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Vorwort
ОглавлениеDer Dialog als Kommunikationshaltung findet seit den 1990er-Jahren auch im deutschen Sprachraum immer mehr Zuspruch. Dabei ist gar nicht klar, was mit „Dialog“ gemeint ist, solange man den Begriff nicht irgendwie definiert und anhand praktischer Beispiele erklärt. So unterschiedlich wie die (theoretischen) Zugänge sind auch die Anwendungsfelder und Zielgruppen der „Dialoge“.
Seit meinem ersten Dialogbuch („Psychologie des Dialogs“), erschienen 2011 in diesem Verlag, hat sich mein persönlicher Zugang verändert, auch – aber nicht nur – weil ich vieles aus dem Bohm’schen Dialog-Gerüst für mich adaptiert und mit eigenen Erfahrungen aus der Beratungspraxis als Arbeits- und Wirtschaftspsychologe kombiniert habe. Im Laufe der Jahre war für mich vieles, von dem ich früher überzeugt war, unwichtig, oft auch unbrauchbar geworden. So halte ich den „weichen“ dialogischen Zugang (und dabei geht es keineswegs immer um Kerzen, Blumenkränze und Kreistänze) zwar im privaten Bereich durchaus für spannend und sinnvoll, im Kontext von Organisationen und professioneller Beratung von Gruppen und Einzelpersonen ist er jedoch zumeist ungeeignet.
Transferiert man diese weicheren dialogischen Ansätze also in Unternehmen, verlieren sie oft ihre Einzigartigkeit, auch wenn das Vorgehen auf seriösen Fundamenten aufgebaut ist. Sie sind mehr alter Wein in neuen Schläuchen als das, was einen Dialogprozess im Bohm’schen Sinn ausmacht. Dieser nimmt sehr viel Zeit in Anspruch und erfordert ein hohes Maß an Anstrengung, Überzeugungsarbeit und Geduld. Die daraus entstehenden längerfristigen Konsequenzen wären für gewinnorientierte Unternehmen durchaus die Mühe wert, aber das ist ein eigenes Thema …
So haben für mich die klassischen Rahmenbedingungen, unter denen Dialoge meist stattfinden und wie sie von vielen Autoren – nicht nur von David Bohm – kommuniziert werden, mittlerweile an Bedeutung eingebüßt. An ihre Stelle ist eine bestimmte „dialogische Grundhaltung“ gerückt, die von diesen Rahmenbedingungen nahezu unberührt bleibt. Dies ist sicher zu einem erheblichen Teil meinem gewachsenen Interesse an der Arbeit mit Hypnose sowie der psychologischen PSI-Theorie (Persönlichkeits-System-Interaktionen) von Julius Kuhl geschuldet, dessen Ansatz zur Erklärung der menschlichen Persönlichkeit ich aus zwei Gründen für enorm wichtig halte: Zum einen ist sie wissenschaftlich hochseriös, philosophisch sowie erkenntnistheoretisch außerordentlich spannend und zudem in vielen Bereichen empirisch fundiert. Zum anderen hat Kuhl aus vielen bekannten Theorien und Modellen das Beste genommen, in die PSI-Theorie integriert und daraus (v. a. in Zusammenarbeit mit Maja Storch) praktisch umsetzbare Prozesse abgeleitet. Ich halte es für bedauerlich, dass die PSI-Theorie in der universitären Lehre, zumindest in Österreich, noch nicht wirklich angekommen ist. Jedenfalls bildet sie die Grundlage (und viel mehr) für die Vernetzungen mit meinen eigenen beraterischen Erfahrungen und hypnosystemischen Zugängen, was bei der Lektüre des Kapitels über das DI•ARS-Modell für jeden sofort ersichtlich sein wird, der schon Bekanntschaft mit der PSI-Theorie gemacht hat. Ebenso hat mich die Arbeit von Manfred Prior sehr positiv beeinflusst, was sich wohl bei der Lektüre über die „Erleichterer“ in diesem Buch und in Kenntnis von Priors Werken und Seminaren unmittelbar erschließt.
Das DI•ARS-Modell hilft mir dabei, meine Beratungs- und Coachingprozesse zu strukturieren und gleichzeitig wichtige dialogische Prinzipien in der Arbeit mit meinen Klienten nie außer Acht zu lassen. Aus diesem Grund nimmt es einen breiten Raum im Buch ein. Das ist das Schöne am Beraterberuf: Letztlich lernt man bei der Arbeit mit Menschen ständig dazu und durchlebt kontinuierlich Entwicklungsprozesse, was gerade aus dialogischer Sicht wesentlich ist für die Qualität der Arbeit. Wenn in der Literatur von der „Haltung des Lernenden“ die Rede ist, zielt dies genau darauf ab.
Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle bei meinem alten Studienfreund Rudi Adamcyk für die kritische Durchsicht einiger Kapitel und wertvolle Anregungen, die mein Denken stets sehr bereichern, und bei Mag. Attila Amon, der bereit war, zwei Fallbeispiele zu Papier zu bringen, die darstellen, wie er das DI•ARS-Modell im Rahmen der Mitarbeiterführung praktisch einsetzt. Mein Dank gilt auch MMag. Dr. Sigrid Mannsberger-Nindl vom Facultas Verlag, die als verlässliche Ansprechpartnerin nun schon bei meinem vierten Buch den Entstehungsprozess im bestmöglichen Sinn unterstützt hat.
Waidhofen an der Thaya, im Mai 2020 | Dr. Michael Benesch |
Anmerkung:
Auf geschlechtergerechte Formulierungen wird im Text zur besseren Lesbarkeit verzichtet, personenbezogene Begriffe beziehen sich stets auf alle Geschlechter.