifft, so erkannten wir seinen archaischen Charakter in den Formen der reihenden Satzverbindung, in der Ringkomposition und in den Häufungen von Synonymen in bestimmten Partien, vor allem am Anfang, wo Cato starke sprachliche Mittel verwendet, um das Überquellen der Freude darzustellen, das am rechten Nachdenken hindert. Ähnliches wird uns in den Origines begegnen, wo Cato in feierlichen Worten den Heldenkult der Griechen der römischen Schlichtheit gegenüberstellt. In beiden Fällen ist der reiche Ornat zweckbedingt und nicht ohne versteckte Ironie angewandt. Cato führt die freudige Stimmung durch übertriebene Stilisierung gewissermaßen ad absurdum und lässt auf sie eine nüchterne Feststellung folgen.
Damit sind wir bei einem catonischen Spezifikum angelangt. Die in der Praefatio von De agricultura beobachtete Denkform, die entgegen dem sog. Behaghelschen Gesetz auf ein länger ausgeführtes Satzglied ein kurzes folgen lässt, ist auch in der Rhodierrede gegenwärtig.78 Catos Schlagfertigkeit,79 die sicherlich in der Senatsdebatte selbst noch mehr zur Geltung kam, ist also auch in der eigentümlichen Phrasierung der ausgearbeiteten Rede noch zu spüren: zuerst ausführliche, bewusst umständliche Vorbereitung, dann blitzschnelles, treffsicheres Zuschlagen.