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1.2 Spiegelneurone

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Es ist eine gar nicht neue Entdeckung, dass Menschen, die irgendwie miteinander in Kontakt stehen, sehr oft Handlungen zeigen, die nahezu parallel ablaufen. Das Gähnen ist ein viel zitiertes Beispiel: Es ist ansteckend. Oder beobachten Sie einmal einen Erwachsenen, der mit einem Kleinkind kommuniziert: Seine Stimme wird höher, ähnlicher der eines Kindes, und er beugt sich nach unten, um sich auch größenmäßig dem Kind anzugleichen. Ja selbst wenn wir ein Kind mit dem Löffel füttern, öffnen wir selbst den Mund, wenn wir Blickkontakt haben.

Giacomo Rizzolatti von der Universität Parma hat in den 1990er-Jahren anhand von Experimenten mit Affen Entdeckungen gemacht, die vor allem in den letzten zwanzig Jahren eine unglaubliche Resonanz auslösten. Er beobachtete, dass bestimmte Nervenzellen im Gehirn, die für die Ausführung einer Handlung zuständig sind, auch dann aktiv werden, wenn der Affe diese Handlung bei einem anderen Affen nur beobachtete! „Die Beobachtung einer durch einen anderen vollzogenen Handlung aktivierte im Beobachter […] genau das Programm, das die beobachtete Handlung bei ihm selbst zur Ausführung bringen könnte“ (Bauer 2006, S. 22). Derartige Zellen, die ein Programm auch dann aktivieren können, wenn man die Handlung nur beobachtet, bezeichnet man als Spiegelneurone.

Aber das noch Erstaunlichere: „Beim Menschen genügt es zu hören, wie von einer Handlung gesprochen wird, um die Spiegelneurone in Resonanz treten zu lassen“ (ebd., S. 24), und es wurde sogar nachgewiesen, dass es genügen kann, sich eine betreffende Handlung nur vorzustellen (allerdings sind die Effekte dann geringer). Die Spiegelneurone entfalten ihre Wirkung auch bei Gefühlen. Bereits Charles Darwin hat darüber geschrieben, dass sich die meisten emotionalen Reaktionen im Lauf der Evolution aufgrund ihres Nutzens herausgebildet haben und „dass es daher nicht überraschend ist, dass sie von Art zu Art und innerhalb der menschlichen Art von einer Kultur zur anderen eine bemerkenswerte Ähnlichkeit aufweisen“ (Rizzolatti/Sinigaglia 2008, S. 175).

Ein Beispiel: Ekel ist zweifellos eine sehr alte, überlebenswichtige Emotion (man bedenke, dass das Verspeisen verdorbener Nahrung gefährlich ist). Es stellt sich die Frage: Aktivieren das Ekel ausdrückende Gesicht einer anderen Person und das eigene Empfinden von Ekel exakt die gleichen Regionen im Mechanismus der Spiegelneurone?

Genau das ist der Fall, wie Rizzolatti berichtet (ebd., S. 182). Wenn Versuchspersonen den ekligen Gerüchen direkt ausgesetzt sind, werden u. a. Teile in der rechten und linken Insel aktiviert, und dasselbe geschieht, wenn der Ekel der Personen nur im Video, also rein visuell wahrgenommen wird. Dabei stellte Rizzolatti auch fest, dass der Mandelkern, welcher für Angstempfindungen wichtig ist, beim wahrgenommenen Ekel keine Rolle spielt.

Diese und viele andere Untersuchungen zeigen eindrucksvoll, wie sehr das Verstehen von Emotionen anderer Personen von diesen Spiegelmechanismen abhängt. Rein sensorische Informationen können von den Spiegelneuronen direkt kodiert werden!

Der Spiegelmechanismus ermöglicht es unserem Gehirn, „direkt zu erkennen, was wir anderen tun, sehen, hören oder uns vorstellen, das aktiviert dieselben neuralen […] Strukturen, die für unsere Handlungen oder unsere eigenen Emotionen verantwortlich sind“ (ebd., S. 188).

Der Dialog in Beratung und Coaching

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