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Kapitel 5

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Im Laufe der Zeit hatte Harry heraus bekommen, daß man sehr leicht Ware bestellen kann. In Warenhäusern, an Kiosken und anderswo kann man sich verschiedene Kataloge und Prospekte mitnehmen. Ein Anruf, und die neuesten Kataloge werden umgehend an die angegebene Anschrift versandt. Dann sitzt man zuhause auf der Couch und hat vor sich einen Stapel mit Prospekten und Katalogen. Harry, der ja arbeitslos war und dadurch viel Zeit hatte, stöberte Tagelang durch diesen Berg von angebotenen Konsumartikeln. Seine Gier wurde geweckt. In der Werbebranche gibt es den Begriff AIDA – Aufmerksamkeit, Interesse, Desire (Wunsch/Begierde, Aktion(Kauf). Bei ihm war es nicht anders. Er wollte die Sachen haben, ob er sie unbedingt benötigte oder nicht, war ihm einerlei. So wählte er in aller Ruhe aus, und bestellte das Erwünschte.

Wenn die Ware kommt, kann man sich an ihnen erfreuen, oder unter der Hand weiter verkaufen, beziehungsweise Freunden schenken. Wer redet den von bezahlter Ware? Rechnungen, Zahlungserinnerungen und Mahnungen wurden umgehend dem Mülleimer überantwortet. Es interessierte ihn auch nie, wenn er nach einigen Malen bei der jeweiligen Firma wie Quelle nichts mehr bekam, und sie sein Einkaufskonto sperrten. Es gab ja noch reichlich andere Versandhäuser. Die Kataloge waren überall zu bekommen. In Ruhe setze er sich weiterhin auf seine Couch und suchte Neues aus. Da kam das Kind in ihm zum Vorschein, daß unbekümmert eine Liste der Wünsche wie vor Weihnachten zusammenstellt. Seine Wunschliste wurde immer umfangreicher.

Allmählich verlor er auch die letzten Hemmungen und die Gier andere hereinzulegen artete in einem regelrechten Sport aus. Es war wie ein Zwang, der ihm immer neuere Methoden entdecken ließ.

Ein Beispiel zeigt seine Naivität, und das diese Wirtschaftsform, in der einer für seine zur Verfügung gestellte Arbeit oder Dienstleistung ein Entgelt erhält, nichts für ihn war. Er begriff nicht, daß andere arbeiten und Ware verkaufen wollen, um leben zu können. Das dieser in sich greifende Zyklus die Grundlage unseres Wirtschaftssystems darstellt. Wenn es dann Subjekte wie Harry in unserer Gesellschaft gibt, die nur aus Spaß und Gier gemischt, Ware bestellen, ohne dafür den reellen Gegenwert zu entrichten, ist es nur eine Frage der Zeit bis die Konjunktur lahmt, die allgemeine Zahlungsmoral singt, und es noch mehr Arbeitslose gibt. So weit dachte Harry aber nicht. Damit wollte er sich nicht belasten, denn er wollte nur Spaß.

Das oben angesprochene Beispiel beinhaltete, daß er sich in Hamburg zwei Autoradios, zwei Handys und drei Verstärker bestellte. Dabei hatte er natürlich nicht auf den Preis geachtet, und nur das Beste vom Besten bestellt. Wie ein Schneekönig freute er sich, als er die Ware in den Händen hielt. Nachdem die erste Euphorie verflogen war, überlegte er, was damit geschehen sollte. Er erinnerte sich an seine Freundschaft mit Thomas, und das dieser trotz aller Schwierigkeiten, die er ihm bereitet hatte, immer wieder zu ihm hielt. Das war Harry bewußt, so daß er es ihm mit einem neuen Autoradio und einem Verstärker zu danken gedachte.

Die übrig gebliebenen Technikartikel machte er zu Bargeld. Er hatte Oliver aus dem kleinen Dorf Klein-Schretstaken kennen gelernt. Dieser hatte Beziehungen in Hehlerkreise, so daß jener Harry 400,- Euro für die Artikel gab. So hatte Harry eine Möglichkeit heraus bekommen, aus Ware Bargeld machen zu können, ohne arbeiten gehen zu müssen.

Thomas sagte wegen dieser Illegalität nicht viel, weil er merkte, daß für ihn auch etwas abfiel. Damit ließ er sich regelrecht kaufen. Aber ihm war es auch um der Freundschaft willen gegangen. Öfters hatte er auch wegen Harrys Lebenswandel Streit mit ihm. Im Dezember kam einmal eine Telefonrechnung, für den gemeinsamen Anschluß, die sich auf 1500,- Euro belief. Harry hatte wegen seiner Bestellungen eben viel telefonieren müßen gab er lapidar als Erklärung ab. Es war notwendig. Das müßte Thomas doch verstehen. Damit war für ihn die Angelegenheit erledigt.

Ein weiterer Streitfall war, als Harry eines Abends nach Hause kam, mit einem Autoschlüssel und dem dazu gehörendem VW Golf, einem Lautsprecher, einem Telefon, mehreren CDs und Levi’s Jeans. Die Polizei hatte ihn wegen Diebstahls angezeigt, aber nach ein paar Wochen wurde dieses Strafverfahren eingestellt. Immer mehr fühlte er sich unantastbar. Dieses erneute Erlebnis verstärkte das Gefühl das er sich alles erlauben könnte, ohne erwischt zu werden, immer mehr. Keiner kann mich erwischen, dachte er im geheimen.

Sie wollen doch betrogen werden!

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