Читать книгу Sie wollen doch betrogen werden! - Michael Aulfinger - Страница 12

Kapitel 9

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Das Handy klingelte. Thomas fuhr den Wagen, und sah kurz in den Rückspiegel, als Harry nach dem Handy griff. Außerdem befanden sich noch Jule, und deren Mutter Rebecca im Wagen. Die vier waren auf dem Weg zu einem Möbelhaus nach Bad Segeberg, weil sie Möbel kaufen wollten, vor allen Dingen wollte Harry dabei nicht kleinlich sein.

„Ja, ich heiße Harry Flosbol. Ja, genau, das Telefon geht immer noch nicht. Nein, im Moment bin ich nicht zu Hause.“ Harry macht eine Pause, und lauschte seinem Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung, dabei räusperte er sich leicht.

„So gegen 16.00 Uhr werde ich wieder zu Hause sein, wir sind gerade auf dem Weg um Möbel zu kaufen. Genau. Also bis heute Nachmittag. Tschüß.“

Harry nahm die neugierigen Blicke der Insassen wahr, die wissen wollten, was es mit dem Anruf auf sich hatte. Stolz erzählte er.

„Wißt ihr, ich hatte doch erzählt, daß ich wieder Telefon beantragt hatte. Es war auch schon angemeldet, und alles ging auch erst ein paar Wochen gut. Dann hab ich natürlich die Rechnung nicht bezahlt, worauf sie mir die Leitung kappten, aber ich bin nicht blöd. Hab angerufen, daß etwas mit der Leitung nicht stimmen würde. Jetzt hat mich der nette Herr angerufen, daß sie vorbeischauen, und es wieder freischalten wollen. Er wollte nun wissen, wann ich zu Hause wäre. Dann kommt er nachher. Klasse.“

Zufrieden steckte er das Handy wieder ein, und lehnte seinen Kopf etwas zurück.

„Das wird noch mal ein schlimmes Ende mit dir nehmen,“ ließ Jule sich verlauten. „Aber wart erst mal ab, ob die es wirklich wieder freischalten.“

„Das glaub ich schon. Was soll da schief gehen. Jetzt wollen wir doch erst mal einkaufen gehen. Nicht wahr?“

Thomas schüttelte angesichts Harrys Optimismus den Kopf, aber er wurde sofort abgelenkt, weil Rebecca das Gespräch in eine andere Richtung lenkte.

„Jule, wir sehen nachher gleich mal nach einem Kinderzimmer.“

„Mama“ entgegnete diese aufgebraust, „wir wollen doch noch gar kein Kind. Das hat doch noch Zeit“

„Aber ich dachte doch nur, weil wir doch gerade da sind. Wir können uns doch schon mal umsehen.“ Sie strahlte Angesichts der Aussicht, daß sie bald Oma werden könnte. Harry grinste mit.

In dieser lockeren Atmosphäre fuhren sie weiter Richtung Bad Segeberg. Allmählich setzte leichter Nieselregen ein.

Im Möbelhaus hatten sie sich getrennt. Thomas ging mit Jule und ihrer Mutter Möbel ansehen. Harry brauchte viel Zeit, denn auf seiner Einkaufsliste standen ein Tisch, ein Sofa, ein Bett, ein Schrank, eine Waschmaschine und ein Wäschetrockner. Selbstverständlich suchte er nur das qualitativ hochwertigste Produkt aus. Als seine Bestellung nachher fast 6.000,- Euro betrug, lächelte er zufrieden. Unter dem Namen Manuel Koslowski hatte er alles bestellt. Da die Ware beim Möbelhaus mit einem Zahlungsziel von drei Wochen geliefert wird, hatte er es so geplant, daß er auch diesmal die Rechnung die mit der Post käme, gleich wegwerfen würde.

