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Kapitel 6

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Der Januar des Jahres 2002 war sehr mild. Harry hatte sich ein Auto zugelegt, und angemeldet, für welches er selbstverständlich auch nie eine Versicherungsprämie, oder die anfallende KfZ-Steuer entrichtet hatte. Ein Fahrzeug besorgte er sich auf unterschiedliche Weise. Er stahl in unbeobachteten Augenblicken, wenn er sich das Vertrauen von verschiedenen Leuten erschlichen hatte, deren Autoschlüssel. Aber auch Kfz-Aufbrüche gab es. Auch ohne Schlüssel, hatte er es sich angeeignet ein Auto starten zu können. Damit der Diebstahl nicht sofort auffiel, war er der Meinung, daß er besonders schlau handeln würde, wenn er sich andere Kfz-Kennzeichen abschraubte und an sein jeweiliges Fahrzeug montierte. Auf die Idee, daß diese Kennzeichen dann auch gesucht werden würden, kam er nicht. Soweit dachte er nicht voraus. Einmal wäre er beim abschrauben fast ertappt worden, aber seine flinken Beine trugen ihn schnell in die schützende Dunkelheit der Nacht, und so konnte er seine illegalen Tätigkeiten weiterhin ungestraft ausführen. Und wenn er mal in eine Polizeikontrolle geriet, wurde er nicht so bestraft, wie er es verdient gehabt hätte. Einmal wurde er von der Polizei wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis angehalten, und sein Auto stillgelegt. Es stand seit dem auf dem Parkplatz einer Apotheke in Trittau. Thomas erzählte er, daß der Wagen auf dem Schrottplatz gelandet sei, womit die Angelegenheit für ihn erledigt war. Das hoffte er zumindest.

Der Schein trog, denn schon nach wenigen Wochen bekam er ein Schreiben vom Anwalt des Apothekers, der ihn unmißverständlich klarmachte, daß das Auto zu entfernen sei.

Normalerweise war er abgebrüht, aber dieser Aufforderung kam er bald nach. Nur gab es ein kleines Problem. Er hatte keinen Schlüssel mehr. Dieses war für ihn aber nicht unüberwindbar. So erbrach er das Auto, und schloß es kurz, wie er es gelernt hatte. Er fuhr auch gleich weiter. Das Auto stellte er auf dem Hof von Thomas Arbeitgeber, dem Kurierfahrerchef Eddie Fürst, ab.

Als er dies erledigt hatte, packte er sein weniges Hab und Gut, und fuhr mit der Bundesbahn nach Bayern zu Bekannten, die er noch aus jugendlichen Anstaltszeiten kannte. Dort konnte er vorübergehend wohnen. Dies hatten sie ihm zugesichert. Bei Stefan und Jenny bekam er sogar ein eigenes Zimmer, weil sie eine große Wohnung hatten. Er bemühte sich anfangs sogar nicht als Schmarotzer zu erscheinen, und beteiligte sich des Öfteren auch an den anfallenden Lebensmittelkosten. Nur irgendwann wollte und konnte er nicht mehr zahlen, so daß ein Streit zwischen den drei unabdingbar war.

„Du kannst auch mal wieder was einkaufen“ Jenny war sauer.

„Ja mach ich auch.“ Harry versuchte die erhitzten Gemüter zu beruhigen.

„Und wann?“ Stefan wollte es genauer wissen.