Nach dem anstrengenden Einkaufsbummel traf er sich mit seinen drei Freunden in dem zum Kaufhaus zugehörenden Imbißraum. Es roch angenehm nach frischem Essen, worauf er bald großen Hunger bekam. Ansonsten machte der Imbißraum den Eindruck einer großen Kantine, denn er wirkte kahl, und deshalb etwas ungemütlich. Es mangelte an einer gemütlichen Dekoration. Dort wurde er schon erwartet. Strahlend berichtete er über seine neuen Errungenschaften. Dabei erntete er unverständliches Kopfnicken.

Seine Wohnung in Ratzeburg befand sich im dritten Stock eines Neubaues. Durch die Wohnungstür betrat man zuerst einen kleinen Flur von drei Quadratmetern. Rechte Hand war kein Schuhrank oder eine Garderobe vorhanden, sondern seine Schuhe lagen durcheinander auf einem Haufen. Sobald die Wohnung betreten wurde, kam einem ein penetranter Gestank in die Nase, der sich noch verstärkte, wenn man vom Flur aus links in das Badezimmer trat. Die Toilette war voller Urin- und Kotflecken. Die Dusche war hinten Rechts in der Ecke. Sie befand sich in keinem besseren Zustand. In der Linken Ecke stand die Waschmaschine, die schon lange nicht mehr benutzt wurde, weil es keinen Strom in der Wohnung gab. Harry hatte keine Rechnung bezahlt.

Von Ordnung konnte wirklich keine Rede sein. Seine Wohnung erinnerte eher an einen Messie. Ganz rechts um die Ecke an der Wand standen der Kühlschrank und die Küchenzeile. Beim öffnen des Kühlschrankes hätte ein Biologe Luftsprünge vor Freude gemacht, denn es waren lebende Beweise des Pilzwachstums in verschiedenen Variationen zu bestaunen. Das Brot war steinhart, und die Wurst, die offen herumlag, war nur noch ungenießbar, und schimmerte mit einem weichen Pelzbezug belegt in den verschiedensten Farben. Es war ein einziger Bakterientempel. Die restliche Küchenzeile sah auch nicht besser aus.

Da er keinen Strom hatte, mußte er sobald die Dunkelheit eingebrochen war, zu Kerzen als Lichtquelle greifen. Doch da er sich wohl in dieser Ansammlung von Unrat fand, kam er immer gerne zurück in seine vier Wände.

Wieder zu Hause angekommen, dauerte es keine zwanzig Minuten, als es an der Tür schellte. Freudestrahlend eilte er hin, und ließ den Handwerker von der Telekom in die Wohnung. Dieser sah hier nach, und probierte da, und sah sich die Telefonanlage genau an. Nach zehn Minuten ging der Handwerker hinaus, unter dem Vorwand noch ein benötigtes Werkzeug aus dem Dienstwagen holen zu müssen. Harry, der nichts ahnte, tappte in die Falle.

Als der Telekom-Handwerker wieder hereinkam, wurde Harry augenblicklich leichenblaß, denn der Handwerker ging, nachdem der die Türschwelle überschritten hatte, dezent zur Seite, und überließ den beiden seriös aussehenden Herren das Feld, die er im Schlepptau mit hereingebracht hatte. Sie wiesen sich alsbald als Polizeibeamte in Zivil aus.