„Morgen geh ich los. In Ordnung? Seit ihr damit einverstanden?“ Sie bejahten, und Harry hatte wieder Zeit gewonnen. Am nächsten Tag ging er auch wirklich einkaufen, aber nur Lebensmittelartikel, die nicht gerade zu den teuersten Luxusgütern gehörten, wie Nudeln, oder Saft. Nachdem er seinen Alibieinkauf hinter sich gebracht hatte, zog der alte Schlendrian wieder ein, bis er dann zum wiederholten Male aufgefordert wurde sich auch finanziell an den Kosten zu beteiligen. Dann ging das Spiel wieder von vorne los. Aber jedes Ende der Fahnenstange ist mal erreicht, so auch in Bayern. So ärgerten sich Stefan und Jenny nicht nur über das fehlende Kostgeld, sondern auch über andere fehlende Gegenstände. Sie merkten allmählich, daß vereinzelte Gegenstände auf mysteriöse Weise abhanden kamen. Einzelne CDs waren nicht mehr auffindbar. Auch ein älteres Telefon, welches eigentlich in einer Schublade liegen müßte, war unauffindbar. Bald reifte der Verdacht, daß Harry für das merkwürdige Verschwinden verantwortlich sein könnte. Damit waren seine Tage in Bayern gezählt.

Bis März ließ Harry bei Thomas nichts von sich hören. Diesem kam es auch gar nicht so ungelegen. Denn es war schon anstrengend mit Harry. Nie war man vor einer negativen Erfahrung und Überraschung vor ihm sicher. Als Thomas sich langsam sicher glaubte, daß Harry sich in Bayern eingelebt hätte, und er vor weiteren schlechten Erlebnissen sicher sei und verschont bliebe, meldete sich dieser wieder. Es habe Ärger gegeben, und sie hätten sich nicht mehr verstanden. Er verschwieg, daß seine bayerischen Freunde ihn hinausgeworfen hatten, weil er sich an ihrem Eigentum vergriffen hatte. So mietete er sich erst mal ein Zimmer in Ratzeburg.

Thomas freute sich über Harrys offenbare Veränderung, denn er schien seriöser geworden zu sein. Sein Lebenswandel besserte sich, und es hatte den Anschein, als ob er endlich Erwachsen geworden war, denn er fand wieder Arbeit als Altenpfleger in einem großen Altersheim.

Da er auch nun dort regelmäßig und pünktlich zur Arbeit erschien, war eine offensichtliche Besserung seiner Einstellung eingetreten. Aber im Sommer ging es doch wieder los, und er wurde rückfällig. Professor Senning von der Klink vermißte plötzlich sein Handy - ein Nokia 3310. Was hat der Professor auch sein Handy so offen rumliegen zu lassen. Selber schuld, sagte sich Harry. Das nennt man Verleitung zum Diebstahl.

Da Harry kein weiteres Handy benötigte verschenkte er es weiter. Spendabel war er ja.

So wie seine Diebstahlphase nach einer Pause im Sommer wieder hervorgetreten war, so setzte auch gleichzeitig seine Bestellphase wieder ein. Er hatte sich eine künstlerische Besinnungspause gegönnt, denn nun sprudelten regelrecht die Ideen aus ihm heraus.

Bei der Firma Conley’s in Hamburg-Wedel bestellte er Bekleidung im Wert von 1000,- Euro. Da er sich bei der Bestellung wenig Gedanken über die Größen gemacht hatte, war ihm einiges viel zu groß, anderes wiederum zu klein. So hatte er die unpassenden nagelneuen und recht teuren Bekleidungsstücke einfach weggeworfen. Was sollte er denn auch damit. Die Bekleidung sollte ihm ja auch nicht passen, es war ja nicht für ihn. Es war ein Sport geworden, um herauszufinden wie weit er gehen konnte. Schließlich wollen sie ja betrogen werden.

Seine Bestellungen gab er neuerdings nicht mehr unter seinem richtigen Namen auf, sondern er legte sich das Pseudonym Manuel Koslowski zu. In variantenreicher Abwechslung perfektionierte er das System, indem er den Namen manchmal nur durch einen oder mehrere Buchstaben abänderte, oder einfach andere Vornamen mit Koslowski verband. Extra für den Paketdienst hatte er zu seinem Namen noch die jeweilige aktuelle Koslowski-Version an die Türklingel auf einem Papierschnipsel hinzugefügt. Scherzhaft nannte er es Briefkastenfirma. So konnte er auch bei Firmen, die ihn sonst nicht mehr beliefern würden, wieder frech drauf los bestellen.

Sie wollen doch betrogen werden!

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