Wie sich dann herausstellte, war folgendes passiert: Carola hatte sich maßlos über Harry geärgert, so das sie sich geschworen hatte sich an ihm zu rächen. Als sie noch zu dritt in der wohnten, war Thomas selten zu Hause, weil er ständig Aufträge hatte. So war Carola oft alleine mit Harry, und sie bekam einiges mit, womit Harry seine Zeit verbrachte. Da sie sich am Anfang gut verstanden hatten, und sogar eine gewisse Sympathie bestand, die nicht zu leugnen war, hatte sie zuerst nichts gesagt. Doch als sie allmählich das Ausmaß von Harrys Wirken mitbekam und erkannte, konnte sie ihr Schweigen nicht mehr mit ihrem Gewissen vereinbaren. Sie stellte ihn des Öfteren zur Rede, ab es war sinnlos. Außer einer Mischung aus reuesüchtigem Blick, einem verschmitztem Lächeln und einem gehauchten „Ich tu es nie wieder“ war nichts aus ihm heraus zu bekommen. Am nächsten Tag waren seine gestern noch geflehten Reuebekenntnisse hinfällig und vergessen und so wertvoll wie ein Wassergrundstück im Pazifik. Diese Betrügereien waren zuviel für ihr Rechtsempfinden, so daß sie andere vor Harry beschützen wollte. Sie war sonst kein rachesüchtiger Mensch, aber diesmal sollte es eine Ausnahme bleiben. So hatte sie sich vorgenommen, Harry an einer seiner empfindlichsten Stelle zu treffen, welches zu dem Zeitpunkt zweifellos das telefonieren war. Da sie noch mitbekommen hatte, daß er wieder ein funktionierendes Telefon haben wollte, hatte sie die Telekom und die Polizei verständigt, denen sie mitteilte, das Harry wieder im Begriff sei zu betrügen um einen großen Schaden anzurichten. Um diesen Schaden möglichst klein zu halten, hatte sie ihn angezeigt. Die Telekom hatte sich auch als dankbar gezeigt.

Harry bekam angesichts dieser erneuten Anzeige ein Gefühl, welches er so noch gar nicht kannte, und welches recht neu für ihn war. Eine regelrechte Angst überkam ihn. Zum ersten Mal sah er sich richtig in der Klemme. Die ersten Schweißperlen bedeckten seine Stirn, als ihm bewußt wurde, daß er sogar noch vor wenigen Stunden eine Möbelbestellung über 6.000,- Euro aufgegeben hatte. Er griff sich verzagt an den Kopf, und wollte auf einmal nicht noch mehr Ärger haben, denn die zwei Herren von der Polizei hatten ihm regelrecht zugesetzt. Sie wiesen ihn noch mal darauf hin, daß seine Akte, immens angewachsen war, und wenn er erst einundzwanzig Jahre alt wäre, er sich nicht mehr unter dem Schutz der Jugendgerichtsbarkeit verkriechen konnte. Sie malten ihm in anschaulichen Bildern sein Dasein hinter schwedischen Gardinen aus. Dies hatte einen starken Eindruck auf ihn hinterlassen, so daß er als er wieder alleine war etwas zur Besinnung kam. Etwas wie Reue machte sich in ihm breit, und er fing an nachzudenken. Die Herren von der Polizei hatten mit Nachdruck darauf hingewiesen, daß sie ihn in Zukunft genauer beobachten würden, und bei mehr Straftaten müßte er mit rigoroseren Methoden rechnen. Dies ließ ihn nachdem er sich beruhigt hatte, zu dem Entschluß kommen, daß er lieber auf die Möbel-Bestellung verzichtete. Es war zwar schwer und ungewöhnlich für ihn, aber es blieb ihm nichts anderes übrig, da er sich ruhiger zu verhalten hatte. Erst mal etwas Gras über die Angelegenheit wachsen lassen. Allmählich beruhigte sich sein Herz wieder, und er sah zuversichtlich in die Zukunft, denn ihm fiel wiederholt ein Punkt auf. Warum, hatten sie ihn denn nicht gleich verhaftet und gleich mitgenommen? Denn es war doch offensichtlich, daß er einen Betrug vorhatte. Telefonieren trotz nicht bezahlter Rechnungen. Warum hatten sie ihn nicht gleich mitgenommen, fragte er sich wiederholt. Sie ließen es bei Verwarnungen. Hatte er denn wirklich Narrenfreiheit? Konnte er sich wirklich leisten was er wollte? Allmählich kehrte die ihm anstehende Abgeklärtheit wieder in ihm zurück.

Sie wollen doch betrogen werden!

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